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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt. |
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07.11.2014, 11:42 | #1 |
noch nicht erfroren
Der Winter leckt mit schneeweißer Zunge
Spuren durch das ganze Land, verspeist letztes Grün und welke Blüten, fasst mein Herz mit kalter Hand. Ein jeder Schritt auf froststeifer Wiese klingt für mich wie ein Gedicht und in jedem der eisblanken Spiegel stoße ich auf dein Gesicht. Und Trauerschleiern in den Lüften gleicht jeder Atemhauch von mir, zeugt von meiner erfrorenen Liebe und meiner Distanz zu dir. Es rieselt der Schnee, bedeckt meine Lider, Erkenntnis trifft mich ganz sacht: Schweigen vermag wohl Mauern zu bauen, doch mein Herz hat dies nicht vollbracht. |
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08.11.2014, 23:50 | #2 | ||
Dabei seit: 11/2005
Ort: Nördliche Hemisphäre
Alter: 55
Beiträge: 438
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Hallo Anouk,
Dein Gedicht hinterlässt bei mir einen gemischten Eindruck. Auf der einen Seite mag ich einige der geschaffenen Bilder (verspeist letztes Grün [...], Trauerschleier in den Lüften), sowie den Übergang von der Beschreibung der Jahreszeit zur Auseinandersetzung mit dem LD (lyrischen Du). Auf der anderen bleibt das Gedicht in der Aussage m.M.n. undeutlich. Die Zeilen Zitat:
Zitat:
Ist die Herzensmauer "allgemein" nicht gezogen worden, oder wird hier speziell das LD adressiert ? Zum Metrum habe ich aufgeschrieben, wie ich beim Lesen betonen würde: xXxXxXxxXx = 10 XxXxXxX = 7 xXXxXxXxXx = 10 XxXxXxX = 7 xXxXxXxxXx = 10 XxXxXxX = 7 xxXxxXxxXx = 10 XxXxXxX = 7 xXxXxXxXxX = 10 XxXxXxX = 7 XxXxxXxxXx = 10 xXxxXxX = 7 xXxxXxXxxXx = 11 xXxXxxX = 7 XxxXxXxxXx = 10 xxXxXxxX = 7 Leider sehr uneinheitlich. Freie Verse wären hier vielleicht das Mittel der Wahl, Du hast ja mit Deinem Gedicht "Egal" bewiesen, dass Du dazu fähig bist. Nichts für ungut, vielleicht kannst Du mit meinem Eindruck etwas anfangen. Lieben Gruß, Sylvester |
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09.11.2014, 12:36 | #3 |
Danke für Dein Feedback, Sylvester.
Den Widerspruch hast Du erkannt, und der war auch gewollt!!! Das LI ging durch die Winterlandschaft, war der Meinung, mit der Beziehung/Liebe abgeschlossen zu haben, ("zeugt von meiner erfrorenen Liebe zu Dir"), obschon die Winterlandschaft dem LI immer wieder Hinweise zuspielte, dass der Partner doch noch eine Rolle spielte: in den gefrorenen Pfützen sah das LI nicht das eigene Spiegelbild, sondern das des Partners, es hörte in dem rhythmischen Knacken des froststeifen Bodens unter den Füßen ein Gedicht, usw. Dennoch redete das LI sich ein, die Liebe sei ebenso erfroren wie die Landschaft und es sah in der Atemluft einen Trauerschleier usw. Erst als der Schneefall einsetzte, und sich sanft (wie ein Kuss) auf die Augenlider setzte, traf das LI die Erkenntnis: das Herz war doch noch nicht frei! Es gab wohl eine erste Abgrenzung vom Partner, eine "Mauer", die das gegenseitige Schweigen errichtet hatte, aber das Herz des LI hatte (noch) nicht nachgezogen. Es sollte mir allerdings zu denken geben, dass zwar der Widerspruch in den Leser eindringt, dass dessen Sinne jedoch nicht beim Leser ankommt. Ich habe dieses Gedicht vor dem Posten einer guten Freundin und meinem Mann gegeben und sie haben es sofort so verstanden, wie ich es meinte. Das mag aber daran liegen, dass sie mich so lang und so gut kennen, dass sie deshalb schon wussten, was ich ausdrücken wollte... Was den Rhythmus angeht, so bin ich mir immer noch nicht mit mir selbst einig. Ich fühle mich in den "ganz" freien Versen nicht recht wohl, fühle mich in einer strikten, metrisch komplett vorgegebenen Verteilung der Hebungen und Senkungen aber total gefesselt und geknebelt. Ferner finde ich, dass ein komplett durchgehend eingehaltener Jambus manchmal langweilig und ein durchgehender Trochäus oftmals schwerfällig klingt . Was also tun??? Ich habe für mich die passende Lösung noch nicht gefunden. Danke für Deine Mühe! lg,Anouk |
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09.11.2014, 14:32 | #4 | |
Forumsleitung
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Zitat:
Schreib doch einfach über das, was Du siehst. |
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09.11.2014, 16:27 | #5 |
@ Ilka
Ich habe es letzten Winter so gesehen. Genau so und nicht anders. Aber ich habe vermutlich sowieso eine ganz andere Sicht auf das Leben als Du. lG, Anouk |
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12.11.2014, 10:23 | #6 | |
Hallo Anouk,
die Kritik gehört nun mal dazu, da musst Du leider durch. Es heißt auch nicht zwangsläufig, dass du jede annehmen musst. Bevor Du dich mit dem Metrum befasst, konzentriere dich auf deine Bilder. Zitat:
leckt/durch...weißt Du was ich meine? Viele Grüße, A.D. |
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12.11.2014, 12:55 | #7 |
@ AnDi
Hm. Schneisen gehen irgendwo durch. Man kann Schneisen irgendwo "durchfräsen", Schneisen in den Kartoffelbrei z.B. Das macht meine Tochter. Die leckt mit ihrer Zunge über bzw durch den Berg von Kartoffelbrei, es entsteht eine Schneise, man sieht pinke Spuren (denn an den Stellen schimmert ihr Teller pink durch) Du hast insofern recht, als der Winter keinen MaterialABTRAG vornimmt, sondern Material AUFTRÄGT ( den Schnee)- Insofern ist weder "Spur durch" richtig, noch wäre es die "Schneise" als Ersatzwort (das nenne ich doch mal konstruktive Kritik!!! Danke AnDI) Ich sah das Grün, darauf zungenartig geformte erste Schneeverwehungen. So entstand das Bild in meinem Kopf, gepaart mit dieser Kartoffelbrei-Unart, die meine Tochter stets begeht. Aber ja, es trifft nicht auf den Winter zu. Er fährt mit der weißen Zunge übers Land, aber er leckt keine Spuren hinein. Ich werde mir etwas Treffenderes ausdenken müssen. Ich habe nichts gegen Kritik, das habe ich immer wieder gesagt und das meine ich so. Wer sich der Kritik nicht stellen mag, darf nichts publizieren. Dennoch unterscheide ich stark zwischen "konstruktiv" und rein "geschmacksabhängig". Ich hielt es immer so, dass ich meine Klappe halte, wenn mir persönlich etwas nicht gefällt. Ist etwas hingegen nicht korrekt ( und da hast du recht, mein Bild ist nicht korrekt) ist es hingegen hilfreich, es anzumerken. Ich werde die komplette erste Strophe ändern, aber nicht wegen ohrenbetäubendem, gekünsteltem Kitsch sondern weil sie schlicht und einfach keinen Sinn ergibt, wie Du mir soeben gezeigt hast. Für derlei Anmerkungen bin ich selbstverständlich immer offen lG, Anouk Geändert von ANOUK (12.11.2014 um 14:39 Uhr) |
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12.11.2014, 15:46 | #8 |
abgemeldet
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Das Land ist kreuz und quer verleckt,
weil es des Winters Zunge neckt. Das welke Grün, vergilbter Lauch, spür ich vom Herzen down zum Bauch. Ich latsche schuhlos auf den Wiesen, der harte Frost lässt mich gleich niesen. Ich seh mich spiegelnd in nem Teiche, und echt schau aus wie ein Leiche. Am Friedhof ziehn‘ die Trauerschleier, ich atme schwer – ach hols der Geier. Wenn Hunger nach der blöden Liebe, mich schnurstracks in den Selbstmord triebe. Das Schneegetriebe flockt mich nieder, ich spür kaum mehr die eis‘gen Glieder. Ich brüll‘ an kalten Klagemauern, mein stummes Herz ist zum bedauern. |
12.11.2014, 16:02 | #9 |
Hm.
Der Winter stäubt aus vollen Taschen weißes Pulver übers Land, bedeckt letztes Grün und welke Blüten fasst mein Herz mit kalter Hand. |
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12.11.2014, 16:04 | #10 |
abgemeldet
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schon viel besser, liebes eskimo-kind....
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12.11.2014, 18:13 | #11 |
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12.11.2014, 19:09 | #12 |
gesperrt
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Liebe Anouk,
Ich mag den Rhythmus. Ich finde es ist dein bestes Gedicht bisher, auch weil du auf umständliche Formulierungen weitgehend verzichtet hast. Außerdem lässt es sich sogar mit 4/3 Hebungen lesen. S4V2: "sacht".. passt für mein Gefühl nicht so ganz zu diesem "kalten und erstarrten" Bild von V1... vielleicht: "und so bin ich aufgewacht:" - also gerade noch oder unfreiwillig... Die letzten beiden Verse - bezogen auf V1S4 - gefallen mir ausnehmend gut. Sie beschreiben genau dieses Gefühl, wenn man meint, genug äußerliche Distanz zu einer unerfüllten/verflossenen Liebe hergestellt zu haben, aber im Herzen sieht es noch ganz anders aus und die Erkenntnis dessen, hat so gar nichts Erwärmendes. Ich finde es in deiner Überarbeitung von S1 schade um das ursprüngliche Bild. Ich mag nämlich gerade deine ausgefallenen Formulierungen. Man könnte es vielleicht so "logischer" gestalten: Der Winter leckt mit eiskalter Zunge weiße Spuren übers Land, bedeckt letztes Grün und welke Blüten, - (obwohl mir verspeist fast besser gefällt) fasst mein Herz mit kalter Hand. Lieben Gruß shoshin ps. die "Themenverfehlung" von Ralfchen finde ich übrigens ganz köstlich! |
13.11.2014, 09:37 | #13 |
Charis,
danke für Deine Auseinandersetzung mit meinem Gedicht und den schönen Vorschlag für Strophe 1! Die "Lösung"/Alternative, zu der Du gekommen bist, gefällt mir sehr gut, zumal sie das Bild, das ich ursprünglich vor Augen hatte, aufrecht erhält, aber sachlich korrigiert (somit trägt es auch AnDis berechtigtem Einwand Rechnung) Immer, wenn ich dann mal einen solchen Alternativvorschlag lese, denke ich: Himmel, warum bist Du da nicht selbst drauf gekommen? Die Idee mit dem weißen Pulver aus Taschen gestreut ist insofern nicht ganz "meins", obschon ich sie mal spontan "rausgehauen habe", als dieses Bild an Schießpulver oder Juckpulver oder gottweißwas denken lässt... Danke, ich finde es ehrlich toll, dass Du Dich so weit damit auseinandergesetzt hast, dass Du mir hier ein so schöne Alternative anbietest. Ja, über Ralphchens Aufarbeitung der Thematik habe ich auch herzlich gelacht. lG, Anouk |
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