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Alt 01.10.2006, 16:54   #1
tom.ecker
 
Dabei seit: 09/2006
Beiträge: 15


Standard Auf einer Hochzeit

Zitat:
An einem wunderschönen sonnigen Herbsttag, fand eine Hochzeit statt. Aus aller Herren Länder waren Freunde und Verwandte angereist, das Buffet war eröffnet, der religiöse Trauakt vollzogen und erste Flecken waren auf den Anzügen der Kinder zu sehen welche langsam von den Eltern von der Leine gelassen wurden. Was hauptsächlich daran lag, dass diese es sich am Buffet, vor allem und das war dem Gastgeber wichtig: am Kuchen, gut gehen ließen. Unter diesen Gästen war auch Paris, sie war gerade in ein Gespräch mit 2 ihrer zahlreich versammelten Cousinen verwickelt und in ihrem Gesicht konnte man die angestrengte Freundlichkeit aber offensichtliche Langeweile über dieses oberflächliche Gespräch ablesen. Schließlich begann sie sich mit einem Freund der Braut, ein ruhiger und schräger Typ zu unterhalten. Sie erzählte ihm viel und er machte hin und wieder die ein oder andere flapsige Bemerkung, weniger um das Gespräch weiterzubringen als mehr ein Zeichen zu geben er hätte sie verstanden und höre ihr nach wie vor aufmerksam zu. Sie begann zu erzählen wie sie im Zoo bei einem Praktikum als Tierpfleger einen Elefanten lautstark angefeuert hatte doch bitte in das Haus zu gehen. Bis sie hörte, dass dieser Elefant ein indischer war und so feuerte sie ihn auf indisch an woraufhin dieser gehorchte. Dabei aßen Beide ein großes Stück Kuchen zusammen, mussten jedoch feststellen, dass er einen komischen Nachgeschmack hatte. Nachdem sie sich in aller Höflichkeit und Dankbarkeit von ihrem etwas interessanteren Gesprächspartner verabschiedete verließ sie kurz die Gesellschaft um sich per Telefon bei einem Freund über etwas zu erkundigen.
Als sie wiederkam bemerkte sie schon von weitem ein Unruhe unter den anwesenden Gästen. „Dieser Kuchen! Er ist vergiftet!“ kreischte eine alte Frau und ließ sich ohnmächtig in die Arme ihres Gatten fallen. Daraufhin fingen beide Seiten an sich gegenseitig zu beschuldigen und es kam zu einigen Handgreiflichkeiten. Da ergriff der Bräutigam die Stimme:
„Beruhigt euch! Wir haben alle von dem gleichen Kuchen gegessen! Wir müssen alle einen Ausweg aus dieser Situation finden!“
Die Menge beruhigte sich ein wenig und anstatt weiter einen Schuldigen zu suchen fand es wohl jeder einzelne besser sich erstmal um ärztliche Hilfe zu kümmern. Paris hatte gerade telefoniert und rief: „Ich rufe einen Krankenwagen.“. Die Menge raunte zustimmend und während manche in ihrer Panik hin und her liefen und andere wiederum ins Auto stiegen um selbst ins Krankenhaus zu fahren saß eine Person am Ende einer Bank zusammengekauert, wie auf sein Schicksal wartend.
„Hallo ist da das Krankenhaus?“
„Ja“ meldete sich eine tiefe sanfte Stimme am anderen Ende zu Wort
„Können Sie bitte schnell kommen, wir feiern gerade Hochzeit und vermutlich war der Kuchen vergiftet. Es wäre sehr dringend, wir sind so 500 Leute.“
„Okay, kein Problem. Geben Sie mir bitte die Adresse.“ ...
Nachdem sie den Hörer wieder aufgelegt hatte, erleichtert ihre wichtige Pflicht getan zu haben, ging sie wild „Der Krankenwagen ist unterwegs“ rufend zurück und bald fiel ihr Blick auf diese zusammengekauerte völlig bewegungslos dasitzende Gestalt. Paris nahm gegenüber von ihm Platz und meinte: „Hilfe ist unterwegs.“. Plötzlich wandte sich dieser hektisch ab, stand auf und ging ein wenig ,als wäre sie gar nicht da, auf dem Rasen herum. Neugierig geworden beachtete sie nun gar nicht mehr das panische Treiben ihrer Verwandten sondern sie hatte begriffen sie konnte nichts mehr für sie tun. Nur dieser eine Mensch verhielt sich anders, sein Gesicht versuchte verkrampft normal auszusehen, Tränen flossen aber über sein Gesicht. „Nein.“ drang fast unhörbar über seine Lippen, doch Paris Sinne waren geschärft, sie hatte ihn im Visier und dieses „Nein.“ war ihr nicht entgangen. Eine dunkle Vermutung kam in ihr hoch und sie wollte ihren Verdacht erst laut von sich geben, äußerte sich jedoch nicht bei dem Gedanken der Folgen wäre ihre Vermutung nicht richtig und so ging sie bestimmt auf ihn zu und fragte ihm direkt ins Gesicht mit einem fordernden aber auch ruhigen Ton: „Haben wir dieses Spektakel dir zu verdanken?“. Er schüttelte sich und ein weiteres „Nein.“ kam verteidigend durch seine immer noch verkrampften Gesichtszüge welche sich aber langsam gelockert hatten. Paris spürte einen heftigen Schmerz, „das muss wohl das Gift sein, welches sich langsam bemerkbar macht.“ dachte sie und wollte sich abwenden als der vermeintliche Giftmischer auf sie zukam und fragte: „Geht es Ihnen nicht gut?“ Eine blöde Frage, dennoch war ihr klar, eigentlich wollte dieser Kerl etwas mit ihr bereden. „Wollen Sie etwas mit mir bereden?“ fragte sie schnell und sichtlich angestrengt. „Setz dich erstmal, wenn man sich nicht bewegt wirkt das Gift nicht so schnell.“ entgegneter dieser. Und nachdem sie einen schier unendlich lange dauernden Augenblick auf den Bänken gegenüber saßen fragte Paris: „Und was machst du hier?“. Er lächelte, „Ich denke ich bin auf einer Hochzeit, sie ist nur etwas ungewöhnlich verlaufen. Aber damit habe ich nix zu tun, auch wenn ich, vielleicht im Unterschied zu allen anderen, mit der Entwicklung nicht allzu unzufrieden bin.“ „Warum? Hast du keine Angst zu sterben oder tut es dir nicht Leid, dass all deine Verwandten sterben?“ Kommt ins Grübeln und murmelt: „Sie sind mir egal, wenn wir alle tot sind kann es mir doch egal sein.“ „Du glaubst wohl nicht an Gott?“ „Nein, er hat mir nichts gegeben und dann alles genommen!“ „Aber, ...“ ‚ist das nicht ein Widerspruch’ denkt sie sich. Doch bevor sie ausreden kann fällt er ihr ins Wort:
„Früher, weißt du, hatte ich eine Frau, Kinder, Geschäft, Freunde, Verwandte alles mögliche. Jetzt, mein Kind, habe ich gar nichts mehr. Und jetzt komme mir keiner mit „Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen.“ Wer da jeden Tag malocht hat aufm Bau um seine Familie zu versorgen, das war nicht Gott oder Allah oder wer auch immer. Das war ich! Ich bin der der handelt in dieser Welt! Doch ich bin nicht Gott, das durfte ich auch erfahren!“
Einige Tränen laufen über sein Gesicht, er kramt ein paar kleine Bilder, kaum größer als Passbilder, aus seiner Hosentasche. Er schluchzt, „schau das sind meine Lieben. Jetzt sind sie irgendwo oder nirgendwo, das ist auch egal, sie sind nicht hier. Hier meine Frau“ er hält Paris ein Foto hin, zögernd nimmt sie es in die Hand. Es ist von Schweiß und Tränen durchweicht, es zeigt eine Frau, hübsch ein paar Jahre jünger als der Mann vor ihr. „Das sind meine Kinder, sie waren noch so jung.“ Er steht kurz davor in einem Fluss aus Tränen auszubrechen, noch sind nicht alle Dämme gebrochen. Auch dieses Bild gibt er ihr und während sie sie ansieht, spürt sie eine Unsicherheit. Einerseits ist sie erschüttert von seinem Schicksal, will ihn aufbauen, andererseits sitzt sie hier am Tisch, vergiftet ,selbst von Schmerzen geplagt. Die anderen Gäste sind entweder in Panik zu Fuß oder mit dem Auto in Richtung Krankenhaus aufgebrochen. Einige zurückgebliebene versuchen ihrer Panik mit wütenden Handgreiflichkeiten Luft zu machen. Sie wendet sich wieder ihrem Gesprächspartner zu:
„Aber was ist mit ihnen passiert?“
Ein heftiges Schluchzen erklingt, für einige Sekunden brechen alle Dämme. Sein Gesicht wird überschwemmt von einem Meer von Tränen. Doch er beruhigt sich wieder, beschämt so die Kontrolle verloren zu haben. „Ich will es ihnen erzählen“ er hält inne schaut sie ein Weile starr und mitleidsvoll an als würde die Geschichte welche er ihr lediglich erzählt ihr selbst in diesem Moment zustoßen.
„Vor einigen Wochen, war ich noch Besitzer einer gut laufenden Firma welche im Baugewerbe tätig war. Als ich jedoch mit meiner Familie durch unsere Lagerhalle lief um ihnen unser neuestes Auto vorzustellen passierte es. Ich weiß nicht genau warum, wieso, weshalb. Auf jeden Fall gab es einen lauten Knall, vermutlich ist ein Gastank explodiert, ich weiß es nicht, ist auch egal, ich will es nicht genau wissen, auf jeden Fall brannte mein gesamtes Hab und Gut ab und meine Familie mit ihr.“ Er atmet erleichtert auf und schaut vom Tisch auf den er die ganze Zeit gestarrt hatte in ihr geschocktes Gesicht. „Und darum erzählen sie mir nichts von Gott dem Allmächtigen!“ schickt er noch hinterher. Nach einer längeren Pause, traute sich Paris wieder den Mund aufzumachen. Mitleidsbekundungen hat er wohl schon genug bekommen denkt sie sich und meint: „Was wollen Sie jetzt tun?“
„Ich? Ich existiere nicht mehr! Alles was ich war ist verbrannt, ich bin nur noch ein Name, eine Erinnerung, ein Besitzer eines Personalpasses wie es Millionen ja Milliarden andere gibt. Ich bin nichts mehr. Ich wurde vom Feuer ausgelöscht.“
„Doch du bist doch hier! Eine Person welche vergiftet an diesem Tisch hockt und über sein Leid klagt!“
„Aber was ist das schon? Das ist doch nichts erstrebenswertes, nichts womit man weiterkommt. Das ist Stillstand, letztlich eine Vorstufe zum Tod, denn Tod ist Stillstand.“
„Doch gibt es Dinge welche dich nach wie vor hier halten. Sonst wärst du nicht hier, oder wusstest du von dem Kuchen?“
„Nein, ich wusste nichts davon. Aber es gibt’s nichts was hier noch von wirklichem Wert für mich wäre. Letztlich treibt mich doch jedes Denken an Gott näher in den Tod. In die Erlösung, bei ihm werde ich sie wieder sehen, meine Lieben.“
„Doch es gibt noch so viele Dinge hier, die schön sind. Glaubst du wirklich deine Familie würde es wollen wenn du dich jetzt umbringst? Wenn sie wirklich irgendwo dort oben sind, glaubst du sie würden wollen wenn sie neben dem Unglück ihres frühen Todes auch noch das Unglück deines Todes zu betrauern hätten?“
„Dort oben, bei meinen Lieben, bei Gott, wird alles gut. Nichts wird uns dann noch trennen können!“
„Aber gibt es nicht Dinge welche du ihnen vielleicht erzählen solltest? Dinge welche sie erleben wollten es aber nicht konnten. Willst du nicht durch dich ihre Wünsche erfüllen? Willst du sie, die zum Himmel verdammt, so hintergehen?“
„Nein, ich will sie natürlich nicht hintergehen.“
„Was hatte deine Familie denn für Träume?“
„Also meine Frau wollte schon immer auf die Osterinsel, meine Kinder wollten auch so einiges. Aber wenn ich das alles für sie tue, wird das nicht der größte Schmerz für mich?“
„Das musst du halt abwägen, willst du später im Himmel vor ihnen stehen und ihnen erzählen müssen: ‚Leider kann ich euch nichts über eure Träume erzählen, ich habe mich umgebracht’. Kannst du, nach all der Liebe die sie dir gegeben haben so egoistisch sein?“
„Nein, das kann will ich nicht. Aber du wirst ja ganz bleich, geht es dir nicht gut? Ach stimmt das Gift. Ich hör schon die Sirenen, ist das unserer Tod? Aber du hast Recht, wenn mein eigener Traum schon verbrannt ist, dann bin ich verpflichtet die Träume meiner Kinder zu leben.“
Paris wird immer bleicher, ihre Gesichtszüge erstarren, sie kippt nach hinten um. Hastig springt er auf, nimmt sie in die Arme und quält sich voller Schmerzen zu den Anderen, welche schon von Ärzten verpflegt werden. Bald bricht auch er zusammen.

Paris wacht auf, wo ist sie? In einem Krankenhaus, noch scheint alles verschwommen. Doch bald erkennt sie, sie ist umringt von ihren Eltern, dem Brautpaar und dem Mann, welche alle erleichtert lächeln. Sie erkennt, es ist vorbei. Der Mann hält ihr ein Glas mit Essen hin:
„Ne Olive?“
ihr könnt nicht alle Andeutungen verstehen, aber das macht nichts.
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