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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 27.05.2023, 11:09   #1
weiblich Ilka-Maria
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Standard Pubertät

Ich bin ein Sandkorn in der Auster,
ein rauer Krümel ohne Wert,
vom Meeresgrund gewirbelt, der
sich wenig um die Zukunft schert.

Ich bin ein Küken unter Schwänen,
verzagt in stummer Hässlichkeit
und meines Wachstums nicht zu wähnen:
Das Reifen, sagt man, brauche Zeit.

Du musst nur warten, warten, warten,
so reden Große leicht dahin.
Du bist gepflanzt in Gottes Garten
und triffst auf deinen Lebenssinn.

Derweilen drück ich Pickel aus
und fühl mich einsam wie noch nie,
bin grauer als die grauste Maus
und weitaus piepsiger als sie.

Man will mir von der Welt erzählen.
Ach, hätte ich sie nie gekannt!
Doch niemand ließ mich selber wählen.
ich bin, letztendlich, gottgesandt.

27.05.2023
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Alt 28.05.2023, 22:48   #2
weiblich Die Preussin
 
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Liebe Ilka-Maria,

treffender kann man Pubertät nicht beschreiben, wunderbar nachempfunden. Lese ich aus der letzten Zeile eine gewisse Hybris heraus ?

Die Preussin
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Alt 31.05.2023, 00:31   #3
männlich Georg C. Peter
 
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Liebe Ilka- Maria,

ich bin kein Biologe,
aber wächst aus dem Sandkorn in der Auster nicht irgendwann eine Perle heraus?

Du hast die Pupertät früherer Zeiten beschrieben, in der das "warten, warten, warten" vor allem aus dem Testbild des Fernsehers bestand.
Da gibt es heute - zum Glück - andere Kommunikationsmöglichkeiten.

Insgesamt aber: Eine gelungene Gefühlsbeschreibung!
LG Georg
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Alt 31.05.2023, 06:58   #4
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Georg C. Peter Beitrag anzeigen
ich bin kein Biologe,
aber wächst aus dem Sandkorn in der Auster nicht irgendwann eine Perle heraus?
Richtig. Genau das ist die Metapher, von der mein Gedicht ausgeht, ebenso wie von dem Bild des "hässlichen Entleins" im Märchen von Andersen. In der Zeit als Teenager, die man früher noch in Pubertät und Adoleszenz aufgeteilt hat (machen Psychologen heute nicht mehr), versteht sich ein Jugendlicher als Außenseiter. Das ist er wohl auch in den Jahren der Selbstfindung. Er ist verwirrt, passt nirgendwo hin, fühlt sich von den Erwachsenen unverstanden, ist sich sogar selber fremd und rebelliert gegen alles, was sich bewegt, einschließlich sich selbst. Diese Entwicklungsphase ist im Film eindrücklich durch James Dean in "Denn sie wissen nicht, was sie tun" dargestellt.

Zitat:
Zitat von Georg C. Peter Beitrag anzeigen
Du hast die Pupertät früherer Zeiten beschrieben, in der das "warten, warten, warten" vor allem aus dem Testbild des Fernsehers bestand.
Da gibt es heute - zum Glück - andere Kommunikationsmöglichkeiten.
Ich fürchte, mit dieser Meinung bist du auf dem Holzweg. Mit dem Fernsehen hat die Phase der Pubertät nichts zu tun, durch sie mussten und müssen weiterhin alle Jugendlichen durch. Auch früher gab es mehr als nur das einseitige Fernsehen, bei dem die Kommunikation nur in eine Richtung ging, nämlich vom Sender zum Empfänger. Im Gegenteil nahmen sich die Jugendlichen viel stärker wahr, trafen sich und teilten ihre Ansichten. Oft kam es zur Bildung von Cliquen, die allerlei Unfug ausheckten. Jedenfalls war noch niemand damit befasst, einen steifen Hals vom stundenlangen Starren auf ein Smartphone zu bekommen und die Umwelt auszublenden. Ob es wirklich ein Glück ist, heute "andere Kommunikationsmöglichkeiten" zu haben? Ich bezweifle das, wenn ich eine Gruppe von Neunjährigen im Fußballstadion sehe, die alle auf ihren "Endgeräten" fummeln und spielen, aber nicht einmal einen Blick auf das Spielfeld und das Ereignis werfen, für das ihre Eltern das Eintrittsgeld bezahlt haben. Mir fällt bei dieser Beobachtung nur der Begriff "Verkürzung" ein.

Tatsache ist, dass sich immer weniger junge Menschen als zufrieden und gut aufgehoben in der Gesellschaft empfinden, dass die Ängste zunehmen und die Depressionserkrankungen in die Höhe schießen. Das sollte zu denken geben.
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Alt 31.05.2023, 07:01   #5
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Zitat:
Zitat von Die Preussin Beitrag anzeigen
Lese ich aus der letzten Zeile eine gewisse Hybris heraus ?
Das musst du selbst entscheiden, liebe Preussin.

Von mir ist es jedoch nicht als Hybris gemeint. Wie es zu verstehen ist, geht aus der mittleren Strophe hervor:

Du musst nur warten, warten, warten,
so reden Große leicht dahin.
Du bist gepflanzt in Gottes Garten
und triffst auf deinen Lebenssinn.

Ich dachte also mehr an: "Wir sind alle Gottes Kinder."

LG
Ilka
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Alt 31.05.2023, 12:36   #6
männlich Georg C. Peter
 
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Ich fürchte, mit dieser Meinung bist du auf dem Holzweg. Mit dem Fernsehen hat die Phase der Pubertät nichts zu tun, durch sie mussten und müssen weiterhin alle Jugendlichen durch.
Liebe Ilka,

hier mag es unterschiedliche Meinungen geben, diese Anmerkung von mir war jedoch autobiographisch:
In meiner - zum Glück kurzen - trägen Pupertäts-Phase starrte ich auf das Testbild des Fernsehers und hoffte sehnlichst, dass sich endlich etwas bewegt.
Aufforderungen der Familie ("mach doch mal was!") wurden stur ignoriert. LG
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Alt 31.05.2023, 13:46   #7
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Georg C. Peter Beitrag anzeigen
... hier mag es unterschiedliche Meinungen geben, diese Anmerkung von mir war jedoch autobiographisch:
In meiner - zum Glück kurzen - trägen Pupertäts-Phase starrte ich auf das Testbild des Fernsehers ...
Interessant. Daraus könnte man eine Geschichte machen. Ich glaube, da beginnt es in meinem Kopf schon zu tuckern.

Aber wie lange muss das her sein, dass es im Fernsehen Testbilder gab? Ich kann mich an zwei Motive erinnern, ein schwarzweißes und ein farbiges. Ersteres stammte aus den Zeiten, als das Fernsehprogramm um Mitternacht oder kurz danach mit der Nationalhymne endete.

Jeder Mensch durchlebt die Pubertät anders, aber es gibt ein paar Grundmerkmale, die bei allen Jugendlichen gleich sind: Abgrenzung von den "Alten", Infragestellung von Traditionen und Umgangsformen, Bekenntnis zu neuen Musikrichtungen und Neudefinierung über Äußerlichkeiten wie z.B. Mode, Frisuren usw. Manchmal kommen noch Mutproben hinzu. Vor allem jedoch sind Jugendliche in dieser Phase hochempfindsam und schnell verletzbar. Ein falsches Wort, und schon ist der Teufel los! Dann werden die Fäuste geballt, die Türen zugeschmissen, und Vaters Luxuskarosse bekommt einen Fußtritt in die Fahrertür. Nur der Hund bleibt verschont, denn er ist der einzige Freund, der einen Pubertierenden verstehen kann.
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