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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 25.05.2023, 23:07   #1
weiblich Ottilie
 
Dabei seit: 05/2021
Beiträge: 341

Standard Da sitzen die Alten und sparen und sparen…

Da sitzen die Alten und sparen und sparen
An Gas und an Strom, manchmal frieren sie schon.
Sie mähen den Rasen und schneiden die Büsche
Und denken dabei an die Tochter, den Sohn.

Die gingen vor Jahren, verließen das Dörfchen,
Die Eltern, sie ließen sie einsichtig ziehn
Fürs Studium, die Arbeit, wohl auch für die Träume
Zum Ort der Verheißung, zum Beispiel: Berlin.

Es warten die Alten und schweigen und träumen:
Vom Haus voller Enkel, von Spiel und Geschrei.
Von Rückkehr der Kinder in ihre Idylle,
ins Haus auf dem Lande, das ihres dann sei.

Das kümmert die Kinder nicht in ihren Kiezen
In Kreuzberg und Mitte, sie suchen ihr Glück.
No problem, zu wissen: Es warten die Alten.
Man kommt ja wohl Weihnachten jährlich zurück.
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Alt 26.05.2023, 01:18   #2
weiblich Maggy
 
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Dabei seit: 11/2022
Beiträge: 110

Liebe Ottilie

Dein gedicht gefällt mir .Es ist sehr treffend beschrieben.
Es wäre schön,wenn Kinder ihre Eltern öfter besuchen würden,nicht nur an Weinachten.
Ich habe einmal eine Geschichte aus einem Altenheim gehört. dort hat sich eine alte Frau jeden Sonntag fein gemacht in der Hoffnung das ihre Kinder kommen,
aber die kamen nie. Erst als sie gestorben war.

Liebe Grüsse von Maggy
Maggy ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.05.2023, 04:35   #3
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
Beiträge: 31.076

Hast du gut gedichtet, Ottilie. Und in manchen Fällen sieht es wie von dir beschrieben aus. Nach meinen Beobachtungen und Erfahrungen sind das aber Ausnahmen, und dafür gibt es auch meistens Gründe.

Ich kenne es so, dass selbst in konfliktreichen Familien die Bande eng genug geknüpft sind, um im Ernstfall zueinander zu stehen. Meine Mutter pflegte immer zu sagen: "Blut ist dicker als Wasser." Und das stimmt. Es ist wissenschaftlich untersucht und bestätigt, dass Familien, mochten sie auch noch so zerstritten sein, in Krisenzeiten eng zusammenrückten, während familienlose Einzelpersonen, die Anschluss gefunden hatten, am ehesten wieder fallengelassen wurden.

Vater und Mutter sind und bleiben für ihre Kinder die Quellen des Lebens. Bis es zum Bruch oder sogar zur vollkommenen Gleichgültigkeit ihnen gegenäber kommt, muss viel passieren. Meine Mutter ist seit drei Jahren im Heim, und ich sehe, wer dort zu Besuch kommt, egal ob an Wochentagen oder am Wochenende: Es sind immer Kinder, Enkel und Freunde da.

Ich war mit meiner Mutter selten einig, unsere Beziehung war konfllktreich. Aber eine Mutter ist und bleibt eine Mutter.
__________________

Workshop "Kreatives Schreiben":
http://www.poetry.de/group.php?groupid=24
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.05.2023, 08:50   #4
weiblich Ottilie
 
Dabei seit: 05/2021
Beiträge: 341

Standard Landflucht

Danke, Maggy und Ilka-Maria, fürs Lesen und Kommentieren. Dass "Blut dicker als Wasser" ist, kann man kaum bestreiten, die Wirkung von "Blut" im Sinne verwandtschaftlicher Bande ist wohl sogar übermächtig, ich hörte kürzlich den Satz, Blut sei der Treibstoff der Geschichte...

Ich komme in viele ländlich gelegene Häuser, die oft nur von zwei oder auch einer älteren Person bewohnt werden. Meist sind die Häuser in einem sehr gepflegten Zustand, oft trifft man die Bewohner bei der Rasen-, Beet- oder Heckenpflege an. Auf die Frage nach den Kindern zucken viele mit den Schultern und erzählen, sie wären nach Berlin oder Hamburg oder München gezogen. Ob sie denn zurückkommen wollten? Wieder ein Schulterzucken. Die akribische Ordnung in und um die Häuser herum zeugt aber wohl doch von der Hoffnung der Eltern.

Im Prinzip haben wir es mit den Folgen der nach wie vor vorhandenen Landflucht zu tun: Die Kinder verlassen die ländlichen bzw. stadtfernen Gebiete, die Häuser in diesen Gebieten haben zunehmend weniger Bewohner, der Wert sinkt, die Infrastruktur dieser Gebiete wird reduziert - was den Prozess beschleunigt... Es gibt eigentlich genügend Wohnraum in Deutschland, nur wohl an den falschen Orten... Eine Lösung für diese Entwicklung sehe ich nicht. LG Ottilie
Ottilie ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.05.2023, 08:56   #5
weiblich Ottilie
 
Dabei seit: 05/2021
Beiträge: 341

Standard Nachsatz

Noch ein kleiner Nachsatz: Der Erhalt von Häusern in ländlichen Gebieten ist durch die hohen Energiekosten stärker als bisher gefährdet. Die Bewohner dieser Gebäude sind oft nicht mehr berufstätig und beziehen meist bescheidene Renten. Das Geld fürs Sanieren fehlt, es stellt sich die Frage auch, für wen...
Ottilie ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.05.2023, 09:27   #6
weiblich Ex-LetterLady
abgemeldet
 
Dabei seit: 05/2023
Beiträge: 108

Standard Zwischenruf mit Randbemerkung

Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
.................................................. .......

Ich war mit meiner Mutter selten einig, unsere Beziehung war konfllktreich. Aber eine Mutter ist und bleibt eine Mutter.
" ... eine Mutter ist und bleibt eine Mutter."

Ich liebte meine Mutter nicht. Sie war streng und hatte wenig Mitleid.
Aber als sie alt war, fragte sie mich einmal: Und was hast du mir vorzuwerfen?"
Ich sagte: "Ich habe dir nichts vorzuwerfen."

'Eine Mutter bleibt eine Mutter.'
Ex-LetterLady ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.05.2023, 13:29   #7
weiblich DieSilbermöwe
 
Benutzerbild von DieSilbermöwe
 
Dabei seit: 07/2015
Alter: 60
Beiträge: 6.703

Hallo Ottilie,

dein Gedicht gefällt auch mir ausnehmend gut.
Schön beschrieben, bei manchen mag es so sein.

Ich bin zwar die Alte, die den Rasen mäht, aber ich kann mich mit den Alten im Gedicht nicht identifizieren.

Zitat:
. Es warten die Alten und schweigen und träumen:
Vom Haus voller Enkel, von Spiel und Geschrei.
Um Himmels Willen, das brauch ich wirklich nicht

Als jahrelang Alleinerziehende hatte ich genug Geschrei.

LG DieSilbermöwe
DieSilbermöwe ist gerade online   Mit Zitat antworten
Alt 26.05.2023, 14:17   #8
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
Beiträge: 31.076

Zitat:
Zitat von LetterLady Beitrag anzeigen
Ich liebte meine Mutter nicht. Sie war streng und hatte wenig Mitleid ...[/B]
Die Frage ist, ob eine Notwendigkeit besteht, die Mutter zu lieben. Oft wird behauptet, das sei eine Forderung des mosaischen Dekalogs. Aber das stimmt nicht, im Dekalog steht nämlich nicht, man solle Vater und Mutter lieben, sondern man solle sie ehren. Eltern sind keine Heiligen, und außerdem sind sie von ihrer eigenen Kindheit und Jugend geprägt. Ihr Verhalten mag nicht immer als gut empfunden werden, aber wie alles, was ein Mensch tut, hat es seine Gründe.
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Alt 27.05.2023, 19:36   #9
männlich dunkler Traum
 
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Alter: 60
Beiträge: 1.577

... liest sich gut und gefällt.
Eine von vielen Sichtweisen, die bestimmt auch ihre Berechtigung hat. Hier habe ich bisher keinen Trend zur Landflucht entdeckt, eher das Gegenteil, Großeltern können nämlich auch KiTa Streiks anfedern.

wsT
dT
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Alt 27.05.2023, 20:04   #10
männlich MonoTon
 
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Beiträge: 1.105

Interessant wie unterschiedlich das hier ausfällt...man redet über die Liebe der Mutter bzw der Eltern.
Ich las den Text und bekam vermittelt, dass meine Generation von Umweltbewusstsein und sparen spricht, den Finger dabei auf die Alten richtet und sagt "ihr seid Schuld wie es heute ist" aber eigentlich nichts konkretes Beiträgt.
Die Alten aber tatsächlich diejenigen sind, die noch Werte haben und wirklich zu sparen versuchen. Während die jüngeren Geld ausgeben, dass sie zum Großteil nicht einmal besitzen und über ihrem Standard leben.
Eine Generation der wandelnden Doppelmoral. Leider.

Die Alten sparen aktiv und wirken dabei vergeizt.
Während die Jungen sich passiv aber aggressiv auf Straßen kleben, zu Hause aber nicht einmal ein Kippschalter zum Stromsparen umgelegt wird, weil der Pc nicht herunter fahren darf da man ein Video hochladen muss, das andere zum sparen bewegen soll und mit erhobenem Finger in die Vergangenheit zeigt, was unsere Vorgänger alles falsch gemacht haben sollen.

Ich weiß, dass das Gedicht darauf nicht hinaus wollte, aber gerade der Anfang wirkte auf mich da sehr streng. Der Rest erscheint mir sogar eher unpassend. Wozu sollten Menschen, die derart viel gespart haben und immer noch sparen, plötzlich glauben, dass es ihnen Reich gegeben wird?
Zudem sind die meisten Frauen und Männer nicht an Kind und Ehe interessiert, da ihr Sinn von "sparen" erst einmal "ansammeln" einbezieht.
Und nicht sich mit Nichts, von wenig zu erhalten.
Oft auch, weil ihnen offen vermittelt wurde, wie teuer und kostspielig sie damals waren. Während sie einem "die Haare vom Kopf fraßen".
Irgendwo nimmt immer alles seine Anfänge.

Lg Mono
MonoTon ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.05.2023, 23:00   #11
weiblich Ottilie
 
Dabei seit: 05/2021
Beiträge: 341

Standard Kein Vorwurf...

Die Alten sparen aktiv und wirken dabei vergeizt.

Hallo MonoTon,

die Alten sparen zwar, doch nur indirekt für sich, hoffen sie doch, die Kinder und Enkel kämen wieder zurück in die ländliche Idylle. Das steckt kein Vorwurf drin, es ist lediglich eine Beobachtung: Große, schlecht genutzte Häuser mit hohen Unterhaltungskosten im ländlichen Bereich, bewohnt oft von wenigen oder gar einzelnen alten Personen, die sie unter allen Umständen zu halten versuchen...

Schönen Abend wünscht Ottilie
Ottilie ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.05.2023, 23:21   #12
männlich Georg C. Peter
 
Benutzerbild von Georg C. Peter
 
Dabei seit: 03/2017
Ort: Karlsruhe
Beiträge: 834

Zitat:
Zitat von Ottilie Beitrag anzeigen
Die gingen vor Jahren, verließen das Dörfchen,
Die Eltern, sie ließen sie einsichtig ziehn
Fürs Studium, die Arbeit, wohl auch für die Träume
Zum Ort der Verheißung, zum Beispiel: Berlin.
Liebe Ottilie,

das ist nicht nur prima gereimt:

Du erörterst ein Zeit-Phänomen, ein Generationenkonflikt, eine gesellschaftliche Entwicklung:

Die Alten, die für Ihr Idealbild der Großfamilie sparen,
die Jungen, die ihr eigenes- unabhängiges - Glück im "Kiez" suchen.

Das hast Du wunderbar flapsig und unaufgeregt auf den Punkt gebracht!
Mehr davon!

Viele Grüße von Georg
Georg C. Peter ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 31.05.2023, 21:39   #13
weiblich Ottilie
 
Dabei seit: 05/2021
Beiträge: 341

Standard Der Zerfall der Familie...

Hallo Georg,

ja, genaus so, wie Du es beschreibst, ist es gemeint. Danke fürs Kommentieren und VG, Ottilie
Ottilie ist offline   Mit Zitat antworten
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