Was wollt Ihr denn? Literatur?

[Ottilie]

Was wollt Ihr denn? Literatur?
Und das in aller Kürze?
Nun denn: wohlan! Ich lief’re Euch
ein paar knalltrock’ne Fürze.

Was Ihr nun wirklich wollt, ist nur:
Schön träumen und nicht denken.
Und abgelenkt möchtet Ihr sein,
und euch ins Nichts versenken.

Recht dauerhaft soll sein das Nichts,
schön bunt und blumig riechen.
Wie heilsam wär’s, es würd‘ ein Furz
in Eure Nasen kriechen!

[Rumpelstilz]

Hallo Ottilie,

ein starkes Stück. Solche Literaturblogs kranken immer daran, dass es Leute gibt, die von sich überzeugt sind und glauben, wenn sie ein paar Verse zusammenkritzeln, dass sie dann "dichten". Ob es da einen Sinn hat, Korrekturvorschläge anzubieten, bin ich sehr im Zweifel. Aber ich habe auch schon ganz gute Gedichte lesen können, die mit ein paar Korrekturen durchaus als vollwertige Lyrik durchgehen können.

Nun sollte man aber auch die Sache nicht so negativ sehen. Jeder fängt mal klein an, was aber fehlt, ist meines Erachtens das Verständnis für Technisches nach dem Motto "Wird schon wern mit Mutter Beern, mit Mutter Horn isses auch geworn".

Aber nicht nur. Es kann einer nur schreiben und sich damit äußern, was in ihm drin ist. Und das hat mit der erworbenen Sicht auf die Weltzusammenhänge zu tun. Wenn einer ein Mucker ist, sich an von oben Vorgegebenes anpasst, wird es ihm nicht gelingen, ein lesbares Gedicht zu schreiben, egal, welches Gebiet des Lebens betroffen ist, sogar dann, wenn es die Natur betrifft, für die wir ja alle offen sind. Da findet man öfter Kitschiges, Unbeholfenheit, seine Gefühle schriftlich auszudrücken, oder sogar Zynismus und Überheblichkeit. Hinzu kommt, dass in solchen Blogs alle möglichen Jahrgänge vertreten sind, die unterschiedliche Ansichten in ihrer Lebenszeit erworben haben. Und jetzt gibt es für die Westler die Situation, dass sie es auch mit Ostlern zu tun haben, die im allgemeinen eine bessere Schul- und Lebensbildung genossen haben und oftmals genau wissen, wo sie stehen, was auch an ihren Gedichten ablesbar ist, und da ist es beinahe egal, ob es sich um Arbeiter oder Intellektuelle handelt. Aber wir wissen, das in diesen Literaturblogs mehr Westler als Ostler mitarbeiten.

Daraus entstehen Auseinandersetzungen, die von seiten der Westler fast immer so geführt werden, dass sie die Oberhoheit über die Stammtische haben. Dabei könnte es doch zu fruchtbaren Gedichten und Gesprächen kommen, ohne dass unbedingt ein Konsens entsteht. Ein Konsens kann erst bei Themen entstehen, die beide West wie Ost, betreffen. Da wären zum Beispiel die Machenschaften des WEF, die uns aufgedrückt werden sollen. Das WEF macht keinen Unterschied zwischen West und Ost, das will uns sogar die Nationalität nehmen.

Ich will damit nicht sagen, dass es vor allem um diese Themen gehen soll in einem Literaturblog, nein, wir sollten über wirklich alles schreiben, was uns bewegt. Dabei spielt die Selbsterziehung natürlich eine Rolle. Wir hier haben ein Mittel, uns über uns selbst und damit über das Weltgeschehen klarzuwerden, indem wir aufschreiben, was und wie wir denken und das Leben auf uns einwirkt. Man lernt, solange man lebendig ist.

Deshalb bin ich der Ansicht, dass solche Literaturblogs durchaus einen Sinn haben. Aber sie brauchen eine feinfühlige, fast pädagogische Führung, die nicht in Gängeln ausarten darf. Leider hat nicht jeder Admin dafür eine Qualifizierung.

Aber nun zu deinem Gedicht. Technisch weiß ich gar nicht, ob da was auszusetzen wäre. Es ist drastisch, das zumindest. Aber du hast recht, manche benutzen die Lyrik, um der Welt auszuweichen, weil die Welt ihnen
nicht die Schönheit und Biedermeiergemütlichkeit gibt, die sie erwarten. Sie ziehen sich in sich selbst zurück, dass kein Zipfel mehr rauskuckt. Sie wollen mit der schnöden Welt nichts zu tun haben. Wobei wir allesamt wissen, dass wir Laien sind und Abstriche machen müssen. Das Ethos des Lyrikers wird den meisten gar nicht bekannt sein, nämlich mit seinen Gedichten in der Welt zu stehen. Aber dieses Thema würde ein längeres Kapitel erfordern, zu dem ich heute nicht bereit bin. Du hast dir Gedanken gemacht, was es soll, und das ist ein erster Schritt zur Erkenntnis.

Lieben Gruß, Rumpelstilz

[Ottilie]

Hallo Rumpelstilz,

vielen Dank für Deine umfänglich-profunden Gedanken! Ich gebe zu, ich hatte keinen Blog im Auge bzw. in meinen Gedanken, ich sah die Menschen vor mir, die sich in Märchen, Illusionen, Träume flüchten - mittels Literatur.

[Rumpelstilz]

Liebe Ottilie,

die Kultur reagierte bisher immer auf politische Verhältnisse. Das gehört zu ihren wesentlichen Aufgaben. Jetzt ist es anders, die Zensur ist zu stark.
Das heißt aber nicht, dass sich wenigstens ein Teil der Menschen seine Gedanken macht. Die Zeit wird kommen, dass wir es erfahren. Das muss sich in diesem Blog nicht widerspiegeln, dann wird es andere Medien geben. Und ja, es ist auffallend, dieses Schweigen besonders der professionellen Literatur. Natürlich wäre es angebracht, dass wenigstens wir den Mund auftun, aber du siehst ja, Grabesruhe ist angesagt. Und das ist erst der Anfang.

Lieben Gruß, Rumpelstilz