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23.03.2011, 04:16 | #1 |
Anekdote
Sein Entschluss, der drohenden Weihnachtseinsamkeit noch auszuweichen, hatte ihn planlos in ein Reisebüro geführt. Zu weiteren Einstimmungen war dann keine Zeit mehr. Er stand schon in Kairo.
Der erste Tag war gleich unergiebig verlaufen. Als er die Pyramiden sah, dunkelte es schon. Licht flammte an den Hotelpalästen am Nil auf, das das Wasser vielfarbig spiegelte. Er lief die letzten Meter Richtung Gizeh zu Fuß. Die Kassen waren geschlossen, Absperrgitter aufgebaut. Drei, vier Touristen stiegen vor der untergehenden Sonne noch von Kamelen, die Reisebusse entfernten sich. Dann beruhigte sich der Staub. Er ging dennoch weiter, weil er kein Konzept hatte, war jenseits der Absperrgitter, die große Lücken gelassen hatten, hielt den Blick in die Wüste, darauf gefasst, dass scharfe Stimmen ihn anriefen und zum sofortigen Umkehren aufforderten. Doch nichts geschah. Nur ein lumpiger, dünner Mann winkte plötzlich, grinste unsicher, führte ihn, als er sich ihm anschloss, in eine höhlenartige Vertiefung, die er nicht bemerkt hatte. Eines der unzähligen unbedeutenden Gräber für die Leibeigenen, die ihrem Pharao einst folgten, um ihn im Jenseits zu bedienen. Der Mann war jünger, wie er im schwachen Licht erkannte, roch wie ein Tier, zupfte seltsam an ihm herum, um ihm etwas anzudeuten. Misstrauisch wandte er sich zum Gehen, da war der Fremde des Englischen mächtig: I can show you the Pyramides, if you like. Er hielt dabei die Hand auf. Es war für ihn offensichtlich, dass man ihn anlog. It's closed now, sagte er knapp und der andere flehend: wait, my wife, poor children, wait… I take you up to the top. Es entstand eine Pause, weil er schon gerne hinaufklettern wollte, nur war es streng verboten. Er brachte strictly forbidden! hervor und der andere: I can do, don't worry. Sekunden verstrichen, der sinnlose Tag wollte noch einen Höhepunkt, er gab einen kleinen Geldschein. Als der andere mehr wollte, ließ er ihn stehen, der kam hinterher, fasste ihn an der Hand: thank you! und ging eilig voran. Er hatte jetzt Mühe, dem schmächtigen Mann zu folgen, der jeden Meter kannte. Der durch ein Labyrinth von Gräben auf die Pyramiden zulief und die erste, die kleinste wählte. Da war er keinesfalls einverstanden. Er wollte zur dritten und höchsten. Schließlich hatte er Geld gegeben und später wollte er auch etwas erzählen können…er wich auf die offene Ebene aus, die hinüber führte. Da zischte der andere, ein tierhafter Warnruf, als ob dort böse Geister schwebten und er kam ärgerlich zurück. Zornig wollte er die Quader erklimmen, doch er schaffte nicht einen. Da schloss er sich dem Führer wieder an, der jetzt durch Spalten glitt, bis plötzlich ein Pfad, nicht sichtbar von außen, über Stufen im Zickzack höher führte. Es war nicht leicht, in seinem Rücken zu bleiben, so sicher stieg er. Mehr als einmal schien er verschwunden und es ging nicht weiter. Er sah die Hand vor Augen nicht. Doch immer kam er zurück. Einmal zog er ihn rasch in eine Nische. Durch Ritzen sah er, dass vollbesetzte Reisebusse unten fuhren. Knapp unter der Spitze blieb der Führer stehen, als wär er am Ziel. Man spürte die frische Luft, sah auf das Lichtmeer von Kairo hinüber. Aber er war nicht zufrieden. Noch den einen Meter. Dann auf dem obersten Felsquader sitzen. Da hielt ihn die schmale Hand zurück. Unheimlich donnernd sprach eine Stimme, es dröhnte von der anderen Seite der Pyramide, dann brandete eine Symphonie, Flutlicht in Grün, Gelb, Rot tauchte die Pyramiden in wilde Farben. Die großartige Licht-Ton-Schau, die hier allnächtlich vor Tausenden Touristen auf großen Tribünen feierlich die Geschichte der Pyramiden und Pharaonen erzählte, hatte begonnen und um ein Haar, wäre er auf der Spitze der Pyramide, wo, wie der Lautsprecher schallend ausrief, der Sonnengott thronte, zu sehen gewesen. Jetzt befiel ihn eine schreckliche Angst, dass auch auf der anderen Seite dieses furchtbare Licht anginge und ihr Rückweg unter Pfiffen, Johlen und schließlich Stockschlägen ins Gefängnis führte. Aber das passierte nicht. Der Führer brachte sicher auf den Boden zurück und er belohnte ihn erleichtert mit weiteren Scheinen. Irgendwann würde er von diesem dünnen, tierhaften Mann erzählen, der doch ehrlich gewesen war, furchtlos und für ihn wie ein Retter. Der sich für seine Familie in Gefahr begab, während er nur die Sensation gesucht hatte. |
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23.03.2011, 06:07 | #2 |
Diese Geschichte versehentlich ist zu früh durch Klicken hier gelandet. Ich habe sie noch einmal überarbeitet und unter dem Titel "Bemerkenswerte Begegnung" eingestellt. Sorry. Bin gerade recht müde.
LG gummibaum |
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