Poetry.de - das Gedichte-Forum
 kostenlos registrieren Forum durchsuchen Letzte Beiträge

Zurück   Poetry.de > Gedichte-Forum > Lebensalltag, Natur und Universum

Lebensalltag, Natur und Universum Gedichte über den Lebensalltag, Universum, Pflanzen, Tiere und Jahreszeiten.

Antwort
 
Themen-Optionen Thema durchsuchen
Alt 29.11.2024, 21:27   #1
männlich Cornelius
 
Dabei seit: 05/2023
Ort: Lampertheim
Alter: 49
Beiträge: 477

Standard Kleine Vogelkunde Nordamerikas (1): Der Truthahn

Wo dunkel die Zypressen schweigen
(besonders, wo sie bald versumpfen),
pflegt dieser Vogel sich zu zeigen
und weiß dort glänzend aufzutrumpfen.

Verführt vom Veitstanz der Hormone,
mutiert der liebestolle Puter
zur aufgebauschten Stilikone
und randaliert als Ego-Shooter.

Es naht die Zeit des Erntedankes,
wenn bunt das Laub der Wälder rostet.
Die Neige seines Liebestrankes
hat unser Held längst ausgekostet.

Ein Haus mit weißer Prunkfassade
wird unverhofft zu seinem Kerker.
Der Hausherr spricht ein Wort der Gnade
und präsentiert ihn auf dem Erker.

Das Henkersbeil war schon geschwungen,
sein Leben drohte zu entfliehen.
Noch einmal ist es ihm gelungen,
den Kopf der Schlinge zu entziehen.
Cornelius ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 29.11.2024, 22:39   #2
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
Beiträge: 31.858

Witzig-sarkastisch und wieder flott und sprachlich virtuos gedichtet, lieber Cornelius.

Lediglich am Ende habe ich aufgemerkt, aber nicht der Dichtkunst wegen, sondern wegen der Wortwahl. Es geht um das Wort "gelungen", das mir unpassend erscheint.

Tierhaltung zwecks Schlachtung, wenn die Zeit dafür gekommen ist, findet für das Tier passiv statt. Der Turkey tut nichts, was ihm gelingen könnte. Ein Gelingen ist sowieso nichts, für das es jemals eine Garantie gegeben hätte. Man kann planen und sich entsprechend einem Plan verhalten, ob er gelingt, weiß man aber bis zum Ende seiner Ausführung nicht. Wenn er gelingt, tut er das aus sich selbst heraus, die Hintergründe, weshalb, bleiben jedoch im Dunkel.

Das Verb "gelingen" ist insofern interessant, weil es nur in der deutschen Sprache existiert und quasi unübersetzbar ist. Es ist nicht das gleiche wie z.B. "succeed" oder "manage", das die Aktivität des Subjekts voraussetzt, auch wenn es in Wörterbüchern oft in dieser Übersetzung steht. "Gelingen" geht dem Erfolg voraus, "Misslingen" macht ihn zunichte.

Viel Erklärung um ein einzelnes Wort, was man für spitzigfindig halten kann.

Aber dann stört an der letzten Strophe noch die Gleichsetzung des Henkerbeils mit der Schlinge. Na, was nun? Kopf ab oder den Hals gedrosselt? Die Schlinge könnte als Metapher für den gewaltsamen Tod gelten, funktioniert aber in dieser engen Verbindung mit dem Henkersbeil nicht mehr bzw. ist eine Metapher zu viel.

Ist jedoch meine persönliche Art, die Strophe zu lesen.

LG
Ilka
__________________

Workshop "Kreatives Schreiben":
http://www.poetry.de/group.php?groupid=24
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen für Kleine Vogelkunde Nordamerikas (1): Der Truthahn

Themen-Optionen Thema durchsuchen
Thema durchsuchen:

Erweiterte Suche



Sämtliche Gedichte, Geschichten und alle sonstigen Artikel unterliegen dem deutschen Urheberrecht.
Das von den Autoren konkludent eingeräumte Recht zur Veröffentlichung ist Poetry.de vorbehalten.
Veröffentlichungen jedweder Art bedürfen stets einer Genehmigung durch die jeweiligen Autoren.

1997 © poetry.de