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Alt 06.05.2023, 08:56   #1
männlich Cornelius
 
Dabei seit: 05/2023
Ort: Lampertheim
Alter: 49
Beiträge: 394

Standard Coronation Anthem

Beglücktes Albion, an deinen Stränden
die Wellen applaudierend heut sich brechen.
Der Himmel halte gnädig sein Versprechen
und möge dir auch künftig Segen spenden.

Den Königsthron besteigt heut Charles der Dritte.
Er ist vielleicht der Letzte, der dem Staate
Den Treueid schwört im prächtigen Ornate.
Schon herrscht er nicht mehr in Europas Mitte.

Den Wohlstand wird nach Kräften er vermehren.
Was sein Verdienst, wird uns die Zukunft lehren.
Wir wünschen alles Gute dem Monarchen.

Zum Gruße wollen wir ihm freudig winken.
Und mag auch das Imperium versinken -
Ihr Völker dürft getrost nun weiter schnarchen...

Geändert von Cornelius (06.05.2023 um 19:47 Uhr)
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Alt 06.05.2023, 10:21   #2
weiblich Rumpelstilz
gesperrt
 
Dabei seit: 01/2023
Ort: Berlin
Beiträge: 311

Standard Coronation Anthem

Hallo Cornelius,

ein Sonett, Thema: Krönung Charles III.

Zunächst zum Inhalt:
Der Sohn musste ja lange warten, bis seine Mutter das Zeitliche segnete.
Endlich, endlich darf er den Thron besteigen! Ob die Briten genau darauf gewartet haben, darf bezweifelt werden. Charles hat sich bereits vor der Thronbesteigung bei ihnen unmöglich gemacht, weil er sich zum eifrigen Mittäter des Weltwirtschaftsforums gemacht hatte. Und das ist bei den Briten nicht sonderlich beliebt, zumindest nicht bei den ärmeren Schichten der Bevölkerung, die unter den Maßnahmen des WEF besonders stark leiden, während die Wohlhabenden teilhaben an den Pfründen, die Charles einbringt.

Ironisch schreibst du in der Antithese, dass er den Thron sicherlich sehr zieren wird, vorausgesetzt aber, man liest die Ironie mit.

Die Ironie wird weitergeführt in der Synthese. Erst in der Conclusio wird klar, dass der gesamte Text bittere Ironie ist.

Zum Technischen:
Ich halte das erste Quartett inhaltlich im Grunde für überflüssig. Der Einstieg inhaltlich durch die Antithese wäre meiner Ansicht nach eher angebracht als These, einfach eine bedeutende Kundmachung an die Nation: Wir haben einen neuen König. Wir wissen, wie sehr die Briten an ihrer Monarchie hängen, selbst die Ärmsten sind noch stolz darauf, ein Königshaus zu haben, bei allen ökonomischen Verwerfungen und daraus folgenden sozialen Grausamkeiten, und sie wollen wissen, was oben passiert.

In der Antithese müsste dann die Ironie aufgedeckt werden, indem du schreibst, dass Charles III. einer der größten Verderber Britanniens ist, mit ein, zwei Beispielen. Erst dann wäre es eine Antithese. Du aber bleibst in der Ironie, indem du Charles in den Himmel lobst. Das ist ein technischer Fehler.
Liest sich gut als Eloge, aber du schreibst ein Sonett und solltest dich an seine Regeln halten.

Ironisch geht es weiter in der Synthese. Erst in der zweiten Strophe der Synthese wird klar, dass das Vorstehende ja alles gar nicht ernst gemeint ist, du schreibst sogar von einem möglichen Putsch. Und winkst ab: Schnarcht weiter, ihr Völker, ihr wisst nicht, wer Charles III. wirklich ist. Eine Kritik an nicht nur das britische Volk, sondern indirekt auch an den kitschigen Geschichten der Boulevardblätter, die über alles Europas Monarchen in den Himmel heben und damit das Volk einlullen und die wahre Natur des ehemaligen britischen Imperiums, das bei den britischen "Eliten", so hat es den Anschein, noch nicht vergessen ist, verschleiern.

Zum Sprachlichen:
Im ersten Quartett "die Wellen heut sich applaudierend brechen" eine
für mich nicht akzeptable Inversion. Und statt "Europens" im zweiten Quartett würde ich doch eher für "Europas" plädieren, denn Charles ist bei allem monarchischem Dekor einer, der aus dem Heute stammt.

Meiner Einschätzung nach eine kritische Behandlung des Themas, ohne die Dinge deutlich auszusprechen - wäre es nicht als Sonett geschrieben - obwohl natürlich das Sonett die Ironie noch verstärken kann durch den "edlen" Touch. Geschrieben kann es Missverständnisse beim Leser geben, die Ironie wird erst im mündlichen Vortrag deutlich. Das ist die Crux mit der Ironie beim Geschriebenen. So habe ich es mal gelernt, und dies Gedicht ist der Beweis.

Lieben Gruß, Rumpelstilz
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Alt 06.05.2023, 12:31   #3
männlich Cornelius
 
Dabei seit: 05/2023
Ort: Lampertheim
Alter: 49
Beiträge: 394

Hallo Rumpelstilz,

Erstmal Danke für deinen ausführlichen Kommentar.

Ich gebe zu, das Gedicht ist etwas aus der Hüfte geschossen. Gewöhnlich schreibe ich nichts Tagesaktuelles, aber heute war mir einfach danach...

Die Sonettform schien mir auch für eine ironisch gemeinte "Krönungshymne" durchaus angemessen, wobei mir erst nach dem Absenden bewusst wurde, dass es dem Thema entsprechend eigentlich ein "englisches Sonett" sein müsste, mit drei Quartetten und einem abschließenden zweizeiligen "heroic couplet". Sorry, Sir...

Eine inhaltliche Gliederung in These, Antithese und Synthese habe ich zugegeben außer Acht gelassen. Die Form des Sonettes ist hier wirklich nur eine äußere Hülle.

Das erste Quartett ist bewusst in barockisierendem Hofpoeten-Sprachduktus gehalten, als Brücke aus der Historie in die Gegenwart. Es ist mit voller Absicht blumig-nichtssagend und könnte in diesem Wortlaut im Grunde für jeden britischen Monarchen verwendet worden sein.

Die Ironie wollte ich nicht zu scharf herauspräparieren, sondern es dem Leser überlassen, wieviel Kritik er darin entdecken will.

Mit diesen Anmerkungen möchte ich deine wohlfundierte Kritik nicht abschmettern.
Gruß
Cornelius
Cornelius ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.05.2023, 21:50   #4
männlich Heinz
 
Benutzerbild von Heinz
 
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879

Lieber Cornelius,
Sch..., jetzt muss ich meinen Entwurf in die Tonne kloppen. Im Ziehen des Colts, den an Deiner Hüfte baumelt, bist Du einfach schneller gewesen.
Die Form des Sonetts (des englischen) hätte ich auch gewählt, jetzt steige ich auf shakepearsche Blankverse um (wenn es denn solche geben sollte).
Für einen "Schnellschuss" ist Dir ein Gedicht gelungen, das sich deutlich von vielen anderen in seiner Qualität abhebt.
Wem gilt Dein "Sorry, Sir..."?
Ach ja, der Nickname verführt dazu. Rumpelstilz wäre (ich nehme an, sie würde es ablehnen) im Englischen eine "Dame" (weibliches Äquivalent zum Ritter), eine streitbare mit Hang zu Verallgemeinerungen ("Ob die Briten...", Hervorhebung von mir).
So, mal sehen, ob mein Unternehmen noch von den Musen geküsst wird.
Liebe Grüße und "Cheers!" auf den Gesalbten,
Heinz
Heinz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.05.2023, 22:44   #5
männlich Cornelius
 
Dabei seit: 05/2023
Ort: Lampertheim
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Beiträge: 394

@Rumpelstilz: Bitte um Pardon, dass mir versehentlich die falsche Anrede entschlüpft ist...

@Heinz: Bin gespannt auf deinen Beitrag zum Thema.

Hatte meine erste Fassung zwischenzeitlich auch etwas umfrisiert.
Cornelius ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.05.2023, 16:42   #6
weiblich DieSilbermöwe
 
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Beiträge: 6.716

Hallo Cornelius,

endlich ein Gedicht zur Krönung von Charles und ein sehr gelungenes! Ich habe schon darauf gewartet.

LG DieSilbermöwe
DieSilbermöwe ist offline   Mit Zitat antworten
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Stichworte
vereinigtes königreich, zeitgeschichte




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