|
|
Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt. |
|
Themen-Optionen | Thema durchsuchen |
09.08.2016, 18:34 | #1 |
R.I.P.
|
Das Morgenvogellied
An jenem Morgen, als ich früh
den Raum, in dem du lagst, verließ, da ging dein Atem schwer wie nie, ein Walfisch, der ins Weltall blies. Da raschelten die Bäume wie von Morgenvögeln aufgewühlt und alle Menschen lachten, die ich antraf, freundlich und verspielt. Um Mittag war die Schule aus, die Kinder strömten mit Radau ins große, weite Land hinaus, ein jedes heim in seinen Bau. Im großen, weiten Land verklang dein letzter, schwerer Atemzug, den ich die weitern Wege lang seit jenem Morgen mit mir trug. Du hast dich nie von hier bewegt, verließest bloß den Sterberaum, in den man dich hat hin verlegt, und hüpftest in den nächsten Baum, in dem das Morgenvogellied dir seine frische Stimme leiht. Ein Lied, das jeden Tag erneut mich hin zu jenem Morgen zieht. |
09.08.2016, 19:12 | #2 |
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.877
|
Morgenvogellied
Lieber urluberlu,
wer auch immer so schwer atmete, dass es sich wie das Blasen eins Walfischs (ts, ts, Du Kenner der Meerestiere !) anhörte - auch so kann man den Tod eines Menschen beschreiben. Mich erinnert das an den Tod meiner Schwiegermutter - als meine Söhne (noch recht klein) das Sterbezimmer betraten und anfingen zu begreifen, dass die Oma tot war, habe ich sie gebeten, mir beim Fensteröffnen zu helfen, damit die Seele der Oma auf die Äste der großen Buche hüpfen kann. Dein Gedicht empfehle ich allen, die Trost suchen und beim Gedanken an den Tod nur Schreckliches empfinden. Wenn das letzte, was ich von Dir las, erholsam war - dieses ist trostvoll. Ich glaube, Du fischst bei mir nach Komplimenten (hier hast Du Deinen Fisch). Beste Grüße, Heinz |
09.08.2016, 19:45 | #3 |
R.I.P.
|
Guten Festabend Feierval
Die kleine Geschichte von deinen Söhnen und ihrer Oma schlägt alles. Gut, dass du sie nicht in Verse kleidest. Danke für deinen Beitrag an mein Wohlbefinden. Ich mag die Leichtigkeit des Seins wie des Sterbens, obschon ich nicht weiss, wie sie ausserhalb von Gedichten zu finden sind. Deshalb schicke ich meine Verse sogleich deiner Schwiegermutter nach auf ihren Baum. Dann hat die Form auch ihre Förmlichkeit. Gute Nacht! Url |
12.01.2017, 13:00 | #4 |
abgemeldet
|
Ein wunderbares Gedicht, welches mit Leichtigkeit daher kommen will und doch so schwer am Inhalt tragen muss. Sehr sehr schön!
Liebe Grüße Wanda |
12.01.2017, 13:27 | #5 |
Ein sehr zu Herzen gehendes Gedicht, urluberlu. Mit Trauer und Freude gelesen.
Chapeau gummibaum |
|
12.01.2017, 14:29 | #6 |
abgemeldet
|
ja es geht zu herzen. aber nicht in meines, denn: den tod zu beschreiben ist eine sache. den tod in seinen armen zu haben nachdem er dir einen geliebten menschen nach den letzten atemzügen überläßt - etwa - ist eine ganz andere: die wahre. so gesehen habe ich keinen zugang zur sentimentalität der - allerdings schön geschriebenen - verse.
|
13.01.2017, 10:22 | #7 |
Hallo urluberlu,
ein bewegendes Gedicht, das mich die Trauer mitfühlen lässt. Und doch hat das Bild, dass die Seele in den nächsten Baum hüpfen lässt, etwas tröstendes. Einzig der Walfisch stört mich ein wenig, da es für mich beinahe spöttisch klingt. Sehr gern gelesen. Gruß, Tiger |
|
13.01.2017, 18:06 | #8 |
R.I.P.
|
hallo wanda, gummibaum, ralfchen, tiger
ich bedanke mich sehr herzlich für eure beiträge, welche mir eine basis geben, wenn ich mal eine ähnliche aufgabe stemmen will. guten abend url |
13.01.2017, 21:52 | #9 |
Dabei seit: 07/2015
Ort: Zwischen den Ostseewellen ertrunken
Alter: 41
Beiträge: 5.493
|
Ja ich dachte erst da schnarcht einer und dann stirbt er und zu guter Letzt springt er in einen Baum. Ohne Heinz hätte ichs wohl nicht kapiert.
Mal was anderes. Woher kommt das mit dem Baum? |
14.01.2017, 11:16 | #10 |
R.I.P.
|
Passt doch perfekt! Wozu brauchst du Heinz?
Url |
14.01.2017, 11:22 | #11 |
Dabei seit: 07/2015
Ort: Zwischen den Ostseewellen ertrunken
Alter: 41
Beiträge: 5.493
|
Na wegen Tod und Baum.
|
14.01.2017, 11:37 | #12 |
R.I.P.
|
Der hat wohl das Sterbezimmer zu wörtlich genommen. Wie andere den Walfisch.
|
14.01.2017, 16:36 | #13 |
Lieber urluberlu,
noch ein weiterer Text aus deiner Feder den ich sehr ansprechend finde! Liebe Grüße Gylon |
|
14.01.2017, 18:05 | #14 |
R.I.P.
|
Hallo Gylon
Ich benütze mal die Antwort an dich (mit Dank verbunden!) dazu, der offenbar angewachsenen Leserschaft mitzuteilen, dass dieser Text eigentlich eine Replik auf einen von Dr.Karg war, in welchem er das Thema "Mutter starb ohne mich" hatte. Und wo er doch tatsächlich kritisiert wurde dafür, dass er trotz Sterbestunde der Mutter zur Arbeit (in eine Schule mit lebenden Kindern) ging... Die absurde Diskrepanz zwischen des Doktors Sprachstil und den Vorwürfen reizte mich sofort. Dir, Gylon, einen schönen Sonntag Url |