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Alt 26.10.2013, 20:30   #1
männlich Desperado
 
Benutzerbild von Desperado
 
Dabei seit: 03/2012
Ort: Erde, Europa, Deutschland, Bayern
Beiträge: 1.747


Standard Lieferant

„Wer zum Teufel gehen will, den schicke ich hin.“

Der bärtige Marshal brummt das zwischen zwei Gläsern Whiskey und meint es genau so wie er's sagt. Wenn er einen Schurken eben dorthin befördert, den er bereits gestellt hat oder angeschossen und der ums Verrecken nicht begreifen will, dass sein böses Spiel aus ist, stattdessen um Gnade winselt und gleichzeitig nach dem Messer im Stiefelschaft fingert, gibt er ihm die letzte Kugel mit einem gleichmütigen „Fahr zur Hölle!“, neben seinem besonders prächtigen Stern gewissermaßen sein Markenzeichen.

„Das sagst du ihm vermutlich“, denk ich laut, „weil du eine gute Haut bist und ein ehrlicher Mann. Der Shitkerl soll wenigstens noch wissen, wo's Endstation ist für seine verruchte Seele, also ich hab da so gar nichts von einem Schaffner und bin da nicht so entgegenkommend, wenn's denn mal so weit kommen muss. Ich gönn ihm sein „Überraschung!“ von Herzen, weil diese Vollidioten sich tatsächlich glauben machen, mit ihrem Ableben sei's aus und vorbei und sie aus dem Schneider, die sterben beruhigt mit dem siegessicheren Gefühl, ungeschoren davon zu kommen, und das soll'n sie mal ruhig, nicht dass die noch zum Beten kommen, denn man weiß ja nie, was der da oben so alles an Unfug treibt mit seiner grenzenlosen Barmherzigkeit. Diese Satansbraten wimmern den Guten zuletzt noch weich und kriegen ihn rum, dem ist es echt zuzutrauen, dass er ihnen ihre Schurkereien im letzten Moment vergibt, was sie nun wirklich nicht verdienen, da riskier ich mal lieber nichts.“

Der Marshal mustert mich mit einer Mischung aus Verblüffung und Zweifel, wobei sich letzter vermutlich auf meine Sinne bezieht und ob ich die noch alle beisammen habe, was mich überhaupt nicht aus dem Gedanken- und Redefluss bringt, weil ich das gewohnt bin, ja nichts anderes kenne, und es mir außerdem vollkommen schnuppe ist.

„Ich meine, du musst ja deshalb nicht gleich einen Deal machen mit dem Leibhaftigen, nur weil du ihm regelmäßig Nachschub lieferst, klar freut sich der über jeden Neuzugang, aber das ist nur so eine unbedeutende Randerscheinung des Unvermeidlichen. Es ist nicht deine Aufgabe, dem Teufel eine Freude zu machen, lass dich da bloß auf keine Verbindlichkeiten ein, denn der freut sich über deine Seele fast noch mehr als über die, die ihm sowieso schon lange gehören, wahrscheinlich schon immer gehört haben, was weiß ich. Andrerseits bist du aber auch nicht verpflichtet, den Kerlen eine letzte Chance zu geben, die hatten reichlich genug davon und haben keine einzige genutzt, ja nur dreckig gelacht drüber, so dass es nur gerecht ist, wenn der Stinkstiefel zuletzt lacht und meinetwegen am besten. Das braucht dich nicht zu kümmern und ist nichts, worüber du dir einen Kopf machen müsstest.“

„Aber das mach ich doch gar nicht,“ murmelt er verwirrt, „ich schick sie doch ausdrücklich zur Hölle, genau das mach ich doch und nichts anderes.“

„Ja schon, aber du lässt es sie wissen, was ein vollkommen unnötiges Risiko in sich birgt, das sich ganz einfach dadurch vermeiden ließe, indem du entweder gar nichts sagst oder meinetwegen irgendwas murmelst wie 'der Herr sei deiner Seele gnädig' so in der Art, da werden die nämlich sofort rebellisch und fangen wüst zu lästern an, 'steck dir deinen Holzkameraden sonst wo hin und verschon mich mit deinem Balkensepp!', da kotzen sie die ganze Hölle aus aus ihrem verdorbenen Seelenpfuhl, damit lochen sie quasi ihre Freifahrkarte und du kannst sicher gehen, dass sie auch wirklich in der Hölle ankommen und kein Engel oder dergleichen sentimentale gute Geister mehr dazwischenfunken können. Dieses naive Gelichter will ja wirklich jede Seele retten, du machst dir keinen Begriff. Also und wie gesagt: Ich lass da nichts anbrennen.“

„Da... darüber muss ich erst mal nachdenken,“ stottert er und spült die Verunsicherung mit einem kräftigen Schluck die Kehle hinunter.

Als ob's da groß was nachzudenken gäbe. Die Kerle bekommen, was sie verdienen und es gibt keinen Grund, ihnen auch nur den Hauch einer Möglichkeit zu spendieren, ihren Kopf unverdienter Maßen doch noch aus der Schlinge zu ziehen, nicht einen einzigen. Hab ich seinerzeit in meinen wilden Jahren einen von denen getroffen, dann genau zwischen die Augen, im Vorbeischlendern und ohne ihn dabei anzusehn, während er irgendwas von „zieh, du erbärmlicher Feigling“ brüllte, wobei er meist nicht über erbärm... hinauskam. Machte mir keinen besonderen Spaß, beschäftigte mich aber auch nicht unnötig, schließlich haben es die Spinner selbst so gewollt, ja mich regelrecht darum gebeten, von mir auf die Kohlenrutsche befördert zu werden. In der Bibel heißt es ja schließlich und meines Wissens „wer dich bittet, dem gib“, und damals konnte ich es mir einfach noch leisten, freigiebig zu sein, ohne dabei irgendwas abwägen zu müssen. Musste so auch nie befürchten, dass einer von denen am jüngsten Tag angekrochen kommt und was murrt von „ich war todessüchtig und du hast mich nicht abgeknallt“, soweit käm's noch. Aber man verliert einfach alle Lust daran mit der Zeit, diese ermüdend gleichförmige Umlegerei wird einem in zunehmendem Maße lästig und unerquicklich bis zu dem Punkt, an dem es neue Lösungsmöglichkeiten zu suchen gilt.

Inzwischen hab ich meine Vorgehensweise dahingehend verfeinert, dass ich den Idioten mehr oder weniger widerstandslos Platz mache und mich rechtzeitig aus dem Staub, so dass sie mit dem sicheren Gefühl des Siegers zurückbleiben und sich großartig und unbesiegbar vorkommen über meiner „überstürzten Flucht“ und ihrem Triumph der Niedertracht über die nutzlose Aufrichtigkeit. Das ist die beste Garantie dafür, dass sie genau so weitermachen, wie sie's bis dahin getrieben haben und der sicherste Weg, sie nicht abzubringen von ihrem Weg ins Verderben, so dass sie mit ebensolcher Gewissheit Zeche auf Zeche prellen und auch ganz sicher ihre Rechnung aufgetischt bekommen am Zahltag und nicht zuletzt doch noch irgendwo landen, wo sie weiß Gott nicht hingehören und wirklich nichts verloren haben. Zum einen vermeidet diese defensive Taktik derlei unsachgemäßen Unfug, zum andern hab ich nichts mehr damit zu schaffen und am Federhut damit, was letzten Endes ausschlaggebend ist, das gesteh ich unverblümt.

Ja, und selbst wenn durch sie Unschuldige zu Schaden kommen bis dahin, haben die zum einen sowieso nichts zu befürchten, eben weil sie unschuldig sind, zum andern hindert sie ja niemand daran, sich gegen die Brut zur Wehr zu setzen, oder diese leidige Pflicht dem Marhal zu überlassen, wozu gibt’s schließlich die Gesetzeshüter wenn nicht für derlei Fälle? Auf alle Fälle aber ist es nicht mehr mein Bier. Den Teufel hab ich so oder so beliefert, nun gut, er muss sich wohl oder übel noch ein wenig gedulden, aber die Zeiten meines Jobs als Zubringer sind ein für alle Mal und endgültig vorbei, jeder geht schließlich mal in den Ruhestand, warum also nicht auch ein Desperado?

„Und wenn ich“, fährt der Marshal hoch aus grübelnder Versenkung und krault seinen verfilzten Vollbart, „wenn ich einfach zu ihnen sage: Fahr zur Hölle Gott befohlen!“ ?

„Geht in Ordnung.“
Desperado ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.10.2013, 21:19   #2
weiblich simbaladung
 
Dabei seit: 07/2012
Alter: 67
Beiträge: 3.073


Zitat:
Zitat von Desperado Beitrag anzeigen


... und das soll'n sie mal ruhig, nicht dass die noch zum Beten kommen, denn man weiß ja nie, was der da oben so alles an Unfug treibt mit seiner grenzenlosen Barmherzigkeit.


„Ja schon, aber du lässt es sie wissen, was ein vollkommen unnötiges Risiko in sich birgt, das sich ganz einfach dadurch vermeiden ließe, indem du

meinetwegen irgendwas murmelst wie 'der Herr sei deiner Seele gnädig' so in der Art, .... da werden die nämlich sofort rebellisch und fangen wüst zu lästern an, 'steck dir deinen Holzkameraden sonst wo hin und verschon mich mit deinem Balkensepp!',

damit lochen sie quasi ihre Freifahrkarte und ... kein Engel oder dergleichen sentimentale gute Geister können mehr dazwischenfunken Dieses naive Gelichter will ja wirklich jede Seele retten, du machst dir keinen Begriff.


„Und wenn ich“, fährt der Marshal hoch aus grübelnder Versenkung und krault seinen verfilzten Vollbart, „wenn ich einfach zu ihnen sage: Fahr zur Hölle Gott befohlen!“ ?

„Geht in Ordnung.“
Lieber Desperado,

eigentlich wollte ich heute ins Kabarett; ich wollte mal wieder so richtig herzhaft lachen.
Hab mir den Typ vorher bei you tube angesehen, aber das war´s nicht wirklich.
So hab ich Geld gespart und, dank deiner Geschichte, hab ich genau umsonst bekommen. Von vorne bis hinten köstlich.

Die zitierten Stellen fand ich tricky.

Danke,
lieben Gruß,
simba
simbaladung ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.10.2013, 08:13   #3
männlich Desperado
 
Benutzerbild von Desperado
 
Dabei seit: 03/2012
Ort: Erde, Europa, Deutschland, Bayern
Beiträge: 1.747


Zitat:
Zitat von simbaladung Beitrag anzeigen
Danke,
Und ich bedanke mich mit heiterem Sinn für Dein Lachen!

Daseinszweck erfüllt, die beste Voraussetzung für eine gepflegte Sonntagsruhe. Meines Erachtens begann der siebte Tag ja mit dem Erscheinen des Homo Sapiens, war doch alles gut bis dahin, und der Mensch hätte nix mehr dazu tun müssen, um es besser zu machen, sondern sich lediglich mit seinem Schöpfer der behaglichen Ruhe hinzugeben brauchen. Aber mach das mal jemand verständlich.

Lieben Gruß
Desperado
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