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Zeitgeschehen und Gesellschaft Gedichte über aktuelle Ereignisse und über die Menschen dieser Welt. |
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29.08.2005, 00:50 | #1 |
Vor dem Umzug
Weiße Baumwoll-T-Shirts. Und in Massen:
Weiße Tennissocken! Gott, wie widerlich "Happy Birthday!" steht auf Tassen Der alte Rucksack riecht recht sonderlich Hier, ein Buch mit billigen Gedichten Eine alte Unterhose (weiß) Im Badezimmer: Dreck in sieben Schichten Die alte Decke riecht nach Schweiß Mein alter Taschenrechner! Software! Auf Disketten! Ein altes Laufwerk. Damals: Reichlich hoher Preis Hinterm Bett: Drei ungerauchte Zigaretten Auf dem Balkon klebt Vogelscheiß Bücher! Belletristik! Goldmund und Narziß! Papier von mir, mit sehr gewagten Thesen! Große Werke! Lenin! Marx! Und Adam Smith! (Den Lenin hab ich nie gelesen) CDs. Das T-Shirt meiner Abi-Klasse An den alten Schuhen klebt der Sand Ein Kontoauszug von der Dorfsparkasse Und auf den Flaschen ist noch Pfand |
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29.08.2005, 01:32 | #2 |
schön. toll. ach, ich bin begeistert. mag ich.
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05.09.2005, 15:33 | #3 |
Hallo Zarathustra,
das ist ein wie ich finde außerordentlich sympathisches Gedicht, das sehr gekonnt die Erinnerungen des lyrischen Ichs mit denen des Lesers verschwimmen lässt - zumindest, wenn dieser schon einmal in seinem Leben umgezogen ist . Ich zumindest kenne das sehr gut: eigentlich drängt die Zeit und jede Menge Kartons müssen gepackt werden, doch man verliert sich in alten Erinnerungen, hat Dinge, deren Besitz einem gar nicht mehr in erinnerlich war, stundenlang in der Hand und trennt sich letztlich von viel weniger Sachen, als es sinnvoll wäre. Die einzelnen Gedankengänge sind gut gezeichnet, es gab kein Bild, in das ich mich nicht problemlos hineinversetzen konnte (auch wenn ich weder weiße Tennissocken noch weiße T-Shirts besitze ). Metrisch bist Du zeitweise etwas inkonsequent. Aber ich stelle mal die metrische Analyse komplett voran: Weiße Baumwoll-T-Shirts. Und in Massen: Weiße Tennissocken! Gott, wie widerlich "Happy Birthday!" steht auf Tassen Der alte Rucksack riecht recht sonderlich XxXxXxXxXx XxXxXxXxXxX XxXxXxXx xXxXxXxXxX Hier, ein Buch mit billigen Gedichten Eine alte Unterhose (weiß) Im Badezimmer: Dreck in sieben Schichten Die alte Decke riecht nach Schweiß XxXxXxXxXx XxXxXxXxX xXxXxXxXxXx xXxXxXxX Mein alter Taschenrechner! Software! Auf Disketten! Ein altes Laufwerk. Damals: Reichlich hoher Preis Hinterm Bett: Drei ungerauchte Zigaretten Auf dem Balkon klebt Vogelscheiß xXxXxXxXxXxXx xXxXxXxXxXxX XxXxXxXxXxXx xXxXxXxX Bücher! Belletristik! Goldmund und Narziß! Papier von mir, mit sehr gewagten Thesen! Große Werke! Lenin! Marx! Und Adam Smith! (Den Lenin hab ich nie gelesen) XxXxXxXxXxX xXxXxXxXxXx XxXxXxXxXxX xXxXxXxXx CDs. Das T-Shirt meiner Abi-Klasse An den alten Schuhen klebt der Sand Ein Kontoauszug von der Dorfsparkasse Und auf den Flaschen ist noch Pfand xXxXxXxXxXx XxXxXxXxX xXxXxXxXxXx xXxXxXxX Zwar wechseln sich Hebungen und Senkungen durchgängig ab, weshalb Deine Zeilen insgesamt angenehm zu lesen sind, jedoch sind die Zeilen teilweise unnötig unterschiedlich lang - letztlich aber auch unproblematisch. Mehr stört mich der willkürliche Wechsel von jambischem und trochäischem Versmaß. Dein Gedicht bleibt dennoch gut lesbar, für mich ist das dennoch ein kleiner Makel, der zudem eigentlich nicht allzu schwer zu beheben ist. Auch wenn einem im Rahmen eines Umzuges viele alte Sachen in die Hände kommen, benutzt Du das Wörtchen für meinen Geschmack etwas zu häufig: alt ist der Rucksack, die Unterhose, die Decke, der Taschenrechner, das Laufwerk und sind die Schuhe... da würde ich mir ein paar Alternativen überlegen. Auch an der Interpunktion würde ich noch etwas feilen, zeitweise endest Du in den Zeilen mit Satzendzeichen, manchmal nicht - ich würde überall Zeichen setzen . Dennoch: ein Gedicht, das mir viel Lesevergnügen bereitet hat und mich verdammt oft schmunzeln ließ... |
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05.09.2005, 15:53 | #4 |
Danke für die recht ausführliche Betrachtung. Daß es technisch bzw. formal teilweise sehr inkonsequent ist, ist mir durchaus bewußt, und normalerweise bin ich sehr bemüht, ein Vermaß entweder konsequent beizubehalten, oder regelmäßige Wechsel einzubauen. Bei diesem Gedicht muß ich allerdings sagen, daß es zwischen dem Bepacken von zwei Kartons innerhalb von weniger als einer halben Stunde heruntergerattert wurde (Nothingness war im ICQ live dabei und mußte alle fünf Minuten eine neue Strophe ertragen), und ich mir einmal den Luxus gegönnt habe, ohne jedes Feilen an technischen Dingen zu schreiben. Im Nachhinein fiel mir sogar eine (etwas weit hergeholte) Rechtfertigung ein: Das Chaos im Gedichts spiegelt das Chaos in meiner Wohnung wieder.
Bezüglich der Interpunktion halte ich mich in Gedichten an die Comicstrip-Regel: Ausrufungszeichen ja, Fragezeichen ja, Punkte (und Kommata) nur, wenn in der gleichen Zeile (der gleichen Sprechblase) ein neuer Satz beginnt. Aber gut, daß du das erwähnst: Ich frage mich nämlich, ob das zu Lasten der Lesbarkeit geht. Darauf bist du leider nicht eingegangen, vielleicht kannst du dazu noch was sagen. Die häufige Wiederholung von "alt" kann ich nicht verteidigen. Das wirkt tatsächlich langweilig. Das sind übrigens die alten Socken, die meine Mutter vor Jahren für mich gekauft hat. Ich trage sie seit acht Jahren nicht mehr. Edit: Frag mich bitte nicht, warum ich sie dann noch beim letzten Umzug mitgeschleppt habe, das weiß ich auch nicht mehr. |
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05.09.2005, 18:40 | #5 |
abgemeldet
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Das Gedicht spricht mir im Moment aus der Seele, da ich selbst kurz vor dem Umzug stehe. Daher gefällt es mir sowieso sehr gut.
Und das Teilweise die Interpunktion fehlt, empfand ich als nicht all zu störend, falls dir das was hilft. |
08.09.2005, 12:48 | #6 | |
Zitat:
Deinen Interpunktionsregeln, die Du hier erläuterst, vermutete ich schon, würde aber dann zumindest die Zeile: Weiße Tennissocken! Gott, wie widerlich ändern. Ich finde, die Gottanrufung sollte auch mit Ausrufezeichen gekrönt werden. Ich glaube nicht, dass man das flüstert, insbesondere wenn es um etwas widerliches geht ! Ansonsten bin ich ein Anhänger von vollständiger Interpunktion, weil sie die Lesbarkeit im Allgemeinen unterstützt. Bei diesem Text ist das kein allzu großes Problem, weil Du überwiegend kurze Sätze den Gedankenfetzen entsprechend verwendest. Es gibt aber auch Gedichte, wo man erst einmal beginnt, die einzelnen Satzteile zuzuordnen, um zu verstehen, was der Autor sagen will. Je nach Gedicht (und dessen Aussage) missfällt mir das schon... irgendwie kann doch auch der Leser etwas Service erwarten. Eine Grundregel hinsichtlich der Interpunktion habe ich jedoch nicht, ich denke, dass muss man im Einzelfall betrachten. Von der Tendenz würde ich mich jedoch immer um vollständige Interpunktion bemühen, solange nichts (Inhalt, Form o.ä.) dagegen spricht. |
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09.10.2005, 18:37 | #7 |
Bin grad beim Umzug, hat mit meiner folgenden Kritik allerdings nichts zu tun. :-)
Eine Form von Gedicht, die ich schon lange nicht mehr gelesen hab. Dein Werk hat einen sehr guten Unterhaltungskarakter und lässt sich flüssig lesen. Frage: Warum nennst Du dich Zarathustra? Nietzscherianer? Oder liegt der Ursprung deiner Namenswahl in der Griechischen Mythologie? |
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