Der Rausch der Ehrlichkeit

[Chonky]

Ich habe die Kraft gefunden mir nach all den Jahren endlich einzugestehen, dass ich Probleme habe. Suchtprobleme. Zunächst Essen und Zigaretten, dann Alkohol und Drogen. Jetzt bin ich klar, nüchtern und hatte Angst davor, was mir bevorsteht. Es drängte sich mir also die Frage auf, wozu habe ich mich mit diesen Mitteln berauscht, so oft und so unerlässlich, dass ich es ansonsten nicht durch den Tag geschafft habe?

Es ist die Offenheit, die Verletzlichkeit, die Ehrlichkeit, die ich im berauschten Zustand endlich zulassen kann. Nüchtern spreche ich nicht über mich, meine Probleme, Gefühle oder Sorgen, zu groß ist die Scham und die Angst vor Verurteilung oder davor, nicht verstanden oder gehört zu werden - und doch ist es so befreien, alles rauszulassen, den Leuten aufs Brot zu schmieren, wie es in mir aussieht und im Idealfall sogar Anklang zu finden oder auch nur gehört zu werden.

Heute habe ich die Praxis meiner Psychiaterin verlassen und habe mich trotz zwei jähriger Drogenabstinenz wie im Rausch gefühlt. Mein Herz raste und sprang mir fast aus der Brust, mein Hirn wurde von Endorphinen überschwemmt und ich hatte so viel Energie wie lange nicht mehr. Ich war ehrlich. Zu mir und zu ihr. Ich habe losgelassen, drauf los geredet, mich fallen lassen und durch meine tiefsten Emotionen navigiert. Ich war high von dieser emotionalen Transparenz und dem Gefühl, das mein Gegenüber mich versteht, meine Gefühle annimmt und meine Sorgen nicht klein redet.

Heute ist ein neuer Tag. Ich fühle mich gut, ich fühle mich frei und spüre ein wenig Zuversicht.