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25.11.2015, 15:11 | #1 |
Dabei seit: 09/2013
Ort: Landkreis Cuxhaven, Halbtags in Mittelerde
Alter: 26
Beiträge: 61
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Der Krieg macht Leichen aus uns allen.
Der kalte Wind bläst mir ins Gesicht.
Zuhause habe ich Schnee immer als etwas schönes, besinnliches empfunden, aber hier, am Rande der Ebene, getränkt mit dem Blut meiner Kameraden, ist er ein fast noch größerer Feind als der Wachposten auf der anderen Seite, etwa zwei Kilometer Luftlinie, der vermutlich gerade das Gleiche denkt. Wann habe ich zuletzt geschlafen? Ich weiß es nicht. Ich vermag nicht mehr zu sagen, ob ich lebe oder sterbe, ob ich Mensch bin, oder nur Soldat, ein Bauer in einer Partie Schach, nur solange am Leben, wie mein Herr mich als wertvoll erachtet. Müller ist letzte Woche gestorben, ein paar hundert Meter weiter westlich, als er sich auf Wache eine notdürftige Latrine grub. Der arme Narr, hat Licht gemacht, und das ohne Deckung. Hier auf Wache stehen wir nackt, vor dem einzigen Gott, der den Soldaten hilft. Vor dem Tod. Müller war für mich mehr als nur ein Kamerad gewesen, er war mir ein Freund geworden, in den Jahren, die dieser Krieg schon wütet. Ich erinnere mich nicht einmal mehr an seinen Vornamen, wenn er ihn mir überhaupt jemals gesagt hat. Aber ich erinnere mich noch gut daran, wie er mir einmal, als wir zusammen am Feuer saßen, erzählt hat: "Heinrich, mein Freund, hör gut zu. Ich hab zuhause 'ne wundervolle Frau und zwei kleine Buben, auf 'nem schönen Bauernhof bei München. Die warten auf mich, die drei. Die wollen ihren Mann und Vater wieder, aber der kommt nicht mehr. Ich kann das nicht mehr, dafür hab ich zu viel gemacht. Und so wie's aussieht, kommen wir doch eh nicht nach Hause. Ob wir nun gewinnen oder verlieren, der Krieg macht Leichen aus uns allen. Merk dir meine Worte, wir sind doch schon längst tot." Der Krieg macht Leichen aus uns allen. Der arme Narr, Recht hatte er. Das ist es, was in keinem Heldenlied und in keiner Lagerfeuergeschichte erzählt wird. Wie man langsam abstumpft, den Respekt vor dem Tod verliert, als Leiche unter der Sonne wandelt. Der Nachhall seiner Worte klingt noch in meinem Kopf, als ich das höre, worauf ich schon die ganze Nacht achte: Das klirren von Stahl. Sofort schrecke ich hoch und läute die Glocke, die Männer erwachen aus ihrem Schlaf und greifen zu den Waffen, der Feind ist da. Ein kurzes Gebet zum Himmel, dann greife ich meine Waffe und rutsche den Abhang hinunter. Warum sollte ich Angst haben, vor dem Tod? Wer das fragt, der vergisst, dass ich nicht mehr lebe. Der Krieg macht Leichen aus uns allen. Geändert von Thodd (25.11.2015 um 17:06 Uhr) |
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Stichworte |
krieg, monolog, schnee |
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