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Zeitgeschehen und Gesellschaft Gedichte über aktuelle Ereignisse und über die Menschen dieser Welt. |
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23.04.2017, 15:06 | #1 |
Stadtgedanken II.
Im Bus (genannt „City-Shuttle“):
Ich rieche die Achtziger Jahre in den Sitzpolstern, zweibeinige Drüsen, das Aroma von Affen und mich selbst hundertfach verstärkt. Ich bin mir sicher, der Busfahrer träumt davon, das Gaspedal einfach durchzutreten und dem Ganzen ein Ende zu setzen. Ich weiß, ich würde es. Ich hatte was gespart, um mir ein wenig Spaß zu kaufen, doch als ich die Preise im Spaßshop sehe, vergeht mir das Lachen. Also treibe ich ziellos durch die Menschenwellen, wie ein Hamster in einer Kokosnussschale. Ein großer Hund läuft vorbei und wir nehmen Blickkontakt auf. Er an der Leine – ich nicht. In seinen grauen Augen Mitleid. Mir wachsen tausend Augen und tausend Ohren. Ich sehe Männer in fadenscheinigen Anzügen, die in der Fußgängerzone Fünf-Minuten-Seminare anbieten („Wie man mit der Dummheit anderer zum Millionär wird“). Ich sehe Frauen mit sprechenden Schuhen und taubstummen Leggins. Ich sehe einen Maskierten, der eine Bank mit einer Waffe betritt und sie mit einem Bausparvertrag verlässt. Der hier hat es verstanden: Ein kleiner Junge wirf sich vor seiner Mutter auf den Boden und kreischt theatralisch. Er wolle nach Hause, sofort. Von allen Menschen hier, scheint er mir der vernünftigste. Straßenmusiker spielen fröhliche Musik (Darf man eigentlich noch Zigeuner sagen?) und ich denke an die letzten Minuten auf der Titanic. Jetzt erste sehe ich es: Der Boden unter mir besteht aus den festgestampften Leibern der Gefallenen. Läuft sich erstaunlich angenehm. |
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01.05.2017, 00:13 | #2 |
abgemeldet
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Das Ende ist mir nicht ganz schlüssig, klaatu, aber ansonsten ein interessanter Text. Ich mag deine Bildsprache, das lässt viel Raum...
LG Letreo |
02.05.2017, 13:26 | #3 |
Hallo Latreo,
erst mal danke für deine Aufmerksamkeit. Also falls du wissen möchtest, was die letzten Zeilen bedeuten: In einem Moment der Klarheit ist mir aufgefallen, dass der Boden in der Fußgängerzone nicht aus Asphalt besteht, sondern aus den Körpern derer, die uns diese Konsum-Luxuswelt erst ermöglichen. Das ist leider eine düstere Wahrheit, die man im Rausch der Neonlichter gerne mal verdrängt. LG k |
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02.05.2017, 23:09 | #4 |
abgemeldet
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Danke für die Info, klaatu, so düster kann ich gar nicht denken.
LG Letreo |
03.05.2017, 09:42 | #5 |
Darüber solltest du sehr froh sein!
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