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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 16.03.2023, 23:37   #1
weiblich Schreibfan
 
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Standard Quarantäne mit Schuld(gefühlen)

Quarantäne mit Schuld (gefühlen)

Vom Fenster aus lausch ich dem Rauschen der Bäume.
Sie flüstern, sie raunen. Doch heut nicht zu mir.
Mein Blick geht nach unten, in seelische Räume.
Ich wähnte sie zu - unter andrem dank dir.
Das Fenster geöffnet, die Schuld auszulüften,
lieg ich unter Decken. Versuch ein Gedicht.
Seit Tagen schon! Zusehends schmerzen die Hüften...
ein Blick auf mein Smartphone. Du meldest dich nicht.
Ich höre das Klappern der Biomülltonnen
vom Ende der Welt her (quer über dem Gang).
Im Eck hat die Spinne ihr Netz schon gesponnen.
Die Fliege am Spiegel-Brett: Ihr nächster Fang.
Ich weiß wie das wird, ich bin auch eingewoben
in meinen Gedanken und kann nicht hinaus.
Ich hab nichts getan und dich trotzdem betrogen.
Jetzt geht es dir schlecht und das halt ich nicht aus.

Hannah May 16.03.23

Bei dem Gedicht habe ich mich etwas an den Texten von Pennywise orientiert, deren Rhythmus ich immer so schön finde. Ist mein erster Versuch, also wer Verbesserungsvorschläge hat, immer her damit.
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Alt 16.03.2023, 23:55   #2
männlich Heinz
 
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Liebe Schreibfan,
sind es Daktylen mit Auftakt (was ich eigentlich komisch finden würde) oder beinahe makellose Amphybrachien?
Egal, der gewählte Versfuß bringt Leben in meine karge Hütte.
Ein bisschen rätselhaft ist mir der Zusammenhang des Wunsches, ein Gedicht zu schreiben und Deinen Hüften. Ich kenne Poeten, die aus dem Bauch heraus zu schreiben vorgeben (bei mir kommen da bestenfalls Rülpser heraus). Aber dass es einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Hüften - nee, jetzt kriege ich Bilder in den Kopf, die ich vorm Schlafengehen los werden muss.
Das Gedicht: Schon wegen des rhythmischen Schwingens gern gelesen.
Liebe Grüße,
Heinz
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Alt 17.03.2023, 00:55   #3
männlich Manni M.
 
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Hallo Schreibfan,

ich teile Deine Begeisterung für die Gedichte mit solch einem Rhythmus. Und ja, Pennywise hat das echt drauf. Aber auch dir ist es hier wirklich gut gelungen.
Um den Fluss ein wenig geschmeidiger zu gestalten, könnte man ein paar Verse einfach durchgängig schreiben, beispielsweise durch einfache Kommas und nicht durch Satzzeichen wie Punkte oder Ausrufezeichen unterbrechen.
Anstatt: Seit Tagen schon! Zusehends schmerzen die Hüften …
könnte man z. B. schreiben: Seit Tagen schon schmerzen mir deutlich die Hüften. (Für deutlich gibt es sicherlich bessere Alternativen)
Es sind nur minimale Änderungen, die keinen Einfluss auf den ursprünglichen Sinn nehmen, aber dem Text etwas mehr Lesefluss geben. Jedenfalls in meinen Augen.

Aber dennoch ein sehr schönes Gedicht.
Liebe Grüße
Manni
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Alt 17.03.2023, 12:25   #4
weiblich Schreibfan
 
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Lieber Heinz. Danke für deinen Kommentar.
Du wärest der erste, der mir den Unterschied zwischen Amphibrachys und Daktylen erklären könnte
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Alt 17.03.2023, 12:29   #5
weiblich Schreibfan
 
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... nervig, jetzt schneidet es mir wieder den Kommentar ab ..also weiter... Wenn mir Amphibrachys geglückt sind, soll's mir recht sein. Wenn es Daktylen sind, auch. Aber den Unterschied würde ich gerne mal verstehen lernen. Die schmerzenden Hüften beziehen sich nicht auf das Gedichtschreiben, sondern auf das tagelange Liegen, das wird in der unten folgenden Version vllt noch deutlicher.
Lieber Manni. Danke auch für deine Rückmeldung. Deine Vorschläge habe ich mir zu Herzen genommen und ein bisschen was verändert, wenn ich auch nicht überall die Satzzeichen ändern möchte. Aber die von dir angemerkte Stelle konnte man tatsächlich noch etwas "glatter" bügeln.

Quarantäne mit Schuld (gefühlen)

Vom Fenster aus lausch ich dem Rauschen der Bäume.
Sie flüstern, sie raunen. Doch heut nicht zu mir.
Mein Blick geht nach unten, in seelische Räume.
Ich wähnte sie zu - unter andrem dank dir.
Das Fenster geöffnet, die Schuld auszulüften,
lieg ich unter Decken. Versuch ein Gedicht.
Die Tage im Bett stechen längst in die Hüften.
Ein Blick auf mein Smartphone. Du meldest dich nicht.
Ich höre das Klappern der Biomülltonnen
vom Ende der Welt her (quer über dem Gang).
Im Eck hat die Spinne ihr Netz schon gesponnen.
Die Fliege am Spiegel-Brett: Ihr nächster Fang.
Ich weiß wie das wird, ich bin auch eingewoben
in meinen Gedanken und kann nicht hinaus.
Ich hab nichts getan und dich trotzdem betrogen.
Jetzt geht es dir schlecht und das halt ich nicht aus.

Hannah May 16.03.23
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Alt 17.03.2023, 13:10   #6
männlich MonoTon
 
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Ist der Unterschied nicht fast nur optisch durch den Aufbau vom Versfuß gegeben?
senkung-hebung-senkung
Der Amphy ist, soweit ich weiß, formal flexibel und klanglich rollend?

Das rollende Klangbild des rollenden Verses
xXx xXx xXx xXx
Nur, dass ihm eine Arsis vorangeht um nicht als Daktylus gesehen zu werden.

In Bezug auf deinen Text in Neufassung.



Vom Fenster aus lausch ich dem Rauschen der Bäume.
xXxxXxxXxxXx
Sie flüstern, sie raunen. Doch heut nicht zu mir.
xXxxXxxXxxX
Mein Blick geht nach unten, in seelische Räume.
xXxxXxxXxxXx
Ich wähnte sie zu - unter andrem dank dir.
xXxxX|XxXxxX hier entsteht für mich ein Hebungsprall, durch die Pause
Das Fenster geöffnet, die Schuld auszulüften,
xXxxXxxX|XxXx ich würde "aus" leider betonen, weil Kontextbezug besteht.
lieg ich unter Decken. Versuch ein Gedicht.
xXxxXxxXxxX
Die Tage im Bett stechen längst in die Hüften.
xXxxXxxXxxXx
Ein Blick auf mein Smartphone. Du meldest dich nicht.
xXxxXxxXxxX
Ich höre das Klappern der Biomülltonnen
xXxxXxxXxXxx (XxxXx) ist ebenso möglich, aber ich betone auf "Müll"/Sprachraum NF
vom Ende der Welt her (quer über dem Gang).
xXxxXx(xXxxX) die Klammer erzeugt bei mir eine Sprechpause
Im Eck hat die Spinne ihr Netz schon gesponnen.
xXxxXxxXxxXx
Die Fliege am Spiegel-Brett: Ihr nächster Fang.
xXxxXx-X| XxxX "Spiegelbrett" würde die Betonung in abklang stellen.
Ich weiß wie das wird, ich bin auch eingewoben
xXxxX|XxXxxXx der Satz ist in Hebung/Senkung schwierig zu definieren, zuviel Einsilber
in meinen Gedanken und kann nicht hinaus.
xXxxXxxXxxX
Ich hab nichts getan und dich trotzdem betrogen.
XxXxXxxXxxXx erneut Einsilber, zudem wirkt hier der Personenbezug Kontextschwerer
Jetzt geht es dir schlecht und das halt ich nicht aus.
xXxxXxxXxxX

Ich wette andere werden darin einen Grund sehen mir zu sagen, dass ich keine Betonungsanalyse machen soll, aber aus meiner Sicht war es dir wichtig zu erfahren, wie andere (ich) deinen Text lesen.
Die großen X sind Betonungen und die kleinen x sind unbetonte.

Lg Mono
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Alt 17.03.2023, 14:00   #7
Friedrich
 
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Hallo Schreibfan,

ich finde Dein Gedicht gelungen. Die Version in Nr. 5 des Fadens ist die bessere Variante zur ersten Fassung. Ich habe da noch ein paar Ideen, wie man das ganze, ohne viel zu verändern, noch etwas "glatter bügeln" könnte.

Quarantäne mit Schuld (die "Gefühle" sind überflüssig)

Vom Fenster her, hör' Rauschen der Bäume.
Sie flüstern, sie raunen, doch heut nicht zu mir.
Mein Blick geht nach unten, in seelische Räume.
Ich wähnte sie zu - vor allem dank dir.
Das Fenster geöffnet, die Schuld auszulüften,
lieg ich unter Decken, versuch ein Gedicht.
Nach Tagen im Bett, es schmerzen die Hüften.
Ein Blick auf mein Smartphone: Du meldest dich nicht.
Ich höre das Klappern der Biomülltonnen
vom Ende der Welt her, es hallt über'n Gang.
Im Eck hat die Spinne ihr Netz schon gesponnen.
Die Fliege am Spiegel-(.) ihr nächster Fang.
Ich weiß wie das wird, (.) bin auch eingewoben
in meine Gedanken und kann nicht hinaus.
Ich hab nichts getan und dich trotzdem betrogen.
Jetzt geht es dir schlecht und das halt ich nicht aus.

Ich hoffe, Du kannst damit etwas anfangen.

Lieber Gruß

Friedrich
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Alt 17.03.2023, 14:05   #8
männlich Heinz
 
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Liebe Schreibfan,
für mich sieht das so aus:
Daktylus = Xxx/Xxx/usw.
Amphi = xXx xXx usw.
Mono Ton wird drei DIN A 4 Seiten benötigen, fragt sich nur

ob er den tanzenden Rhythmus des Versfußes Takte zu treffen vermag......XxxXxxXxx.....
oder
mit he das Schwingen der Flügel des Adlers vernehmend, doch lieber trochäisch, vielleicht auch in Jamben zu dichten versucht....xXx xXx xXx

Ich hab mich in beiden (in Daktylen und Amphibrachis) versucht und bevorzuge den Daktylus.

Liebe Grüße,
Heinz

Geändert von Heinz (17.03.2023 um 17:07 Uhr)
Heinz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 17.03.2023, 15:56   #9
männlich MonoTon
 
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Zitat:
Mono Ton wird drei DIN A 4 Seiten benötigen
Hab ich ja gar nicht.
Ich hab mich nur noch auf die Betonung in Schreibfans eigenem Text eingelassen.
Eigentlich war ich fertig.

Geändert von MonoTon (17.03.2023 um 17:29 Uhr)
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Alt 17.03.2023, 17:08   #10
männlich Heinz
 
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erwischt! Chapeau!
H.
Heinz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 17.03.2023, 19:00   #11
männlich Manni M.
 
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Zitat:
Zitat von Schreibfan Beitrag anzeigen
Quarantäne mit Schuld (gefühlen)

Vom Fenster aus lausch ich dem Rauschen der Bäume.
Sie flüstern, sie raunen. Doch heut nicht zu mir.
Mein Blick geht nach unten, in seelische Räume.
Ich wähnte sie zu - unter andrem dank dir.
Das Fenster geöffnet, die Schuld auszulüften,
lieg ich unter Decken. Versuch ein Gedicht.
Die Tage im Bett stechen längst in die Hüften.
Ein Blick auf mein Smartphone. Du meldest dich nicht.
Ich höre das Klappern der Biomülltonnen
vom Ende der Welt her (quer über dem Gang).
Im Eck hat die Spinne ihr Netz schon gesponnen.
Die Fliege am Spiegel-Brett: Ihr nächster Fang.
Ich weiß wie das wird, ich bin auch eingewoben
in meinen Gedanken und kann nicht hinaus.
Ich hab nichts getan und dich trotzdem betrogen.
Jetzt geht es dir schlecht und das halt ich nicht aus.

Hannah May 16.03.23



Hallo Schreibfan,

so kann man es doch getrost stehenlassen. Und im Nachhinein betrachtet hast du auch recht mit den Satzzeichen. Tut der Flüssigkeit keinen Abbruch. Ich habe mir gedacht, dass man vielleicht die Klammern in dem einen Vers weglassen könnte, aber die haben bestimmt einen Grund.

Nach wie vor: Schönes Gedicht.


Hallo Heinz,

so einfach kann es sein, vielen Dank für die aufklärende Exkursion. Ich bin ja überhaupt kein Fachmann, was so manche Begrifflichkeit angeht, aber es kann ja nie verkehrt sein, etwas dazuzulernen. Jetzt hab ich den Unterschied endlich mal verstanden.

Liebe Grüße
Manni
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Alt 17.03.2023, 19:51   #12
weiblich Schreibfan
 
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Hallo, Monoton, Heinz, Manni, Friedrich.
Dankeschön für eure wertvollen Kommentare, die Aufklärung über Amphibrachys (ich denke jetzt hab ich's kapiert. Somit habe ich in Amphibrachys geschrieben) und vor allem für deine Fleißarbeit, Monoton. Einiges habe ich nun übernommen und X e jetzt auch mal, meiner Ansicht nach kann man das Gedicht so lesen (Großbuchstaben=Betonung

Vom Fenster aus lausch ich dem Rauschen der Bäume.

xXxxXxxXxxXx

Sie flüstern, sie raunen. Doch heut nicht zu mir.

xXxxXxxXxxX

Mein Blick geht nach unten, in seelische Räume.

xXxxXxxXxxXx

Ich wähnte sie zu, vor allem dank dir.

xXxxXxxXxxX

Das Fenster geöffnet die Schuld auszulüften,

xXxxXxxXxxXx

lieg ich unter Decken, versuch ein Gedicht.

xXxxXxxXxxX

Die Tage im Bett stechen längst in die Hüften.

xXxxXxxXxxXx

Ein Blick auf mein Smartphone. Du meldest dich nicht.

xXxxXxxXxxX

Ich höre das Klappern der Biomülltonnen

xXxxXxxXxxXx

vom Ende der Welt her (quer über dem Gang).

xXxxXxxXxxX

Im Eck hat die Spinne ihr Netz schon gesponnen.

xXxxXxxXxxXx

Die Fliege am Spiegelbrett: Ihr nächster Fang.

xXxxXxxXxxX

Ich weiß wie das wird, ich bin auch eingewoben

xXxxXxxXxxXx

in meinen Gedanken und kann nicht hinaus.

xXxxXxxXxxX

Ich hab nichts getan und dich trotzdem betrogen.

xXxxXxxXxxXx

Jetzt geht es dir schlecht und das halt ich nicht aus

xXxxXxxXxxX


Ich finde es beim Lesen so flüssig, was meint ihr?

Teils habe ich die Satzzeichen nun geändert, aber manches habe ich auch gelassen, gerade die Klammer finde ich wichtig, da sie unterstreicht, dass quer über den Gang gerade wie das Ende der Welt ist für das Lyrische Ich. Friedrich, danke auch für deine Vorschläge, einiges habe ich übernommen, aber anderes würde die Amphibrachys meines Hörens nach zu Jamben machen...
Schreibfan ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 17.03.2023, 20:44   #13
männlich MonoTon
 
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Ich wähnte sie zu, vor allem dank dir.

xXxxXxXxxX
es fehlt eine unbetonte

Das Fenster geöffnet die Schuld auszulüften,

xXxxXxxXXxXx

der Kontextbezug besteht mMn weiterhin. Aber vermutlich liegt es an mir.
Ich weiß nicht, warum ich mir innerlich eine "Wie-Frage" auf ein Präfix formuliere.


Ein Blick auf mein Smartphone. Du meldest dich nicht.

xXxxXxxXxxX Ich mag Anglizismen


Die Fliege am Spiegelbrett: Ihr nächster Fang.

xXxxXxxXxxX Jetzt fällt es leichter eine Senkung drauf zu legen. Sehr schön. Trotzdem, dass es ein Substantiv ist und man es berühren kann. Auch die harte Zäsur trägt dazu bei, dass das "Ihr" eine Betonung erfährt.


Ich nuckel gerade einen Pflaumenrum-Likör. (kötzlich kötzlich)
Wenn ich teilen könnte, würde ich es tun.

Lg Mono
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Alt 17.03.2023, 20:58   #14
männlich Heinz
 
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Liebe Schreibfan,
Dein Gedicht flüssig zu lesen macht keine Probleme. Die fangen erst beim lauten Lesen an. daDAda daDAda daDAda daDAda verführt zu einem fast büttenartigen Geleier und ich hüte mich, diesen Versfuß bei längeren Strophen zu meiden. Goethe hat in seiner Iphigenie den damals sehr gebräuchlichen Blankvers verwendet (Fünfhebige Jamben, ungereimt), aber bei seinem Lied an die Parzen ist er davon abgewichen:

Es fürchte die Götter
Das Menſchengeschlecht!
Sie halten die Herrſchaft
In ewigen Händen,
Und können sie brauchen
Wie’s ihnen gefällt.

Der fürchte sie doppelt
Den je sie erheben!
Auf Klippen und Wolken
Sind Stühle bereitet
Um goldene Tiſche.

Erhebet ein Zwist ſich:
So ſtürzen die Gäſte
Geschmäht und geschändet
In nächtliche Tiefen,
Und harren vergebens,
Im Finstern gebunden,
Gerechten Gerichtes.

(alles andere ist fast durchgängig in Blankversen geschrieben), Ein Beispiel:

Lass mich zum ersten Mal mit freiem Herzen,
In deinen Armen reine Freude haben!“

Im Blankvers zu schreiben kann sehr schöne Ergebnisse bringen. Der Reimzwang ist aufgehoben (die meisten aller Gedichte auf dieser Welt kennen den Endreim gar nicht) und selbst Shakespeare hat sich des Blankverses bedient:

Es war die Nachtigall und nicht die Lerche,
die eben jetzt Dein banges Ohr durchdrang.

Vielleicht konnte ich Dich auf diese Dichtungsart neugierig machen?

Liebe Grüße,
Heinz
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Alt 20.03.2023, 18:15   #15
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Liebe Monoton. Bei "vor allem" muss ich dir Recht geben. Da passt von der Betonung her besser "unter andrem". Ich ueberlas das versehentlich. Danke dir nochmals für deine Mühe.
Lieber Heinz.
Danke auch dir für deinen Kommentar. Wie schaffst du es denn, dieses Gedicht in Büttenform zu lesen ? Ich hab's doch nicht in Jamben oder Trochäen geschrieben. Lesen das die anderen auch so? Würde mich mal interessieren. Blankverse und ungereimte Gedichte sind nicht so mein Fall. Ich persönlich finde immer, da kann man auch gleich Prosa lesen. Ab und an gefällt mir zwar ein Text, aber eher selten. Obwohl ich mich derzeit selbst in Haikus und Senryus versuche und davon auch einige hier eingestellt habe.

LG Schreibfan
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Alt 20.03.2023, 19:03   #16
männlich Heinz
 
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Liebe Schreibfan,
ich habe geschrieben "daDAda daDAda daDAda daDAda verführt zu einem fast büttenartigen Geleier", hätte vielleicht sagen sollen, dass längere Strophen zu einem büttenartigen Geleier führen [B]können.
Es blühen die Veilchen am Waldrand
und endlich beginnen die Hasen zu hoppeln.
Die Bäume beginnen nun Knospen zu treiben,
getaut ist der Schnee und die Bäche sind eisfrei,
die Röcke der Mädchen erlauben den Knaben
die Blicke auf Schenkel und mehr.
Das könnte ich nun stundenlang fortsetzen, aber bald beginnt dann die Langeweile.
Du fragst: "Wie schaffst du es denn, dieses Gedicht in Büttenform zu lesen?"
Gar nicht, weil ich Dein Gedicht nicht in Büttenform gelesen habe.
Liebe Grüße,
Heinz
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Alt 21.03.2023, 05:16   #17
weiblich Ilka-Maria
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Ich finde das Gedicht super und wüsste nicht, was daran auseineinerzunehmen wäre. Klar: An der Form gibt es zu kritisieren.

Aber ein Gedicht besteht nicht nur aus Form, sondern hat auch eine Aussage. Um sie unverfälscht mitzuteilen darf mit der Form gebrochen werden.

Dieses Gedicht ragt aus der Masse heraus, es ist eine Perle und sollte belassen bleiben, wie es ist.

Bewahre den Dichter vor den Ixern!

Liebe Grüße
Ilka
__________________

Workshop "Kreatives Schreiben":
http://www.poetry.de/group.php?groupid=24
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Alt 21.03.2023, 12:52   #18
Ex-Pennywise
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Moin Schreibfan,

ich bin da bei Ilka. Der Text beschreibt keine 0815 Bilder. Alleine solche Dinge wie "das Klappern der Biomülltonnen", holen den Leser in eine Szenerie hinein, die die Sinne aktiviert. Akustische und visuelle Eindrücke werden vermittelt. Besonders gut finde ich dann, wenn die "Biomülltonnen" dann noch Teil des Reims sind. Das ist dann eben von der Norm abweichend. Die kleinen Brüche in den Hebungen und Senkungen finde ich zweitrangig. Ich komme dennoch komplett in den Leseflow.
Es freut mich übrigens, dass du Inspiration in der von mir oft verwendeten Form gefunden hast. Vielen Dank dafür.
Allerdings habe ich mich da irgendwann selber mal von anderen Texten inspirieren lassen. Die Amphibrachien sind mittlerweile meine Lieblingsform, weil sie so tänzelnd daher kommen. Außerdem kann man in die verhältnismäßig langen Verse einiges reinpacken.
Ich freue mich auf weitere Kostproben von Dir.
Diese hier ist sehr gelungen.

Gruß

Pennywise
Ex-Pennywise ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.03.2023, 19:41   #19
weiblich Schreibfan
 
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Lieber Heinz. Dann bin ich ja beruhigt, dass du das Gedicht nicht in Büttenform gelesen hast. Gracias
Lieber Heinz. Dann bin ich ja beruhigt, dass du das Gedicht nicht in Büttenform gelesen hast. Gracias
Schreibfan ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.03.2023, 19:42   #20
weiblich Schreibfan
 
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Nervig...schon wieder schneidet es mir dauernd die Kommentare ab...


Liebe Ilka. Wow, bei so viel Lob von einer ja sehr kritischen Leserin bekomme ich ja ganz rote Ohren, danke dir. Das "X" en von Monoton etc fand ich aber OK, ich hatte ja darum gebeten. Ist schon gut auch zu merken, wie andere das Gedicht betonen und Lesen.

Lieber Pennywise. Das Lob vom Meister freut mich natürlich. Und es ist doch super, dass du selbst auch inspiriert wurdest. So lernen wir doch alle dazu und können unser Wissen über Lyrik teilen. Die von mir so geschätzte und oft genutzte Pantunform habe ich auch erst hier im Forum kennengelernt.

LG Schreibfan
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Alt 26.03.2023, 10:55   #21
weiblich Yellow
 
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Ich liebe Gedichte, die mich kurz wegbeamen und dann beginnt dieses „Nachspüren“ und der Moment der Stille und des Mitsichseins…

Danke für dein schönes Gedicht.
Yellow
Yellow ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.03.2023, 20:40   #22
weiblich Schreibfan
 
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Liebe Yellow. Freut mich, dass dir mein Gedicht so gut gefällt. Und danke dir auch für den "Favoriten".
LG Schreibfan
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Alt 28.03.2023, 10:00   #23
weiblich Rumpelstilz
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Standard Quarantäne mit Schuld(gefühlen)

Hallo Schreibfan,

ja, du hast dir Mühe gegeben. Einwandfreie Amphibrachien. Zu so was schwing ich mich immer nicht auf, ist mir zu mühselig, da gehen mir Inhalte verloren. Leicht und locker geschrieben, irgendwie bloß so in den Raum geschmissen, aber eben begrenzt durchs Metrum. Da schreib ich lieber freien Vers, da kann ich mich ausmehren, ohne dass mir die verrümpelte Betonung auf die Füße fällt.

Der Unterschied zu Daktylen sieht so aus:
Amphibrachus: unbetont - betont - unbetont
Daktylus: betont - unbetont - unbetont

Lieben Gruß, Rumpelstilz
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Alt 28.03.2023, 12:08   #24
Ex-Pennywise
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Da gehen Inhalte verloren? Sie hat hier bis ins kleinste Detail eine Szenerie mit ganz vielen kleinen Hinweisen beschrieben und ist dabei weitestgehend gut im Takt geblieben. Am Ende kommt sie über diesen Weg auf den Punkt.
Ich wüsste nicht, was da noch zusätzlich rein sollte.

Gruß

Pennywise
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Alt 28.03.2023, 15:44   #25
weiblich Rumpelstilz
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Standard Quarantäne mit Schuldgefühlen

Hallo Pennywise,

ich finde, einiges ist recht zwangsgereimt. Zum Beispiel würde ich "eingewoben" und "betrogen" niemals reimen. Wobei ich auch mit dem Sinn der Conclusio nicht ganz klarkomme.

Denn wenn die Autorin schreibt:
"Ich hab nichts getan und dich trotzdem betrogen", dann erwartet der Leser nach dieser kryptischen Aussage im letzten Vers die Auflösung, nämlich, womit hat sie ihn betrogen. Stattdessen folgt die Erklärung: "Jetzt geht es dir schlecht, und das halt ich nicht aus." Das ist ganz nett, müsste aber inhaltlich meiner Ansicht nach bereits im Text davor stehen. Das "aus" bezieht sich auf den Vers "... in meinen Gedanken und kann nicht hinaus." Sie brauchte also einen Reim auf "aus". Abgesehen davon, dass das kein toller Reim ist, müsste es heißen " "... in meine Gedanken eingewoben" und nicht "in meinen Gedanken eingewoben".

Und das ist der Zwang, unter dem man immer steht, sobald man reimt. Ganz abgesehen von den Hebungen usw. So gefallen mir die Mülltonnen auch, das macht das Gedicht so "normal alltäglich". Aber das ist nicht der Witz, sondern dass es Biomülltonnen sind, die so schön entlarvend sind für die Atmosphäre des Hauses. Wie gesagt, für mich das einzige Highlight im Gedicht.

Außerdem vermisse ich, wenn einer in Zeiten von Corona in Quarantäne geschickt wurde, dass er damit nicht gerade zufrieden ist und das zumindest gegenüber sich selbst äußert, wenn er schon keinen Zuhörer hat. Denn Quarantäne, das hieß ja mutterseelenallein mindestens 14 Tage im Haus bleiben. Aber so ein Vers ist nicht zu finden. Ich finde im Text - bis auf die Biomülltonnen - inhaltlich eigentlich nichts, was mich irgendwie hochreißt. Die Amphibrachen hat sie ja gut gebracht, und ich weiß das zu schätzen, aber wenn man ein Gedicht schreibt, hat man eine Botschaft, die man an den Leser bringen will. Wie lautet hier die Botschaft bzw. Prämisse? Ich hätte erwartet, dass das Ich sich selbst für ein bisschen dämlich erklärt, sich testen zu lassen, das hätte nicht sein müssen. Irgendwas in dieser Richtung. Auf gut Deutsch: etwas Pep.

Zum Titel wäre zu sagen, dass das Gedicht nicht auf den Titel hin geschrieben wurde, denn wo liegt die Schuld des Ich? Sie hat ihn betrogen, schreibt sie. Aber wie sollte sie allein im Zimmer?

Insgesamt empfinde ich das Gedicht als zu brav. Von daher ist der Text für mich mehr oder weniger eine gepflegte Amphibrachen-Übung. Ich will ja nicht zu hart sein, die hat sie gut gebracht.

Lieben Gruß, Rumpelstilz
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Alt 28.03.2023, 16:13   #26
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
aber wenn man ein Gedicht schreibt, hat man eine Botschaft, die man an den Leser bringen will
Auch wenn Kritik in dem Gesamtkommentar überlegenswert ist (egal, ob man alles davon bestätigen mag oder nicht), widerspreche ich dem zitierten Satz. Es gibt keine Kunst, die zum Ziel haben will oder muss, ihren Adressaten Botschaften zu vermitteln. "L'art pour l'art", darum darf es jedem Romancier, Lyriker, Stückeschreiber, Script-Schreiber, Fotograf und Kunstmaler gehen.

"If you want do send a message, call Western Union." (Samuel Goldwyn)

LG
Ilka
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Workshop "Kreatives Schreiben":
http://www.poetry.de/group.php?groupid=24
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Alt 28.03.2023, 18:02   #27
weiblich Rumpelstilz
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Standard Quarantäne mit Schuldgefühlen

Hallo Ilka-Maria,

ja, da hast du recht, die heutige Zeit lebt von l'art pour l'art. Das ist nahezu ein Zeichen der Irritation und Verkommenheit unserer Zeit und der Kunstszene überhaupt. Wusstest du eigentlich, dass die abstrakte Kunst, vor allem der Malerei, auf Anregung der CIA entstand? Über das Ziel muss nicht lange nachgedacht werden, es liegt auf der Hand. Auch sie gehört in diesen Kreis. Aber wirkliche Kunst hat immer eine Botschaft, falls sie den Anspruch erhebt, Kunst zu sein. Selbst Trivialliteratur hat eine Botschaft.

Gruß, Rumpelstilz
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Alt 28.03.2023, 18:26   #28
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Zitat:
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Wusstest du eigentlich, dass die abstrakte Kunst, vor allem der Malerei, auf Anregung der CIA entstand? Über das Ziel muss nicht lange nachgedacht werden, es liegt auf der Hand.
Ja, ja, natürlich. Das war doch in der Antike schon so, Rumpelstilz. Die CIA war immer dabei, von alleine fällt Künstlern nämlich nichts ein. Nur einmal war die CIA nicht auf Zack, das war bei der "Irak-hat-Atomwaffen-Lüge", da kam die Information nämlich vom deutschen Geheimdienst, und die CIA nahm es ernst und sah Handlungsbedarf. Die Zusammenarbeit zwischen dem deutschen und amerikanischen Geheimdienst funktioniert halt wie geschmiert. Übrigens sagte Putin damals: "Meine Leute hätten diese Waffen gefunden."

Völlig klar, dass über Gerüchte und Verschwörungstheorien nicht nachgedacht werden muss. Man glaubt sie einfach, wie alles, was "auf der Hand" liegt. Nur bin ich leider im Handlesen nicht besonders begabt.

Ist aber lustig, was du alles in deinem Bären-Gepäck hast. Bitte mehr davon! Bald haben wir den 1. April, also mal rein in die Puschen und zeige uns, was du drauf hast!
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Alt 28.03.2023, 21:01   #29
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Standard Quarantäne mit Schuldgefühlen

Nein, diesmal irrst du dich, Ilka-Maria. Es war tatsächlich so, um die realistische Literatur, z. B. Heinrich Böll und einige andere Schriftsteller, aus West-Europa wegzukriegen und zu verflachen nach US-Muster. Deshalb wurde die gesamte westdeutsche Literatur dem US-Standard angepasst. Das hatte alles mit dem kalten Krieg zu tun. Und man sieht ja, was daraus geworden ist. Geh mal in eine Buchhandlung von Thalia, die quillt über von trivialen Geschichten. Wenn man ein konkretes Buch haben will, muss man es bestellen. Das ist doch kein Geheimnis oder was Neues, dass die CIA die Finger drin hatte. Böll soll sogar mit ihr zusammengearbeitet haben in einer literarischen Zeitschrift mit deutschem Titel. Dass die USA die Kulturpolitik Westdeutschlands sehr stark beeinflusst haben, ist auch kein Geheimnis. Dir ist das neu, und das hat auch mit dem kalten Krieg zu tun. In der DDR hatten wir dafür einen Boom russischer Klassiker, die uns beeinflusst haben. Das ging nun mal bis in die Kultur mit der Beeinflussung durch Ost und West. Ich kenne mich zum Beispiel mit Lermontow, Tschechow und Tolstoi gut aus. Ist dir der Name Lermontow ein Begriff? Ich nehme an, dass nicht. Während ich mir überhaupt nichts aus US-amerikanischer Literatur mache. Ich lese aber derzeit ein Buch aus den USA, "Neunzehnhundert" von John Dos Passos, den man ungefähr vor und in die Roosevelt-Zeit verorten kann, als auch die US-Literatur noch Niveau hatte.

Gruß, Rumpelstilz
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Alt 28.03.2023, 21:36   #30
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Zitat:
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Deshalb wurde die gesamte westdeutsche Literatur dem US-Standard angepasst.
Tja!

Und die gesamte ostdeutsche Literatur wurde dem UdSSR-Standard angepasst? Was immer könnte das gewesen sein?

Deine Behauptung hätte ich an Beispielen gerne festgemacht gesehen.

Ich lernte jedenfalls in den 80ern eine Menge "Wessies" kennen, die für DDR-Literatur schwärmten und ihre Examensarbeiten darüber bestanden hatten. War damals ein Trend in Westdeutschland.

Gab's in der DDR ein Pendant? Machte dort jemand sein Examen in westdeutscher oder in US-Literatur?

Ich kann dich beruhigen: Ich habe nämlich Ende der 70er Guy de Maupassant gelesen, über den Friedrich gerade einen langen Aufsatz verfasst und hier eingestellt hat. Da war Deutschland noch mächtig damit befasst, Frieden mit Frankreich zu schließen, mit dem es seit Gedenken im Krieg gelegen hatte. Ich war unter den ersten, die am Schüleraustausch teilnahmen und zwei wundervolle Wochen in Paris verbrachten. Da war die DDR für uns immer noch ein Gulag, in das wir zu Weihnachten und zu Ostern Päcken mit langlebigen Lebensmitteln wie Dauerwurst verschickten.

Ändert nichts daran, dass wir im Westen auch am Tropf hingen. Aber nur wenige Jahre, keine vierzig. Wir wussten aber im Westen genauso wenig wie ihr im Osten, wohin die Reise ging. Wir hatten einfach nur Glück gehabt. Und einen Kanzler Adenauer, der den Durchblick hatte. Der von den Amis in den Knast gebracht worden war, aber nicht an Repressalien dachte, sondern an das, was für Deutschland die besseren Karten waren.

Und was war die DDR? Stellvertreter Moskaus.

Für uns waren die USA ein Schutzschild und Handelspartner.
Für euch war die UdSSR eine Kolonie, die man ausbeuten konnte.
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Alt 29.03.2023, 07:16   #31
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Zitat:
Quarantäne mit Schuld (gefühlen)

Vom Fenster aus lausch ich dem Rauschen der Bäume.
Sie flüstern, sie raunen. Doch heut nicht zu mir.
Mein Blick geht nach unten, in seelische Räume.
Ich wähnte sie zu - unter andrem dank dir.
Das Fenster geöffnet, die Schuld auszulüften,
lieg ich unter Decken. Versuch ein Gedicht.
Die Tage im Bett stechen längst in die Hüften.
Ein Blick auf mein Smartphone. Du meldest dich nicht.
Ich höre das Klappern der Biomülltonnen
vom Ende der Welt her (quer über dem Gang).
Im Eck hat die Spinne ihr Netz schon gesponnen.
Die Fliege am Spiegel-Brett: Ihr nächster Fang.
Ich weiß wie das wird, ich bin auch eingewoben
in meinen Gedanken und kann nicht hinaus.
Ich hab nichts getan und dich trotzdem betrogen.
Jetzt geht es dir schlecht und das halt ich nicht aus.

Hannah May 16.03.23
Hallo Schreibfan,

die zweite Fassung gefällt mir besser. Zu den Amphibrachien, die ich auch sehr mag, wurde ja schon alles gesagt.
Rumpelstilz hat aber recht damit, dass es „,eingewoben in meine Gedanken" heißen müsste und nicht in „meinen".

Die Schuldgefühle kommen daher, dass das LI das LD dazu verdammt hat, auch in Quarantäne zu sein? Oder gar angesteckt hat mit der Krankheit? Aber das ist ja nicht betrügen, das verstehe ich auch nicht ganz.

Noch etwas:
Zitat:
. Nervig...schon wieder schneidet es mir dauernd die Kommentare ab...
Schau mal, ob da ein Hinweis steht: „Der von dir eingegebene Text ist zu kurz." Das habe ich auch manchmal, wenn ich einen Kommentar editieren will, obwohl der Text nicht zu kurz ist.

LG DieSilbermöwe

@Rumpelstilz

Zitat:
.Ist dir der Name Lermontow ein Begriff? Ich nehme an, dass nicht. Während ich mir überhaupt nichts aus US-amerikanischer Literatur mache. Ich lese aber derzeit ein Buch aus den USA, "Neunzehnhundert" von John Dos Passos, den man ungefähr vor und in die Roosevelt-Zeit verorten kann, als auch die US-Literatur noch Niveau hatte.
Die Frage ging zwar an Ilka, aber ich habe in den 80ern einen Roman gekauft mit dem Titel „Fuck Off, America", ich glaube, der war von Lermontow? Ich hatte in Erinnerung, der Autor hieße Limonow oder so ähnlich. Jedenfalls fand ich das Buch faszinierend und habe es monatelang nicht vergessen.

Habe gerade nachgeschaut, der hieß doch Limonow. Sorry

Die Trilogie von Dos Passos (also nicht nur „Neunzehnhundert", sondern auch die anderen beiden Teile) lese ich auch, mache aber gerade Pause, weil mir von den vielen verschiedenen Protagonisten der Kopf schwirrt. Trotzdem ein sehr gutes Buch, das man auch in Hinsicht auf die heutige Zeit lesen kann.

LG DieSilbermöwe
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Alt 29.03.2023, 07:52   #32
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Standard Quarantäne mit Schuldgefühlen

Hallo Ilka-Maria,

das versteht sich, dass du das Leben im Westen verteidigst. Und nee, das habe ich nicht geschrieben, dass wir nur russische Literatur hatten. Natürlich, es gab eine ziemlich reichliche DDR-Literatur. Wobei dich natürlich nur die dissidentische interessiert hat und bekannt ist, wie ich annehme. Zunächst nach dem Kriege kam erst mal die Literatur der Schriftsteller aus dem Exil groß raus. Später aber, es gab ja auch ein Literaturinstitut, gab es dann auch mehr und mehr auf das Leben in der DDR eingehende Literatur. Aber es gab schon dumme Fehler bei der Behandlung der Autoren, so dass sich so einige zurückzogen und lieber den Bauch bepinselten, als dass sie für den Sozialismus geschrieben hätten. Die DDR ist dabei nicht wie Fidel Castro vorgegangen, der den kubanischen Schriftstellern sagte: Ihr könnt alles schreiben, aber nichts gegen den Sozialismus, sondern da gab es eine Menge Unverstandenes, das dann erst die dissidentische Literatur entstehen ließ. Da die DDR ständig unter Beschuss aus dem Westen stand, war natürlich immer die Angst der Kulturpolitik vorhanden, es könnte eine Fünfte Kolonne in der Literatur entstehen. Wie sie dann ja auch entstand. Wobei oftmals der Wunsch bei den Autoren vorhanden war, die DDR wie Hänschen guck in die Luft zu "verbessern", die das gleich als feindlich ansah - etwa so wie heute, wo, wenn man ein harmloses kritisches Gedicht schreibt, es gleich mit gewissen Paragraphen zu tun kriegen kann, mit dem eindrucksvollen Begriff Delegitimierung des Staates bekleistert. Wir sollten nicht so tun, als ob die US-besetzte BRD und die SU-besetzte DDR nun unbedingt Freunde waren und was in der DDR geschah, ein einziger Gulag war, während in der BRD die totale Freiheit herrschte. Im Gegenteil, heute habe ich sogar eine gewisse Intuition, dass auf uns alle ein Gulag wartet, den sich die meisten braven Bürger überhaupt nicht vorstellen können. Weil sie eben nicht oder falsch informiert sind oder zwar etwas ahnen, es aber weit von sich wegschieben, weil es unangenehm für sie ist. Es ist ein Tanz auf dem Vulkan. Der kalte Krieg ist noch nicht zu Ende bzw. ist zu neuem Leben erwacht. Und es ist ein kalter Krieg nicht nur gegen Russland und China, sondern gegen die gesamte Menschheit. Deutschland ist eben immer noch besetzt, und das große Wort führen hier die USA, nicht unser verdruckster Scholz.

Gruß, Rumpelstilz
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Alt 29.03.2023, 08:04   #33
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Die Frage ging zwar an Ilka, aber ich habe in den 80ern einen Roman gekauft mit dem Titel „Fuck Off, America", ich glaube, der war von Lermontow?
Macht nichts, jeder kann Stellung nehmen, wie er mag.

Ich weiß allerdings nicht, was ein Roman, der von einer Zeit vor dem 1. WK handelt, mit der CIA zu tun haben soll, die erst 1947 gegründet wurde. Außerdem ist es eine Binse, dass die CIA mit dem deutschen Geheimdienst zusammenarbeitet. Ebenso ist es eine Binse, dass Deutschland kulturell von den U.S.A. beeinflusst ist, gleichzeitig aber in der Mehrheit der Bevölkerung ein tiefer Hass gegenüber den Amerikanern (Besatzer, Volk ohne Kultur etc.) gepflegt wurde.

Deutschland war aber auch von Frankreich und Italien kulturell beeinflusst und hatte zudem seine eigenen Schriftsteller, die anspruchsvolle Literatur schufen (z.B. Günter Grass, Uwe Johnson, Kempowski, Lenz), und in der Nachkriegszeit waren Hermann Hesse, Thomas Mann und Heinrich Heine bei der Jugend en vogue. Schriftsteller der Unterhaltungsliteratur arbeiteten zudem die Nachkriegszeit auf: Böll, Simmel, Willi Heinrich.

Daneben las man französische Klassiker: Balzac, Zola. Inzwischen abgelöst von Houellebecq. Nach Italien fuhr der Deutsche gerne in den Urlaub, bevorzugt in die Toskana, und zu Hause stürzte man sich auf italienische Filme und himmelte die Lollo und die Loren an.

Es stimmt auch nicht, dass in den U.S.A. nach Roosevelts Zeit keine anspruchsvolle Literatur mehr geschrieben wurde. Da gibt es z.B. Philip Roth, Colum McCann, Bill Bryson und viele andere.

Es ist immer kritisch, Fiktion mit der realen Geschichte zu verwechseln, denn beides zeigt nicht die ganze Wahrheit. So wird z.B. über Don Passos' Roman "1919" (nicht "1900", das ist ein Film mit Robert de Niro, Sutherland und Depardieu) geurteilt, er hangele sich an Schlagzeilen der Presse entlang, die aus dem Zusammenhang gerissen seien. Alles gut, das ist die Freiheit eines Romanschreibers; der Leser sollte sich dessen aber bewusst sein.

Manchmal ist es gut, auch ein Sachbuch heranzuziehen. Zum Beispiel "CIA - Die ganze Geschichte" von Tim Weiner (2007), das ich vor zehn Jahren gelesen habe.
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