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Sprüche und Kurzgedanken Prosatexte, die einen Sachverhalt möglichst kurz und knapp schildern. |
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05.11.2009, 00:40 | #1 |
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Davor (delante)
DAVOR (DELANTE)
(Aus: ATROCIDAD DIE STADT DES TORMENTORS) Schweißtriefend bäumen sich ihre Körper an- und ineinander. Selbst der drohende Tod knöchert mit stumpfer Sense ratlos am Rande ihrer Unruhestatt. Kein Geräusch kann ihr fieberhaftes Keuchen übertönen. Allein das orgelnde Donnern der unweiten Kanonen verdünnt sich im siedenden Öl ihres Taumels zu einem feinen Säuseln. Seine scharfen Nägel spuren hautfetzend über die zitternden Wipfel ihrer harten Brüste. Flehend gellt sie seinen Namen an die pockennarbige Decke des minimalen Dunkelzimmers. Die Gischt dampfender Hörigkeit strömt berauschend aus Millionen ihrer Poren. Verlegen wendet sich der Schatten Thanathos vom vergänglichen Moment ihrer Unsterblichkeit ab; so viele wollen heute noch versterben. Die Erntezeit in dieser Stadt ist gar zu prächtig. Nichts Wahrnehmbares im opaken Dämmer des winzigen Kerkers leidenschaftlicher Sucht. Sein sehniger Körper dringt immer wieder heftig in sie ein, ersinnt sie dabei in jedem Sekundenbruchteil aufs Neue. Blindsüchtig stürmt sie mit ihm zum ersehnten Gipfel auf dem der kleine Tod verschwommen verharrt. Ihr siedender Körper erbarmungslos aufgespießt, zuckt in immer enger werdenden Krämpfen unter ihm. Alle Ungedanken verschmelzen zu einem, um grell am Horizont all ihren Seins unterzugehen. Sie ist von seinen Händen umzingelt und das eiserne Aroma seines Blutes spült über ihre zerbissenen Lippen, nachdem ihre scharfen Reißzähne sich von seinem Hals lösen. Unspürend jeglichen Schmerzes verfilzt sich sein Gesicht im klebrigen Spinnennetz ihrer dampfenden Haare. Das Duett ihrer Todesschreie verschwimmt alsbald im wahningen Lachen des Überschreitens. Strömend verfließt er in ihr und nimmt ihr Gesicht zärtlich in seine Hände. Dem kraftvollen Ruck antwortet ein leises Knirschen ihrer Halswirbel - und: Thanathos tänzelte zu Ehren der Versengten die Gavotte des Schattens. Leblos liegen sie verschlungen in blutigen Laken. „Gut so ist es, “ dachte er „Niemals werdet ihr unser beider Leiber lebendig verscharren…. nie wird sie von euren gnadenlosen Maschinen entwürdigt werden…nie wird sie meiner überdrüssig werden…nie.“ Der Blutschwall aus seiner Carotis versiegt langsam, ihr erkühlendes Gesicht wärmend. Ihre gebrochenen Augen blicken leer an seiner Wange. |
05.11.2009, 00:51 | #2 |
Lieber Ralf,
da muss man schon kerngesund sein, um deine Texte zu verkraften. Ich bin da an einer persönlichen Grenze. Vielleicht erzähl ich dir mal, warum. Vielleicht schick ich dir eine PN. Ohne Text. Gruss corey |
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05.11.2009, 12:00 | #3 |
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ja das stimmt liebste COREY - gesund im mental und physical muss man sein.
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05.11.2009, 15:32 | #4 | |
Dabei seit: 09/2009
Ort: im All
Alter: 39
Beiträge: 362
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Ralfchen,
es ist ein Wunder, dass ich jetzt noch etwas schreiben kann, nachdem ich diesen Text gelesen habe. Ich bin immer noch völlig überwältigt von deinen Worten und meine Kinnlade sagt dem Erdkern guten Tag. Du hast einen immensen Fundus an bizarren Begriffen, die du hier in einer Weise zusammenbringst, die ich nur bestaunen kann. Das ist literarische Rafinesse und Poesie in einem. Jeder Satz ist von einer sprachlichen Perfektion, die an klassische Werke erinnert. Ich glaube, wenn es eine Intention von Prosatexten gibt, dann die, den Leser am Geschehen teilhaben zu lassen. Das ist dir hier in vollem Ausmaße gelungen. Auch wenn es hier im Grunde keine Stelle verdient als einzige hervorgestellt zu werden, weil der Text als Ganzes gelesen werden muss, möchte ich dir zu diesem Satz besonders gratulieren: Zitat:
moon |
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05.11.2009, 16:23 | #5 |
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danke für dieses schöne lob MOON.
euer altes ralfelchen schrieb viele dieser kleinen prosen während seines PAINTER-STOP. denn nach zwei schweren krebsoperationen + mörderischer chemo welchen sich meine frau (1988/89) unterziehen musste, begann ich mit einem zyklus großer leinwände mit dem thema "krankheit und schmerz". als sich dann die krebsdiagnosen als FALSCH und die chemo als UNNOTWENDIG herausstellen, wandte ich mich von allem ab und begann einige jahre danach mit dem texten. was ich aber versuche, ist, die dinge in form von bildern zu beschreiben, da ich kein poet oder autor bin, sondern maler. und das kommt dann dabei raus. manchmal ist es auch sehr unbeholfen und von zuvielen neologismen durchtränkt, die unbewusst entstehen. deinstens |
05.11.2009, 17:20 | #6 |
Dabei seit: 10/2008
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Beiträge: 533
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Hallo Ralfchen,
also um ehrlich zu sein es gibt von mir zwei Dinge die ich tue wenn ich etwas so gut finde dass ich wortwörtlich sprachlos bin. Entweder ich schreibe gar nichts dazu weil ich nicht die passenden Worte finde oder aber ich schreibe etwas. Hier war zuerst der Fall dass ich sprachlos war und nichts schreiben wollte, doch ich kriege den Text irgendwie nicht mehr aus meinem Kopf und muss einfach mal sagen dass er wirklich umwerfend geworden ist. Auch ich könnte hier keine lieblingsstelle zitieren da es einfach alles am Stück gelesen werden muss, zur Not immer wieder. Danke für diesen schönen Text Ralfchen, war nicht das letzte mal dass ich dies lese. Gruß, Isabel |
05.11.2009, 23:45 | #7 |
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danke fürs lesen
du liebes wesen, nicht mein bezwecken, war es dich zu schrecken. gute nacht |
06.11.2009, 00:10 | #8 |
Dabei seit: 10/2008
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Beiträge: 533
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Ich war nicht erschrocken
nenne es ein Frohlocken! Doch da der Reim hier viel zu klein lasse ich ihn zu Ende sein. Ich winke nun zur Guten Nacht, dem düsteren Wesen, welches hier lacht. |
06.11.2009, 02:54 | #9 |
Dabei seit: 09/2009
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Alter: 39
Beiträge: 362
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Schöne Co-Produktion!
Wollte dir noch sagen, Ralfel, dass man durch deine Worte sehr an Malerei erinnert wird. Du benutzt unheimlich bildliche Sprache. Da ist es nicht verwunderlich, dass du Maler bist. Du hast betont, du seist kein Autor oder Poet. Das würde ich nicht sagen, denn du benutzt hier lediglich ein anderes Medium, um deine Gedanken frei zu lassen. Und das auf drastisch-schöne Art und Weise. Es gibt eben auch poetische Autorenmaler. moon |
06.11.2009, 04:15 | #10 |
Dabei seit: 11/2009
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Alter: 38
Beiträge: 449
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Ich benutze diesen Begriff nicht zu oft, aber 'Wortgewalt' trifft hier sehr gut zu... Eine krasse Thematik, wiedergegeben durch diese... bildreiche (schon wieder fällt mir kein zutreffendes Wort ein) Sprache... Ich bin ehrlich gesagt von den Socken...
Das einzige Manko... Im Grunde ist es kein Manko, aber Ausdrücke wie 'opak' oder 'Carotis' musste ich erst einmal nachschlagen... Die dreigepunkteten Abschlüsse meiner Sätze zeugen jedenfalls von Gefallen. Ich freue mich darauf, mehr von dir zu lesen. |
17.02.2010, 12:13 | #11 |
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danke für die kritiken. ich war auf einige zeit gesperrt und nahm an, dass die sperre permanent sein würde. nun bin ich wida "around" und ja - ich werde weitere texte einstellen. es werden nicht sehr viele sein, denn ich arbeite momentan an den texten (überarbeitungen) und illustrationen zum meinem ziemlich wirren ersten büchlein, das etwa 190 seiten text und bild enthalten wird:
RALFELCHENS SATIRADEN UND MORBIDIEN BAND I Von Zwergen und anderen Größen |
17.02.2010, 18:02 | #12 |
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danke lieber Risiko -
nur ich denke, dass der text eigentlich in der falschen rubrik ist und unter kurzgeschichten gehören würde, denn es ist ein erzählung. vielleicht kann die moderation das verschieben. vielen dank. das ralfelchen |
12.05.2019, 17:35 | #13 | |
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Zitat:
liebe grüße ralfchen Geändert von Ex-Ralfchen (12.05.2019 um 21:57 Uhr) |
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11.11.2019, 11:16 | #14 |
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Sehr gut geschrieben, Ralf. Hier sieht man, dass du mehr kannst, also nur Unsinn zu verdampfen.
Ein paar Adjektive weniger, täten dem Konstrukt aber wahrlich nichts Schlechtes. Vlg EV |
21.03.2020, 16:50 | #15 |
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danke
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