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27.08.2006, 22:42 | #1 |
das fallende Glas
Das Glas fällt; soll es eben fallen, wenn es will.
Ich habe noch nie ein fallendes Glas von unten gesehen, also bücke ich mich und erlebe, wie es über meinem Gesicht weiter fällt. Das Licht der Abendsonne bricht sich golden in den Vertiefungen des eingezeichneten Musters, ein nackter Engel beim Baden. Ich frage mich zum wiederholten Male, was mein Vater mir damit sagen wollte, als er mir dies zum Geburtstag schenkte. Das Beobachten des fallenden Glases ist zwar interessant, aber langweilig. Solche Anblicke sind nicht selten, doch nicht jeder nimmt sich die Zeit, sie zu genießen. Also überlege ich schon mal, was ich tue, nachdem es auf dem Boden aufgeprallt ist. Mein Blick fällt auf meine nackten Füße, ich möchte mich an den Scherben nicht schneiden, das tut mörderisch weh. Ich kenne dieses Gefühl aus meiner Kindheit, damals hatte ich die Vase meiner Mutter zerbrochen und war in die Scherben gestolpert, barfuss. Deshalb laufe ich in die Garage und hole einen Eimer, einen Blecheimer, den stelle ich unter das fallende Glas. Es fällt weiter, während ich belustigt zuschaue, wie es zu rotieren beginnt und sich beim Fallen um seine eigene Achse dreht. Ich sehe die Staubwolke, die es in der Luft aufwirbelt und höre sofort auf zu Lachen, denn dieser Anblick erinnert mich daran, dass ich lange nicht mehr gewischt habe, wozu auch? Es kommt sowieso nie Besuch, und doch nehme ich mir vor, Nach ein paar Minuten kracht das Glas auf den Boden des Eimers und zerspringt in tausend feine Scherben, so langsam, dass ich beobachten kann, wie die einzelnen Stücke sich lösen und in verschiedene Richtungen auseinander fliegen, bis sie klirrend an den Wänden des Eimers aufprallen. Bingo, denke ich. [mal eine andere Sicht der Dinge im wahrsten Sinne, würde mich über ehrliche Kritik freuen, ist eines meiner ersten Werke, ich denke nicht dass es sonderlich gut ist, ich kann es nicht einschätzen] |
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28.08.2006, 23:01 | #2 |
Hey FatLouie,
mir gefällt das außerordentlich! Gerade diese andere Sicht der Dinge und der verlangsamte Lauf der Zeit. Wegen der Interpretation überlege ich noch. Vielleicht ist es gerade das, dass man genießen soll? Die Dinge anders betrachten soll - aus ungewöhnlichen Blickwinkeln? Aber wirklich befriedigt bin ich mit meiner Interpretation nicht, ich denke, da ist noch viel mehr. Ein Glas zerbricht, der Prot nutzt das als Unterhaltung. Nutzt er sinnlose Zerstörung also als Unterhaltung? Aber das Glas ist von sich aus gefallen. Hätte er es nicht auch retten können? Nur kam ihm das überhaupt nicht in den Sinn. Aber der Prot ist vorausschauend genug, um eigenen Schaden abzuwenden. Das Fallen wirbelt sprichwörtlich Staub auf. Ich denke mittlerweile an einen fanatischen Schaulustigen, der gerne Zerstörung sieht, der den normalen Ablick der Zerstörung schon langweilig findet, es muss extravagant sein, immer etwas anders sein, um nicht langweilig zu werden. Nein, das befriedigt mich auch noch nicht. Aber im Moment fällt mir nicht mehr ein. Schade, dass noch niemand Deine Geschichte entdeckt hat. |
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28.08.2006, 23:22 | #3 | |
Zitat:
Ich will mir keine Gedanken über mögliche Interpretationen machen. Diese ließen sich mit Sicherheit anstellen - davon bin ich überzeugt! Struppi, deine Ansätze haben mir gefallen, sie treffen durchaus zu. Aber die Idee dieser Geschichte. Die Sprache. Das langt mir schon. Ich bin begeistert. Als ich eben gelesen habe, dass du erst 14 bist... Ich will auch wieder 14 sein! Man verliert den Blick für Dinge wie ein fallendes Glas wohl, wenn man älter wird - und das sage ich im zarten Alter von 18... Bin begeistert, danke für's Rauskramen, mir wäre etwas äußerst außergewöhnliches entgangen! verneigend, dp |
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28.08.2006, 23:34 | #4 |
oh gott - ich dachte, als ich das gepostet habe, dass es verbal niedergemacht wird, weil ich es als ziemlich schlecht betrachtete!
danke für die lieben kommentare ... ich freue mich echt total! ) Jaja, 14 müsste man sein da ist aber alles auch nicht so einfach *anti-depressiva schluck* Ich lasse meine eigenen Gedanken zur Interpretation erstmal ungesagt, mal sehen was euch noch so einfällt. LG FatLouie |
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29.08.2006, 16:44 | #5 | |
Zitat:
Der Protagonist ist ein von der Neugier und dem Verlangen nach Abwechslung getriebener Analyst. Er sucht - zur Vermeidung von Langeweile - neue Seiten des Lebens, neue Blickwinkel. Seine innovative Einstellung wird belohnt: Es offenbaren sich ihm Einsichten in scheinbar übernatürliche Vorgänge ("nackter Engel beim Baden") - die er jedoch nicht versteht. Er stößt an geistige ("Ich frage mich zum wiederholten Male, was mein Vater mir damit sagen wollte") sowie körperliche ("nackte(n) Füße") Grenzen. Der Protagonist scheint kontaktarm zu schein ("Es kommt sowieso nie Besuch"), vielleicht weil er seine Umwelt als ihm nicht gewachsen sieht. Er ist selbst den physikalischen Gesetzen nicht unterworfen (Zeit), aber er ergötzt sich an den Dingen, die diesen unterliegen ("das fallende - und später zersplitternde - Glas"). Er vermeidet lediglich die Entstehung von Schaden an seiner eigenen Person (--> Eimer), externe Probleme interessieren ihn nicht. (Es wird nicht erwähnt, was der Verlust der geliebten Vase für die Mutter bedeutet haben muss, lediglich das eigene Leid mit den Scherben.) Der Protagonist besitzt jedoch typisch menschliche Schwächen: Vorhaben, die er aus Bequemlichkeit beseite schiebt (z.B. das Putzen). Alles in allem beschreibst du also nach meinem Verständnis eine Person, die Möglichkeiten besitzt, etwas zu verändern (was ich alles machen könnte, wenn ich zeitlichen Abläufen nicht untergeordnet wäre...), aber sie nutzt diese Fähigkeiten nicht - gibt sich stattdessen dem Genuss der passiven Betrachtung hin. Eine kleine Gesellschaftskritik an egoistischem Konsum und Nicht-Handeln? Ich weiß nicht, glorreich gelungen finde ich meine Interpretation ganz sicher nicht. Warte drauf deine eigene Intention zu hören/lesen. Lieben Gruß, dead |
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30.08.2006, 21:05 | #6 |
Hi, danke dass du dir trotzdem gedanken gemacht hast
Die Person ist einfach nur dumm. Anstatt das Unglück im Entstehen zu eliminieren, geht es in seinem blanken Egoismus den umständlichen Weg, in dem sie den Schaden von sich abschirmt. Das Problem unserer Gesellschaft/der Menschheit überhaupt: Wir lösen Probleme erst dann, wenn sie akut geworden sind; und falls wir schon im Vorraus etwas dagegen tun, verringern wir den Schaden nur, er bleibt aber bestehen. Dabei leiden WIR selbst nicht unbedingt. Doch was wird wohl der Vater sagen, wenn er beim nächsten besuch sieht, dass sein Geschenk in Scherben im Blecheimer liegt? Das gibt Ärger. |
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30.08.2006, 21:12 | #7 |
Naja, war ich ja gar nicht soo daneben
Danke für deine Intention. Schreib mal wieder was |
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