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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt. |
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03.05.2015, 11:02 | #1 |
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Vertrieben
Im fahlen Licht die alte Brasserie,
die Straßen sind noch menschenleer, der späte Sommer liegt in Agonie erdrückt von Wolken regenschwer. Ein Lied klingt leis mir durch Äonen in Worten, die ich längst vergaß, erzählt von Riesen und Dämonen, und Schätzen, die ich einst besaß. Ich klammer mich an deine Hände, dein Brief und ich im Ringelreihn. In öden Straßen wächst das Fremde, aus ockergelber Erde: Wein - so süß der Duft von den Spalieren, ein alter Baum, die Schaukel schwingt. Wie konnt ich dieses Bild verlieren, nicht hören, wie der Wind dort singt? Die weichen Schwünge jener Weite vor dunstverhangen Bergen - schroff und wild - und du an meiner Seite, ist Tag für Tag, was ich erhoff. Der Kellner wischt die leeren Tische und diese Stadt wird mir so fremd. Ich bin der Bettler in der Nische und rieche dein verschwitztes Hemd. Der Schmutz klebt zwischen bloßen Zehen, du läufst mir nach, ich lache laut. Es legt sich Staub und ich kann sehen, wie über Nebeln Himmel blaut. Stets war ich diesem Land verbunden aus dem mich ein Dämon vertrieb. Vergessen heilt nur scheinbar Wunden. Nun weiß ich, dass ich immer blieb. |
03.05.2015, 11:10 | #2 |
Sehr schön :-) Mir gefällt vorallem wie der Himmel über dem Nebel blaut
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03.05.2015, 11:59 | #3 |
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Ein großartiges Gedicht, für mich ein Favorit, sowohl inhaltlich als auch von der feinen Sprache her.
Jeronimo |
03.05.2015, 12:08 | #4 |
Sehr schön, shoshin. (verhangnen)
LG gummibaum |
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03.05.2015, 18:12 | #5 |
R.I.P.
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Wundervoll, liebe shoshin!
Favorit. Lieben Gruß: Thing |
03.05.2015, 20:03 | #6 |
Welch feine Wortwahl, welch schöne Bilder, welch süße Schwere...
Wunderschön, liebe shoshin! Liebe Grüße scrabblix |
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04.05.2015, 13:13 | #7 |
Liebe Charis, wundervoll. bitter-süß, schwermütig. Werde es definitiv mehr als einmal lesen. Versard hat bereits mein Lieblingsbild aus diesem Gedicht zitiert. Du benutzt eine wunderbare Erzählsprache für Deine Lyrik-Geschichte!!
lG Anouk |
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05.05.2015, 14:20 | #8 |
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Hallo, ihr Lieben!
Ich danke Euch sehr herzlich und freue mich sehr über das große Lob und die vielen Favoritenklicks!! Bevor ich aber zuviele Lorbeeren einheimse, muss ich sie mit dem Autor Khalid Hosseini teilen, dessen Roman "Traumsammler" mich dazu inspiriert hat. In einem Handlungsfaden wird ein kleines Mädchen aus einer in Armut lebenden afghanischen Familie zur Adoption freigegeben. Sie wächst in Paris auf und erfährt erst spät in ihrem Leben die Wahrheit über ihre Herkunft. Man könnte sagen, sie hat Glück gehabt, aber kann man das "Glück" nennen?? Die Flüchtlingstragödie im Mittelmeer hat mich an diese Geschichte erinnert. Ich habe über die vergessenen oder auch nur verdrängten "Seelenlandschaften" nachgedacht, die die leidgeprüften und entwurzelten Flüchtlinge - vor allem die Kinder - wohl ihr Leben lang in sich tragen, selbst wenn sie das Glück haben, zu überleben, vielleicht irgendwo aufgenommen zu werden und ein erträgliches Leben ohne die ständigen Bedrohung durch Krieg und Armut führen zu können. Lieben Gruß shoshin |
05.05.2015, 14:25 | #9 |
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Vertrieben
Im fahlen Licht die Brasserie,
die Straßen sind noch menschenleer, der Sommer liegt in Agonie erdrückt von Wolken regenschwer. Ein Lied klingt leis mir durch Äonen, in Worten, die ich längst vergaß, erzählt von Riesen und Dämonen und Schätzen, die ich einst besaß. Ich klammer mich an deine Hände, dein Brief und ich im Ringelreihn. In öden Straßen wächst das Fremde, aus ockergelber Erde: Wein - so süß der Duft von den Spalieren, ein alter Baum, die Schaukel schwingt. Wie konnte ich das Bild verlieren, nicht hören, wie der Wind dort singt? Die weichen Schwünge jener Weite vor dunstverhangen Bergen - schroff und wild - und du an meiner Seite, ist Tag für Tag, was ich erhoff. Der Kellner wischt die leeren Tische, und diese Stadt wird mir so fremd. Ich bin der Bettler in der Nische und rieche dein verschwitztes Hemd. Der Schmutz klebt zwischen bloßen Zehen, du läufst mir nach, ich lache laut. Es legt sich Staub und ich kann sehen, wie über Nebeln Himmel blaut. Stets war ich diesem Land verbunden aus dem ein Dämon mich vertrieb. Vergessen heilt nur scheinbar Wunden. Nun weiß ich, dass ich immer blieb.*) *) überarbeitet. |
11.05.2015, 18:56 | #10 |
Sehr gelungen! Die überarbeitete Version ist spitze!
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11.05.2015, 19:27 | #11 |
Großes Kompliment. Das Gedicht ist sehr gelungen.
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12.05.2015, 18:23 | #12 |
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Lieber Zebastianz, lieber Nimmilonely,
Vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren. Ich freu mich sehr! Lieben Gruß shoshin |
19.05.2015, 11:52 | #13 |
Ich bin jetzt erst drauf gestoßen, wie konnte mir der Juwel entgehen?!
Ich stamme aus einer Familie von Vertriebenen und lebe jetzt in wieder diesem Land, aus dem meine Uroma und meine Oma einst fliehen mussten. Ich habe persönlich sehr viel mit dem Thema Vertreibung zu tun und wie du diese Leere und dieses Verlassensein beschreibst - wunderbar! Das ist wirklich ein Juwel von einem Gedicht, sowohl sprachlich, als auch inhaltlich! Danke für's Einstellen! Kathamané |
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21.05.2015, 17:19 | #14 | |
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Zitat:
Tatsächlich!? Da freu ich mich natürlich ganz besonders, dass dich dieses Gedicht angesprochen hat. Ich finde es sehr interessant, dass du zurückgegangen bist. Warum das? Du bist ja ganz in einem anderen Land geboren und schreibst sogar auf Deutsch Gedichte. Danke auch für den Ehrenplatz bei deinen Favoriten! Ich lese deine Gedichte sehr gerne - die melancholische ungarische Seele spricht da wohl - der Leuchtturm gefällt mir besonders gut. Leider hab ich im Moment so viel um die Ohren (und morgen fahr ich ans Meer ), dass mir die Zeit für eine wirkliche Auseinandersetzung mit anderen Gedichten fehlt - ich werd es nachholen, versprochen! Lieben Gruß shoshin |
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