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30.03.2024, 18:55 | #1 |
Forumsleitung
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Aber wie?
Ich will ihn nicht dulden, nicht in mir, nicht an mir, nicht neben mir, nicht einmal in meiner Nähe. Er soll mich nicht quälen wie eine lästige Zecke, die ihren Proviantsack mit meiner Lebensfreude vollsaugt. Er soll nicht wie eine düstere Wolke über mir hängen, die in Intervallen Regen auf mich gießt und sich vom Wind nicht vertreiben lässt, sondern wie mit Tapetenkleister an den Himmel geklebt ist. Er soll in der Nacht nicht im Bett unter meiner Decke liegen und seinen Kopf neben meinem auf dem Kissen liegen haben und mir das Gefühl geben, in einem weichen Sarg in der Hölle zu liegen, umgeben von Eis, das keine Sonne mehr schmelzen kann, weil ihr der Zugang zur Hölle versagt ist. Ich will seinen Atem nicht spüren, sein Flüstern nicht hören und nicht fühlen, wie er mir übers Haar zu streichen versucht.
Ich hasse es, dass er sich wie ein Erbschleicher bemüht, in meine Seele zu dringen, um sie in Besitz zu nehmen, angeblich, um sie zu schützen und ihr Kraft zu geben. Aber am Ende, das weiß ich, bin ich die Geprellte. Dann stellt dieser Eindringling triumphierend seine nächsten Forderungen: mein Herz, meine Zukunft, mein ganzes Ich. Er bekommt den Hals nicht voll, so sagt man doch. Meine Seele, mein Herz, mein Ich … sie gehören alleine mir, und ich will sie nicht verhökern um den Preis, auf die Knie sinken und über den harten Boden des Jammertals kriechen zu müssen, bis sie auf die Knochen durchgescheuert sind. Notfalls ja, dann scheuer ich mir die Knochen blank. In letzter, allerletzter Instanz. Es muss vorher einen Ausweg geben. Sich in eine Nische zu verkriechen, solange, bis er aufgegeben hat, nach mir zu suchen. Bis ich mich wieder hinauswagen und frische Luft atmen kann. Ich will diesen Eindringling nicht, den man Trauer nennt. Ich will nicht trauern. Ich will nicht leiden. Aber wie? 30.03.2024 |
01.04.2024, 10:59 | #2 |
Es ist ungesund, Trauer nicht zuzulassen.
Trauer ist etwas ganz Normales. Man sollte sie einfach akzeptieren. |
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03.04.2024, 12:30 | #3 |
Dabei seit: 02/2021
Ort: mit beiden Beinen in den Wolken
Alter: 61
Beiträge: 1.964
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Hallo Ilka
... eine interessante Frage, die damit aufgeworfen wird. Trauer annehmen oder nicht? Jeder Mensch entscheidet sich anders. Manche jedes Mal anders.
In vielen grauen Stunden hatte ich mir schon den Tod lieber Menschen vorgestellt und die Trauer hatte mich übermannt. Als es dann soweit war, war ich schon durch. Der Tod meines Hundes traf mich überraschend, die Trauer auch. Ich finde nur, es liest sich schwer, wenn ein Text mit "nein, nicht, kein" überladen scheint. Scheint bei solchen Themen aber schwer. beaux rêves |
06.04.2024, 16:42 | #4 | ||
Forumsleitung
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Zitat:
ich glaube nicht, dass ein Mensch, der den Verlust eines anderen Menschen (oder eines Tiers) erleidet, Gedanken, wie ich sie aufgeschrieben habe, wortwörtlich denkt und Trauer mit widerspenstiger Ratio abzuwehren versucht. Es handelt sich um ein Gefühl, das Unfassbare zunächst als etwas Fremdes zu betrachten, das einen nichts angeht, was aber nicht in völliger Klarheit daherkommt. Tatsächlich habe ich, nachdem die Trauer von den Betroffenen als unabwendbar angenommen wurde, die Worte gehört: "Damals kam mir diese Verlusterfahrung unwirklich vor. Ich stand tagelang neben mir wie im falschen Film." Vielleicht braucht man am Anfang eine solche Hülle zum Schutz vor einem psychischen Zusammenbruch. Als auktorialer Erzähler hätte ich den Text anders geschrieben, da hätte ich mehr Möglichkeiten gehabt, dieses Chaos an nicht fassbaren Gefühlen beschreiben zu können. Zitat:
LG Ilka |
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07.04.2024, 12:27 | #5 |
Dabei seit: 02/2021
Ort: mit beiden Beinen in den Wolken
Alter: 61
Beiträge: 1.964
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Ja, Ilka,
... sind nur 8 Zeilen Verneinung bzw. ein Absatz. Ich wüsste auch nicht, wie man dem aus dem Weg könnte.
Es ist einfach die geballte Verneinung gleich zum Beginn, die mich irgendwie zurück stieß und mir das Lesen erschwerte. beaux rêves |