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Tanka-, Haiku- & Senryu-Gedichte Ursprünglich japanische Gedichtformen mit wachsender Beliebtheit.

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Alt 06.02.2023, 22:33   #1
weiblich Die Preussin
 
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Standard Räuber und Beute

Der hungrige Hirsch,
nach Flechten suchend, merkt nicht
den Tiger im Sprung.
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Alt 06.02.2023, 22:55   #2
männlich MonoTon
 
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Hallo Preussin

sei mir nicht böse aber ich kann mir das schlecht vorstellen.
In welchem Bereich leben denn Hirsche und Tiger zusammen, dass der Hirsch zum Beuteschema des Tigers gehören würde? Ich glaube du möchtest mir einen Bären aufbinden.

Lg Mono
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Alt 06.02.2023, 23:14   #3
weiblich Die Preussin
 
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Lieber MonoTon,
nein ich will dir keinen -russischen- Bären aufbinden. Mache dich aber gern mit dem sibirischen z.B. Sika - Hirsch und -Tiger bekannt.
Auch der Axis Hirsch in Indien wäre denkbar, aber da kommt das Scharren nach Flechten wohl weniger vor.
Die Preussin
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Alt 07.02.2023, 00:27   #4
männlich MonoTon
 
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Ok, dann habe ich einfach aus Unwissenheit die falschen Tiere assoziiert, Hirsch und Tiger wirkte so Gegensätzlich.
Verzeihung

Lg Mono
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Alt 07.02.2023, 20:53   #5
Ex-Pennywise
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Moin zusammen,

ich kenne mich mit Haikus überhaupt nicht aus und die Fauna ist ja auch geklärt worden. Aber müsste es nicht "bemerkt" heißen?
Oder ist dann die Form nicht mehr korrekt. Von der Formulierung her, klingt es für mich aber "normaler".

Gruß

Pennywise
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Alt 09.02.2023, 10:58   #6
weiblich Donna
 
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Zitat:
Zitat von Pennywise Beitrag anzeigen
Moin zusammen,

ich kenne mich mit Haikus überhaupt nicht aus und die Fauna ist ja auch geklärt worden. Aber müsste es nicht "bemerkt" heißen?
Oder ist dann die Form nicht mehr korrekt. Von der Formulierung her, klingt es für mich aber "normaler".
da "merken" und "bemerken" durchaus als Synonym benutzt werden können, geht vermtl. beides. Dennoch gäbe es in meinem "normalen" Sprachgebrauch einen nouancierten Unterschied."merken" würde ich eher bei einer taktilen Wahrnehmung im Sinne von spüren (z.B. einer Laus im Pelz) benutzen und "bemerken" für das instinktive Erspüren der Anwesenheit eines anderen Tieres.

Der hungrige Hirsch
Flechen suchend, bemerkt nicht
den Tiger im Sprung.

meint für mich etwas anderes als

Der hungrige Hirsch,
nach Flechten suchend, merkt nicht
den Tiger im Sprung.

letzeres ist für mich näher. Wenn Der Hirsch den Tiger "merken" würde wäre vielleicht schon der vorauseilende Luftstrom, das Berühren eines Härchens, oder ein ungewöhnlicher Ton beim Hirsch angekommen, um im weiteren von ihm sinnlich verarbeitet zu werden. Für einen erfolgreichen Fluchtreflex ist es natürlich viel zu spät.
Wie ein Schnappschuss wurde hier ein tolles Momentum eingefangen.
gerne gelesen, Donna

Geändert von Donna (09.02.2023 um 14:02 Uhr)
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Alt 09.02.2023, 13:53   #7
weiblich Die Preussin
 
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Liebe Donna,
ich hätte meine Wahl für "merken" statt "bemerken" (abgesehen von der Silbenzahl) nicht besser erklären können. Es wirkt viel näher, bedrohlicher und unausweichlich. Vielen dank für deinen ausführlichen Kommentar.
Die Preussin
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Alt 09.02.2023, 20:52   #8
männlich dunkler Traum
 
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... das kommt gut rüber, ein schönes Bild. Gern gelesen.

wünsche schöne Träume
dT
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Alt 10.02.2023, 00:26   #9
weiblich Ilka-Maria
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Na ja, "merken" und "bemerken" - da besteht schon ein Unterschied. Ich hätte ein Wort wie "wittern" bevorzugt. Ein Tiger strömt nämlich einen bestialischen Gestank aus (jedenfalls nach meiner Wahrnehmung, als ich einem Zoo-Tiger gegenüberstand).

Das Haiku ist mir zu simpel und wirkt rein nach Silbenzahl gestrickt. Warum sollte ein asiatischer Hirsch mühsam nach Flechten suchen, wenn er sich an Blättern, Rinden, Beeren und etlichen anderen Früchten gütlich tun kann? Das Adjektiv "hungrig" ist überflüssig, denn wenn ein Hirsch Nahrungsquellen sucht, ist klar, dass er äsen will. Und warum, wenn es um eine asiatische Art geht, nicht gleich von einem Sika sprechen?

Das Partizip klingt nicht poetisch.

Vielleicht käme man zu besseren Ergebnissen, wenn man nicht zu sehr an der Silbenzählerei kleben würde, zum Beispiel:

Der junge Sika
wittert beim Äsen nicht
des Tigers Atem.
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Alt 13.02.2023, 21:33   #10
weiblich Donna
 
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Na ja, "merken" und "bemerken" - da besteht schon ein Unterschied. Ich hätte ein Wort wie "wittern" bevorzugt. Ein Tiger strömt nämlich einen bestialischen Gestank aus (jedenfalls nach meiner Wahrnehmung, als ich einem Zoo-Tiger gegenüberstand).

Das Haiku ist mir zu simpel und wirkt rein nach Silbenzahl gestrickt.
Der junge Sika
wittert beim Äsen nicht
des Tigers Atem.
Oh je, unter welche Kategorie fällt denn bei dir simpel, liebe Ilka?
Ich wittere jedenfalls arge Verschlimmbesserungsvorschläge, wenn sich uns auch noch des Tigers Atem aufdrängen will. Hoffentlich bleibt uns dabei sein Foetor ex ore erspart. Für den hochdifferenzierten Geruchssinn der Tiere spielen in der Regel wohl eher die charakteristischen Schweiß- und Duftdrüsen (z.B. Laufbürsten) die entscheidende Rolle.
Und warum soll daraus zur Verbesserung plötzlich ein junger Sikahirsch werden? Wird das Bild dann weniger simpel, oder fällt es nicht vielmehr aus dem Rahmen, weil wir unsere olfaktorische Zooerfahrung mit dem Stinketiger unterbringen wollen? Bei einem Jungtier würde der Räuber zudem nur sehr bedingt Witterung aufnehmen können. Das zarte Hirschkalb würde jedenfalls krachend unter dem Tiger zusammenbrechen, wie meine Vorstellung auch.
Beim spannungsreichen Ursprungsbild schwebte mir sofort Dalis Tiger durchs Hirn und über einem stolzen ahnungslosen Hirsch. Es wäre schade, dieses Bild in bemühter Kritik zu verschandeln.
LG Donna
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Alt 13.02.2023, 22:03   #11
weiblich Ilka-Maria
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Der Sika wurde von der Autorin als Beispiel genannt.

Mein Kommentar ist auch gar nicht wichtig, solange sich die Autorin dieses Fadens nicht dafür interessiert. Vielleicht hast du ja Lust, noch etwas zu ihrem Haiku zu sagen, darüber würde sie sich bestimmt freuen. Ich bin dafür der falsche Ansprechpartner, denn mein Haiku ist es ja nicht.
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Alt 14.02.2023, 01:56   #12
männlich Flocke
 
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Hallo Preussin,

Zitat:
Der hungrige Hirsch,
nach Flechten suchend, merkt nicht
den Tiger im Sprung.
Ich zitiere mal zu Beginn aus "schreiben.net"
(https://www.schreiben.net/artikel/haiku-4017/)
Hier werden die wichtigen Gestaltungsregeln eines Haikus genannt, das sich in der Tradition des klassischen japanischen Vorbilder sieht.
Dort steht u.a.:
Zitat:
Weitere Merkmale:
-> Zeitform: Präsens
-> Motive: oft Jahreszeiten und Gefühle ...
-> Benennung konkreter Gegebenheiten und Augenblicke
-> Gefühle werden nicht direkt erwähnt und sollen sich erst beim Lesen entwickeln.
Ich habe mir mehrere Definition von Haiku angesehen. Alle benennen Regeln, die ähnliche Gestaltungshinweise geben, wie gerade angeführt. Selten aber fand ich Versuche, das Innere, sozusagen den "Geist" des Haikus zu vermitteln.

Ein Haiku ist präzise und "wahr". Es benennt und klassifiziert nicht irgendeine Erfahrung oder abstrahiert kein Muster, das vergleichbaren Erfahrungen zugrunde liegt.
Es hat Ähnlichkeit mit dem Satori, einem Begriff, der eine große Rolle im Zen-Buddhismus spielt. Satori bedeutet in etwa: unmittelbares tiefes Verstehen dessen, was die Welt ist. Ein Satorierlebnis lässt uns unmittelbar Anteil nehmen, Mitgefühl und Verbundenheit erleben. Es nimmt uns in das "Jetzt" mit, es belässt uns keine Distanz
Satori wird auch häufig mit "Erleuchtung" umschrieben. Insofern ist ein Haiku eine Art profanes Mini-Satori. Aber ich will jetzt nicht ganz in das Spirituelle oder gar in das Esoterische abgleiten.

Du weißt Preussin vielleicht noch, dass ich deine genaue Beobachtungsgabe und deine sprachliche Kraft mag. Mit gutem Grund schreibst du ja immer wieder gelungene Haikus und stellst sie uns vor.
Zur Erinnerung ein Beispiel:
Zitat:
Tau auf den Knospen
Wärme öffnet die Blüte
weit lockt der Nektar.
und nochmal dein neustes Haiku:
Zitat:
Der hungrige Hirsch,
nach Flechten suchend, merkt nicht
den Tiger im Sprung.
Jetzt habe ich dich zum einen so gelobt und zum anderen habe ich einen riesigen Brocken an Text zum Thema Haikus aufgeschichtet, dass vielleicht meine kleine Kritik an deinem neuem Haiku kaum noch auffällt.

Du schreibst "der hungrige Hirsch"
---> analog zum obigen Zitat:
Zitat:
Gefühle werden nicht direkt erwähnt und sollen sich erst beim Lesen entwickeln
hätte ich es besser empfunden, wenn du das Adjektiv "hungrige" nicht zusätzlich noch gesagt, sondern eben nur implizit gezeigt hättest! Und gezeigt hast du es ja schon in der zweiten Zeile mit den Worten: "nach Flechten suchend". Der Hirsch würde ja nicht nach Flechten suchen, hätte er keinen Hunger.
Dann hättest du noch Platz gehabt, um z.B.-noch einen Jahrszeitenbezug einzuführen (wie es in den japanischen Haikus Tradition ist!) wie:etwa:
"Der Hirsch im Schneematsch" (Du wirst bei Bedarf schönere Worte finden, falls du überhaupt meine Anmerkung als berechtigt amsehen willst!).

Liebe Grüße Flocke
Flocke ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.02.2023, 07:59   #13
weiblich DieSilbermöwe
 
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Zitat:
.Ein Haiku ist präzise und "wahr". Es benennt und klassifiziert nicht irgendeine Erfahrung oder [...]
Da bin ich mir mittlerweile nicht mehr so sicher. Ich lese gerade das Buch „Haiku aus 5 Jahrhunderten". Enthalten sind unter anderem Haikus (damals nannte man das noch Hokku) von Basho und die handeln durchaus davon, was er auf seiner Reise erlebt hat oder vom Besuch eines Freundes. (Ein Hokku ist der erste Vers eines traditionellen japanischen Haikai-Gedichts bzw. Kettengedichtes). Siehe hier:
https://www.haiku-heute.de/das-haiku...hte-des-haiku/

Zu dem Haiku von Preussin

Zitat:
. Der hungrige Hirsch,
nach Flechten suchend, merkt nicht
den Tiger im Sprung.
Das ist mE nach etwas zu erklärend. Es ist ja klar, was es sagen will: Während der Hirsch damit beschäftigt ist, seine Nahrung zu suchen, merkt er nicht, dass er selbst zur Nahrung auserkoren worden ist.„,Merkt" passt hier allerdings wirklich besser als „bermerkt", somit ist das Bild zwar gut eingefangen. „Bemerken" beschreibt etwas Beiläufiges, aber beiläufig kann dieser Moment für den Hirsch nicht bleiben. Hier steht sein Leben auf dem Spiel.

Aber wie gesagt, meiner Meinung nach holt es zu sehr die Erklärung vorweg.

Zitat:
Dann hättest du noch Platz gehabt, um z.B.-noch einen Jahrszeitenbezug einzuführen (wie es in den japanischen Haikus Tradition ist!) wie:etwa:
"Der Hirsch im Schneematsch" .
Da stimme ich Flocke zu, in einem klassischen Haiku sollte ein Jahreszeitenwort vorhanden sein.
DieSilbermöwe ist gerade online   Mit Zitat antworten
Alt 14.02.2023, 16:10   #14
weiblich Donna
 
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Zur Jahreszeit:
In der Schlüssigkeit der Beobachtung mag sich für mich schon ein rundes Bild ergeben.
Wenn es im Wald wenig zu fressen gibt, wird der Hirsch rausgelockt, um Fressbares zu suchen. Im Winter sind es nunmal vorwiegend Flechten, weil sich ihm nur wenig nahrhafte Alternativen wie Gras, Blätter oder sonstige Früchte bieten. Als jahreszeiten - ununabhängige Pflanzen sind Flechten im Winter weithin gut sichtbar, d.h. der Zuschauende weiß, wonach der Hirsch sucht, und an was er knabbert. Der Hinweis auf den Speiseplan ist ein Hinweis auf die Jahreszeit. Es braucht hier keine weitere Jahreszeiteninfo dazugeliefert werden.
Flechten benötigen Licht und Feuchtigkeit. Wo Licht ist, kann aber auch ein Hirsch gut beobachtet werden. Wenn er sich aus seiner Deckung wagt, muss er schon sehr hungrig sein. Wir können ähnliches gut an kleineren Tieren beobachten, die uns hungrig im Winter auf dem Balkon besuchen. Je kälter es ist, desto waghalsiger ( für uns zutraulicher ) werden sie. In den anderen Jahreszeiten hat der Hirsch nicht solch einen eingeschränkten Speiseplan.
Hunger ist nicht erklärend, sondern schlüssig anzunehmen. Er ist im Verhalten gut ablesbar, und der Schluss kann vom Beobachter gut gezogen werden. Im Sommer oder Herbst könnte dieser Hungerschluss z.B.nicht gezogen werden. Es wäre auch wesentlich schwieriger zu beobachten, wonach er sucht. Bei diesem Haiku bedarf es daher für mich im Grunde keiner weiteren Erläuterung.
Der über ihm schwebende Tiger im Sprung ist ein eingefrorenes Bild. Er hat gegen einen ausgewachsenen Hirsch vermutlich auch nur im Überraschungskampf die Chance des überlegenen Vorteils, um sich nicht im offenen Verteidigungskampf zu verletzen. Denn auch beim Tiger wird im Winter ein eingeschränktes Nahrungsangebot und Schwächung anzunehmen sein. Er muss bei seiner Jagd solch einen günstigen, energiesparenden Moment abpassen. Der Hirsch merkt den Tiger nicht, sonst wäre er uns durch seinen instinktiven Fluchtrerflex aufgefallen.
immer noch gerne gelesen,
Liebe Wintergrüße, Donna
Donna ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.02.2023, 16:31   #15
männlich Flocke
 
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Sehr schön, deine Analyse, Bella Donna!
Und ein Beleg dafür, wie viele Bedeutungsstränge und Tiefe in nur wenigen Worten sich eröffnen können!

Wenn in der Nahrungsaufnahme von Flechten die Winterzeit inhärent ist - ich wusste das nicht - dann bleibt doch das, wie ich meine, unnötige Adjektiv „hungrig“; es ist dem Geschehen implizit, mithin überflüssig.
Also neuer Vorschlag und neue Ebene der Betrachtung:

Der noch junge Hirsch

Die alte Hirschkuh

u.a. Aber die Macht zu entscheiden, ob und wenn ja, was und wie zu ändern ist, liegt bei Preussin

Grüße Flocke
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Alt 14.02.2023, 17:27   #16
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Hi Flocke,
"hungrig" mag zwar dem Geschehen implizit sein, weil die Tiere nunmal i.d.R. im Winter eher Hunger leiden. Aber es gibt einen kleinen Zwischendurchhunger und einen großen erwähnenswerten Hunger, auch als Beobachtung in einem Haiku. Ein erfahrener Beobachter wird das auseinanderhalten können und z.B. sagen können: wenn die Hirsche bis zu dieser Grenze kommen, haben sie besonders großen Hunger. Die geben ihre Deckung ja nicht aus Zutraulichkeit oder Leichtsinn auf. Das ist ein durchaus beobachtbarer Zustand.
Hierzulande ließe sich das Maß für Hunger z.B. an der Zutraulichkeit bzw. Distanz von Rotkehlchen vergleichen. Wenn die bis ans Fenster kommen, bedeutet das nicht unbedingt Freundschaft.
LG Donna

Geändert von Donna (14.02.2023 um 18:59 Uhr)
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Alt 14.02.2023, 17:42   #17
weiblich DieSilbermöwe
 
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Ich habe gerade gelesen, dass es Flechten das ganze Jahr gibt. Also ist es kein Jahreszeitenwort für Winter.
DieSilbermöwe ist gerade online   Mit Zitat antworten
Alt 14.02.2023, 18:00   #18
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
Ich habe gerade gelesen, dass es Flechten das ganze Jahr gibt.
Rund um die Uhr. Sie sind ein Wunder an Vermehrungs- und Überlebenskraft. Nicht aufzuhalten.

Aber für Hirsche mühsam zu konsumieren. Rinden, Blätter und Früchte sind ergiebiger.
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Alt 14.02.2023, 19:03   #19
weiblich Donna
 
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Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
Ich habe gerade gelesen, dass es Flechten das ganze Jahr gibt. Also ist es kein Jahreszeitenwort für Winter.
Für mich schon, weil er hungrig ist, und sich (nur) an Flechten abarbeiten kann. Den Hinweis auf den Speiseplan verstehe ich als Hinweis auf die Jahreszeit.
lG Donna
Donna ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 15.02.2023, 00:04   #20
weiblich Die Preussin
 
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Liebe/r Ilka-Maria, Donna, Flocke und Silbermöwe,

ich war ein paar Tage im Schnee und konnte euren angeregten Austausch nicht zeitnah mit kommentieren. Ich versuche die verschiedenen Gedanken aufzugreifen,

"hungrig" ist im Grunde für das Haiku überflüssig aber ich habe es betont, da nicht nur der Hirsch, dem ich es direkt zuschreibe, hungrig ist; sondern auch der Tiger, ein Gedanke der erst einige Zeit nach dem Lesen/Verfassen verfing.

Die Jahreszeit ist durch die Flechten erkennbar. Auch wenn es die das ganze Jahr gibt, wird ein Hirsch, ganz wie du Donna es schreibst, sich bei reichhaltigeren Nahrungsangebot nicht die Mühe machen danach zu suchen. Also Bezug auf den Winter, weniger auf den Hunger, womit hier auch eine eventuelle Doppelung entfiele.

An der Dynamik, dem Überraschenden möchte ich nichts ändern. Ich habe da auch ein sehr konkretes Erlebnis wie aus dem Nichts ein Tiger keinen halben Meter vor mir mit seiner ganzen Front : Vorderpranken, Maul und Bauch gegen eine Glaswand knallt, die uns im Zoo Leipzig trennte. Diese unvorstellbare Kraft und Unsichtbarkeit (ich hatte das Gehege vorher minutenlang nach einem Tiger beobachtet) dieses nicht erahnen können, tot sein bevor man es (be) merkt hat mich damals sehr beeindruckt.

Vielleicht ist das Haiku nicht perfekt, aber es ist in jedem Wort durchdacht und ich lasse es diesmal einfach so stehen.

Die Preussin
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Alt 12.03.2023, 21:50   #21
weiblich Schreibfan
 
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Mir gefällt die Darstellung der Nahrungskette in diesem Haiku. Der Hungrige wird bald selbst zum Futter. Das hat auch was philosophisches und ist somit vllt auch eher ein Senryu?
Statt "merkt" könnte man vllt auch "hört" nehmen?

LG Schreibfan
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Alt 13.03.2023, 07:51   #22
weiblich DieSilbermöwe
 
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Zitat:
. Das hat auch was philosophisches und ist somit vllt auch eher ein Senryu?
Ich glaube mittlerweile, das ist sowieso Jacke wie Hose

und selbst wenn, steht es ja auch dann in der richtigen Rubrik.
DieSilbermöwe ist gerade online   Mit Zitat antworten
Alt 15.03.2023, 11:48   #23
weiblich Die Preussin
 
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Liebe Schreibfan, liebe Silbermöwe,
danke fürs Lesen und Kommentieren. Ja dieses doppelsinnige "Fressen und gefressen werden" gefällt mir. Vor Jahren hatte ich Mal eine Karikatur gesehen von einer Katze die eine Maus gefangen hatte. Makabere
Bildunterschrift "Jetzt haben wir beide gleich keinen Hunger mehr !"
An meiner Wortwahl möchte ich nichts ändern. Denn "merkt" ist bewusst gewählt. Hören kann man einen Tiger nicht oder erst wenn es zu spät ist. Einzige Chance ihn zu spüren, zu merken; wobei merken schon darauf bezogen sein kann, das der Hirsch kaum mehr seinen Tod bemerkt. In Ostafrika würde mir Mal über Leoparden gesagt "der der im Sprung tötet".
Senryu oder Haiku ? Ich denke beides. Ich hatte zunächst nur die Beschreibung des Vorgangs im Kopf, also Haiku. Man kann es aber auch gern anders (emotionaler) Lesen. Aber so wie du schreibst Silbermöwe, die Rubrik passt ja nach wie vor.
Die Preussin
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