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Alt 04.03.2023, 16:54   #1
weiblich Ilka-Maria
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Standard Sonja

Das Band an der Kasse ruckelte vorwärts. Frau Trabert, seit Jahren die gute Seele am Scanner, zog die Produkte, die ich ausgewählt hatte, über die Glasscheibe. Als sie mit allem durch war, schaute sie mich mit hochgezogenen Brauen an. "Kein Cognac? Kein Wein?" Ihre Pupillen waren vor Überraschung geweitet, so dass mir ihre hellblauen Augen dunkler als sonst erschienen, fast so intensiv wie das Blau der Adria.

Ich schüttelte den Kopf. "Nix mehr. Hab aufgehört. Aus dem Stand."

"Das freut mich, Herr Sprenger". Sie nannte mir den Betrag und drückte mir, nachdem ich gezahlt hatte, das Wechselgeld und den Bon in die Hand. Keine Zeit für weitere Konversation, denn hinter mir hatte sich eine Schlange gebildet.

Dabei hätte ich ihr gerne über die Ursache meiner Abkehr vom Saufen erzählt: Ich war verliebt. Nach einigen Enttäuschungen, die nicht viel mehr für mich zurückließen, als mich mit dem Alkohol zu verkuppeln, lernte ich ein Mädchen kennen, bezaubernder als alle, wegen derer ich in den Sumpf der Verlassenheit geraten war. "Diese wird mich retten." Davon war ich überzeugt. " Sonja, dieses Mädel ist mein Engel. Von jetzt an wird alles anders."

Wochen gingen ins Land. Wochen der Abstinenz. Ich hielt tapfer durch und war bis in alle Fasern meines Daseins glücklich "Doch wieder Wein?" Frau Trabert traute mir nicht. "Für den Geburtstag meiner Freundin", sagte ich, zahlte und sackte meinen Einkauf nebst den beiden Flaschen Rotwein ein.

Wir hatten Spaß an Sonjas Geburtstag, bestellten Pizza und machten die beiden Flaschen Rotwein platt, hatten tollen Sex miteinander und schliefen umschlungen ein. Aber nachdem Sonja am Morgen zur Arbeit aufgebrochen war, umfing mich Unruhe. Ich brauchte Nachschlag. Liebe und Sex unterliegen Halbwertzeiten – Alkohol potenziert das Verlangen.

Ich vermied den Supermarkt und Frau Trabert, sondern ging eine Ecke weiter zum Getränkemarkt, der um neun Uhr öffnete. Früh genug, um mit einer glaubhaften Entschuldigung bis spätestens um zehn im Büro aufzutauchen. Ich lud Cognac, Wodka und Rotwein in meine Einkaufstasche, als hätte ich eine Menge aufzuholen. Zu Hause nahm ich von jedem ein Glas – ein großes Glas -, fühlte Wärme in meinem Körper und eine ungeheure Euphorie. Zum Teufel mit Sonja! Hier, in diesem Glas, in diesen Flaschen, steckte das Glück!

Sonja! Es war Liebe, sogar große Liebe. So groß, dass ich in sie Hoffnung gelegt hatte, mit ihr ein neues Leben beginnen zu können. Wie trivial das war, wurde mir später klar, als ich die Zumutung erkannte, mit der ich sie belastet hatte. Ich dachte, sie könnte mich retten. Dabei konnte ich mich selbst nicht retten. Aber ich konnte sie retten, indem ich sie rausschmiss. Ich gab ihr einen Tritt, weil sie nicht gehen wollte. Sie konnte es nicht verstehen. Sie wollte nicht begreifen, dass ich sie in einen Abgrund gezogen hätte, wenn ich mich weiter auf sie gestützt hätte. Wir waren so verliebt! Aber gerade deshalb, weil ich Sonja liebte, musste ich sie loslassen. Sonja, die alles an mir entschuldigte, aus blinder, ergebener Liebe!

Es war ein schlimmer Tag, als sie anschrie, sie sei eine Bitch. "Ich habe dich satt. Wann kapierst du endlich, dass du ausgelutscht bist und nichts mehr zu bieten hast. Verpiss dich endlich!" Ich schmiss ihre Klamotten ins Treppenhaus und kickte ihr einen Koffer hinterher, in den sie unter Tränen ihre Habseligkeiten stopfte, ehe sie wie in wilder Flucht damit die Treppen hinuntereilte. Der Hall der zugeschlagenen Haustür, als sie nach draußen lief, echot noch immer in meinem Ohr. Als sie weg war, hätte ich mich am liebsten erhängt. Aber dazu war ich zu feige. Statt desen leerte ich eine Flasche Weinbrand und legte mich betäubt schlafen.

Sonja braucht Zeit, um meine Graumsamkeit zu verstehen, und wie weh ich mir selbst tat, sie loszulassen - sie zu entlassen. Um es als ihre Rettung zu verstehen. So redete ich es mir ein, ohne auf die Idee gekommen zu sein, sie nach ihrer Sichtweise zu befrageen.

Ich hatte alles versucht, um vom Alkohol loszukommen. Aber dann war der Punkt gekommen, dieser unmissverständliche Punkt, der sagte: Vergiss es! Du kommst nicht mehr weg von der Sache. Und als ich verstanden hatte, dass ich mein Leben als Säufer beenden würde, war mir klar: Ohne Sonja, wenn ich sie nicht zugrunde richten wollte.

"Du wirst noch an mich denken!", schrie sie, ehe sie die Treppen hinuntereilte, aber das beeindruckte mich nicht. Ich dachte ja ohnehin an sie, Tag für Tag, Stunde um Stunde und jede Sekunde. Wäre ich das Pendel einer Uhr gewesen, hätte jeder seines Ausschlags "Sonja" gesagt.

Sie war das Beste, was ich im Leben hatte, und ich vermisse sie. Ich hatte Träume, als ich sie kennenlernte: Heiraten. Kinder. Ein Heim. Zusammen alt werden. Ewige Liebe. Beistand am Totenbett.

Es sollte nicht sein. Ich hab's vermasselt. Meine Sucht hat's vermasselt.

"Sie sollten sich mal wieder rasieren", sagte Frau Trabert, als sie meinen Einkauf über den Scanner zog. "Und duschen."

"Für wen?", antworte ich, während ich meinen Einkauf einsackte, der hauptsächlich aus Flüssigem bestand. Ich wusste, dass ich zum Himmel stank, doch es war mir egal.

Sonja war meine letzte Chance gewesen, und die beste Chance die ich hatte. Sie hatte mich nicht nur geliebt, sondern sie war stark gewesen und hätte mich noch lange getragen, und vielleicht hätte sie mir aus meinem Tal herausgeholfen. Wer sonst, wenn nicht sie? Ich hatte ihr viel vorgemacht, aber sie wusste längst, dass ich ein Säufer war. Trotzdem hielt sie zu mir. Warum habe ich ihre Stärke nicht in Anspruch genommen? Warum habe ich sie davongejagt? Um sie zu schützen? Oder habe ich sie unterschätzt? Vielleicht wäre ich mit ihr heute ein andererer Mensch. Statt dessen war ich ein Vollidiot gewesen."

"Fünfunddreißig zweiunddreißig." Ich schreckte aus meinen Gedanken auf. "Wie?"

Frau Trabert wiederholte: "Fünfunddreißig zweiunddreißig." Ich zahlte und trottete mit meinem Einkauf nach Hause. Dort füllte ich mir das Cognacglas randvoll und dachte an Sonja.

"Komisch'", fuhr es mir durch den Kopf. "Fünfunddreißig." So alt war ich Anfang des Jahres, meines Zeichens Steinbock, geworden. Und dann? Ich rechnete die Tage nach. Und war genau fünfunddreißig Jahre und zweiunddreißig Tage alt.
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Alt 04.03.2023, 20:09   #2
Friedrich
 
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Hallo Ilka-Maria,

ich habe Deine Geschichte gerne gelesen und möchte Folgendes dazu anmerken.
Die Geschichte beginnt und endet an demselben Ort: der Kasse eines Supermarktes bei derselben Kassiererin. Beim ersten Lesen dachte ich, der Säufer steht weiterhin am Band und - verzaubert von den adriablauen Augen der Frau Trabert - erinnert er sich an die Liebesgeschichte mit Sonja. Zu diesem Gedanken hat auch geführt, daß der Säufer aus seinen Gedanken aufschreckt, als Frau Trabert ihn noch einmal nach dem Geld fragt. Doch inzwischen muß ja einige Zeit vergangen sein und der Trinker ist zum Supermarkt zurückkehrt. Ein einleitender Satz wie: "Wochen später kehrt der Trinker zum Supermarkt zurück" oder, da es sich ja um einen inneren Monolog handelt: Nun steh ich also wieder hier .. ".

Was mich auch ein bißchen stört. ist der theatralische Rausschmiß des Mädchens. Einerseits hat der Trinker edle Charakterzüge - er will das Mädchen nicht unglücklich machen, es nicht durch seine Sucht belasten, - andererseits führt er sich auf wie der letzte cholerische Prolo. Man hat den Verdacht, hier wurde ein dramatischer Effekt gesucht. Dazu gehört auch, daß ausgerechnet nach dem Geburtstag seiner Geliebten, dem glücklichsten Tag seines Lebens mit der entsprechenden Nacht, er mit dem Saufen wieder anfängt. Ein trockener Alkoholiker weiß, daß er abstinent bleiben muß, ansonsten er die Kurve nicht mehr kriegt. Und daß er ausgerechnet dann wieder anfängt, wenn er den wenigsten Grund dazu hat?

Es ist ja nicht so einfach, sich in die Person eines Säufers hineinzuversetzen, wenn man selber keiner ist. Für mich gilt das gleichermaßen. Doch irgendwie habe ich das Gefühl, daß hier etwas nicht so ganz stimmt.

Trotzdem: Gerne gelesen und Kompliment für Stil und Aufbau

Lieber Gruß

Friedrich
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Alt 04.03.2023, 22:53   #3
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Vielen Dank, Friedrich, für deine Eindrücke. Sicherlich kann ich an der Story nachbessern, und dafür hast du mir wertvolle Anhaltspunkte gegeben. Tatsächlich hatte ich beim Einkopieren von meiner Datei zu Poetry noch Stellen ausgebaut. Andererseits muss ich gegen einige deiner Anmerkungen Einwände erheben: Die meisten Säufer, die von der Sucht weg wollen, werden rückfällig, und der "beste" Moment dafür ist immer, wenn sich so ein Säufer zu sicher fühlt. Er denkt, es geschafft zu haben und normal trinken zu können, wie jeder andere Mensch, und schon hängt er wieder drin, immer mehr zu brauchen. Ich halte es deshalb nicht für dramatisch oder proletenhaft, dass er Sonja auf brutale Art losgeschüttelt hat, sondern für das Aufflammen eines Stücks restlicher Vernunft, bevor das Gehirn völlig vom Alkohol absorbiert wird. Es ist ein Ausdruck stärkster Liebe, die er bei einer anderen Frau vielleicht nicht gezeigt hätte, einer weniger geliebten Frau, die aus der Hölle, die sie erwartete, vielleicht nur schlecht rausgekommen wäre.

Da kann man spekulieren und phantasieren, denn jedes Säuferleben ist anders.
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Alt 04.03.2023, 23:40   #4
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Ich vergess immer Hallo zusagen, sorry
Hallo, guten Abend

Zunächst habe ich eine Frage.
Wäre es möglich ein Farbschema oder eventuell 3 weitere Farben einzuführen, damit man Dinge in Texten hervorheben oder Markieren kann? Es ist hin und wieder schwierig Zusammenhängende Probleme klar darzustellen.
Ich glaube das dies nicht nur mir Sinnvoll erscheinen würde.

Zum Text selber.
Ich bin nicht so ein Kurztext Freund, dennoch hat mich dieser hier angesprochen.
Auch weiß ich nicht ob ich die richtige Person bin daran Kritik zu üben, ich versuche mich daran trotzdem.


Zitat:
Das Band an der Kasse ruckelte vorwärts. Frau Trabert, seit Jahren die gute Seele am Scanner, zog die Produkte, die ich ausgewählt hatte, über die Glasscheibe. Als sie mit allem durch war, schaute sie mich mit hochgezogenen Brauen an. "Kein Cognac? Kein Wein?" Ihre Pupillen waren vor Überraschung geweitet, so dass mir ihre hellblauen Augen dunkler als sonst erschienen, fast so intensiv wie das Blau der Adria.
Ein Alkoholiker würde hier vermutlich aus dem Grübeln nicht heraus kommen und sich denken, was will die Alte und was hat es sie zu interessieren was ich kaufe? Auch würde er sich denken, dass er wohl schon Gesprächsstoff vom halben Dorf ist. Die Andeutung lese ich da heraus und sie kommt gut rüber.

Zitat:
Ich schüttelte den Kopf. "Nix mehr. Hab aufgehört. Aus dem Stand."

"Das freut mich, Herr Sprenger". Sie nannte mir den Betrag und drückte mir, nachdem ich gezahlt hatte, das Wechselgeld und den Bon in die Hand. Keine Zeit für weitere Konversation, denn hinter mir hatte sich eine Schlange gebildet.
Das Lob von ihr ist sehr wohlwollend und klingt ehrlich.
Mein Vater ist trockener Alkoholiker, das dieser Herr Sprenger aber Rückfällig wird und ich vermute das wird er, sehe ich klar vor mir. Ein Alkoholiker wird nicht Grundlos einfach aufhören aus eigenem Willen, oft hören sie erst dann auf, wenn ihnen ein einschneidendes Erlebnis widerfährt, dass sie selbst oder andere gefährdet und es sie Wach rüttelt.
Mein Vater zBsp ist seit über 30 Jahren trocken. Und sein Erlebnis hat mich als Kind in eine Lebensbedrohliche Situation gebracht. Daher sehe ich dass die Entscheidung von Herr Sprenger, keine Entscheidung von Dauer ist, denn ein Alkoholiker ist oft angefangen zu trinken, weil es ihn von Verantwortung frei macht für eine gewisse Dauer und die Gedanken nicht erzwungen fokussiert und ihm dabei hilft Umfeldprobleme auszublenden.

In dem Satz höre ich bereits die Hektik des Alltags heraus mit der sich Herr Sprenger nüchtern konfrontiert fühlt. Keine Zeit für ihn von sich zu erzählen. Es drückt ihn in die Schleife zurück in der er wenig Bedeutung hat für sein Umfeld.

Zitat:
Dabei hätte ich ihr gerne über die Ursache meiner Abkehr vom Saufen erzählt: Ich war verliebt. Nach einigen Enttäuschungen, die nicht mehr zurückließen, als mich mit dem Alkohol zu verkuppeln, lernte ich ein Mädchen kennen, bezaubernder als alle, wegen derer ich in den Sumpf der Verlassenheit geriet. "Diese wird mich retten." Davon war ich überzeugt. " Sonja, dieses Mädel ist mein Engel. Von jetzt an wird alles anders."
- Den einleitenden Satz verstehe ich zwar, aber in seiner letzten hälfte ist ein Wort, dass ich nicht verbinden kann "zurückließen"
Es macht mir im Kontext keinen Sinn. Ist es vielleicht die falsche Wortwahl?
Sollte es eventuell "zuließen" heißen?

Der gute ist vermutlich etwas Naiv, da er in jeder Frau die Frau sieht die ihn auffängt und schon mit der Erwartung rein geht, dass er Enttäuschung erfährt weil er in Voraussicht stellt von genau ihr "gerettet" zu werden. Er macht sich und sein mentales Wohl von ihr Abhängig und findet somit gleichzeitig einen Sündenbock, falls es mal wieder nicht klappt. Einen zukünftig neuen Grund zum Saufen.

Zitat:
Wochen gingen ins Land. Wochen der Abstinenz. Ich hielt tapfer durch und war bis in die Fasern meines Daseins glücklich "Doch wieder Wein?" Frau Trabert traute mir nicht. "Für den Geburtstag meiner Freundin", sagte ich, zahlte und sackte meinen Einkauf nebst den beiden Flaschen Rotwein ein.
Hinterfragt werden ist für jeden Menschen, mit oder ohne Suchtverhalten kein schönes Gefühl, es zeigt ihnen das man ihnen nicht vertraut und wenn es dann noch die Kassiererin ist, die anscheinend sehr speziell schaut was unser Herr Sprenger kauft seitdem er sich ihr anvertraut hat, wirkt es auf ihn vermutlich wie Kontrolle. Auch ist das "Erinnert werden" an den eigenen Alkoholismus oft schon ein Auslöser sich ertappt zu fühlen.

Zitat:
Wir hatten Spaß an Sonjas Geburtstag, bestellten Pizza und machten die beiden Flaschen Rotwein platt, hatten tollen Sex miteinander und schliefen umschlungen ein. Aber nachdem Sonja am Morgen zur Arbeit aufgebrochen war, umfing mich Unruhe. Ich brauchte Nachschlag. Liebe und Sex unterliegen Halbwertzeiten – Alkohol potenziert das Verlangen.
Hier frage ich mich, wenn er doch soviel von seiner neuen "Retterin" hält, wie am Anfang beschrieben, wieso hat er ihr vermutlich nie von seinem Problem erzählt? Sie hätte ihn sicher nicht gezwungen mitzutrinken oder überhaupt zu trinken. Ein Geheimnis über ein Suchtverhalten ist kein guter Start in eine gemeinsame Beziehung. Jetzt ist sie zu seiner Ausflucht geworden und seiner Entschuldigung, wie auch Begründung.
Ich vermute fast die strafenden Blicke und neugierigen Fragen von Frau Trabert an der Kasse gaben ihm Grund genug es ihr nicht zu sagen, weil er angst hatte, das seine "Retterin" in ebenfalls kontrollieren will und ständig in Frage stellen.
Tag ein Tag aus, auch in seiner Abstinenz drehen sich die Gedanken dieses Mannes um den Alkohol und wie andere ihn auf diesen reduzieren.

Zitat:
Ich vermied den Supermarkt und Frau Trabert, sondern ging eine Ecke weiter zum Getränkemarkt, der um neun Uhr öffnete. Früh genug, um mit einer glaubhaften Entschuldigung bis spätestens um zehn im Büro aufzutauchen. Ich lud Cognac, Wodka und Rotwein in meine Einkaufstasche, als hätte ich eine Menge aufzuholen. Zu Hause nahm ich von jedem ein Glas – ein großes Glas -, fühlte Wärme in meinem Körper und eine ungeheure Euphorie. Zum Teufel mit Sonja! Hier, in diesem Glas, in diesen Flaschen, steckte das Glück!
- "sondern" will mir nicht recht als Nebensatzeinleitung gefallen. Per Definition "trennen/abtrennen"
vielleicht wäre "stattdessen ging ich" oder "ging lieber" eine schönere Wahl?

Exakt das, was ich vermutet hatte. Er meidet Frau Tabert und ihren kontrollierenden Blick.
Er erträgt es nicht, von ihr Verurteilt zu werden und erneut reduziert und konfrontiert zu werden.
Unglaubwürdig finde ich den Gedanken, das jemand Alkohol für sofort kauft und dann vor hat zur Arbeit zu gehen, trotz seines immensen Nachholbedarfs. Wozu sollte die Arbeit der Person wichtig sein, wenn er doch saufen kann und den Alkohol über sich selbst stellt? Sich sogar vor neugierigen Kassiererinnen ausweicht nur um nicht Infrage gestellt zu werden?
Cognac, Wodka und Rotwein werden gemischt in je 3 großen Gläsern, eine Wirkung haben.

Mich überrascht eher seine Freude und Euphorie, denn im Normalfall verfallen diese Rückfallstrinker in tiefe Trauer und Selbstzweifel. Sie stellen ihr eigenes Verhalten in Frage, geben und suchen bei anderen die Schuld für ihr erneutes Taub sein.
Es wirkt sehr Grundlos, dass er sagt "Zum Teufel mit Sonja".
Vielmehr würde er sich, aufgrund seiner "Hoffnungen" fragen stellen, wie weshalb sie ihn nicht retten konnte, oder warum sie ihm nicht gibt was er sich erhofft hat.
Das er nicht mit ihr geredet hat, entfällt ihm anscheinend. Sie hatte doch gar keinen Grund einen "Nicht-Alkoholiker" aufzufangen und zu "retten", wie er es nannte.
Abermaliges Selbstverschulden und verdrängen. Ertränken.

Zitat:
Sonja! Es war Liebe, sogar große Liebe. So groß, dass ich in sie Hoffnung gelegt hatte, mit ihr ein neues Leben beginnen zu können. Wie trivial das war, wurde mir später klar, als ich die Zumutung erkannte, mit der ich sie belastet hatte. Ich dachte, sie könnte mich retten. Dabei konnte ich mich selbst nicht retten. Aber ich konnte sie retten, indem ich sie rausschmiss. Ich gab ihr einen Tritt, weil sie nicht gehen wollte. Sie konnte es nicht verstehen. Sie konnte nicht verstehen, dass ich sie in einen Abgrund gezogen hätte, wenn ich mich weiter auf sie gestützt hätte. Wir waren so verliebt! Aber gerade deshalb, weil ich Sonja liebte, musste ich sie loslassen. Sonja, die alles an mir entschuldigte, aus blinder, ergebener Liebe!
Ein bockiges Kind, verletzt und gezeichnet. Ersaufend in Selbstmitleid und sich wundernd das Sonja, wie nicht auch andere Frauen in seinem Leben sofort erkannt haben, was mit ihm Los ist, ohne dass er es ihnen erzählen musste. Sonja ist eben keine Frau Trabert, die ihn schon seit Ewigkeiten kennt. Die er vielleicht schon seit Ewigkeiten sucht?
Er quält sich und andere mit seiner belanglosen Auffassung von "Liebe" und fühlt sich nicht Wert geliebt zu werden, oder fähig Liebe zu geben, obwohl er liebt und sie aus Liebe wegstößt um sie vor sich zu retten und glaubt, sie verletzen zu müssen um sie zu retten.
Der Mann ist so widersprüchlich und Selbstmitleidig, dass es einen schüttelt. Obwohl man viel lieber ihn schütteln wollen würde. Selbsttherapie aus einer Laune heraus "Aus dem Stand" ist nie ein Garant für eine langhaltende Entwöhnung. Er hätte professionelle Hilfe gebraucht, oder zumindest das Gefühl der Gruppenzugehörigkeit mit Gleichgesinnten.


Zitat:
Es war ein schlimmer Tag, als ich sie anschrie, sie sei eine Bitch. "Ich habe dich satt. Wann kapierst du endlich, dass du ausgelutscht bist und nichts mehr zu bieten hast. Verpiss dich endlich!" Ich schmiss ihre Klamotten ins Treppenhaus und kickte ihr einen Koffer hinterher, und sie stopfte ihre Habseligkeiten unter Tränen hinein, ehe sie wie in wilder Flucht damit die Treppen hinuntereilte. Der Hall der Haustür, als sie nach draußen lief, echot noch immer in meinem Ohr. Als sie weg war, hätte ich mich am liebsten erhängt. Aber dazu war ich zu feige. Statt dessen leertee ich eine Flasche Weinbrand und legte mich betäubt schlafen.
- Flüchtigkeitsfehler, erster Satz "als ich sie anschrie"
- letzter Satz "Stattdessen leerte/betäubt"
Ich dachte erst, dass es immersiv wirken sollte und ein "lallen" simulieren, aufgrund seines Alkoholkonsums, aber ich glaube hier war tatsächlich nur Flüchtigkeit am Werk.

Der Satz
"Der Hall der Haustür, als sie nach draußen lief, echot noch immer in meinem Ohr."
Wirkt auf mich zu gewollt Doppelt gemoppelt
Zudem schmiss er sie raus, sie ging nicht Freiwillig, es wirkt aber so geschrieben, als wollte sie so schnell es ginge weg von ihm. Die war aber in Wahrheit vermutlich so geknickt, dass die nicht mal die Kraft hatte zum Türen knallen und einfach nur heulend und fast Blind davon schwankte mit Köfferchen.

Zitat:
Sonja braucht Zeit, um meine Graumsamkeit zu verstehen, und wie weh ich mir selbst tat, sie loszulassen - sie zu entlassen. Um es als ihre Rettung zu verstehen. So redete ich es mir ein, ohne auf die Idee gekommen zu sein, sie nach ihrer Sichtweise zu befrageen.
- "Befragen" ich glaube fast deine Tastatur spinnt etwas, ich kenne das mit den versehentlich doppelten Vokalen. Vielleicht muss mal eine neue Tastatur ran?

Der gute Mann ist ein Egoist vor dem Herren. Ich ich ich. Mein Leiden, meine Situation, mein Schmerz. Und plötzlich ist er der Retter von ihr? Weil er sie vor "sich" gerettet hat. Hofft aber dass sie zu ihm zurück gekrochen kommt weil er ihr Zeit zum "verstehen" geben will.
Wenn sie schlau ist bleibt sie weg, weil er vermutlich nie ehrlich zu ihr war und sein wird.

Zitat:
Ich hatte alles versucht, um vom Alkohol loszukommen mit dem Ergebnis,
Findet der Satz ein Ende?

Zitat:
Aber dann war der Punkt gekommen , dieser dicke, unmissverständliche Punkt, der sagt: Vergiss es! Du kommst nicht mehr raus. Und als ich verstanden hatte, dass ich mein Leben als Säufer beenden würde, war mir klar: Ohne Sonja, wenn ich sie nicht zugrunde richten wollte.
Naja für nen Bumms mit Rotwein an ihrem Geburtstag hats ja gereicht. Da kommt bestimmt bald die nächste "Retterin" wenn man wieder "Ersatz" braucht für die Liebe zum Alkohol.
Vielleicht passt der Schniedel ja in die Rotweinflasche, er hats vermutlich nie probiert.

Zitat:
"Du wirst noch an mich denken!", schrie sie, ehe die Haustür hinter ihr zuschlug, aber das beeindruckte mich nicht. Ich dachte ja ohnehin an sie, Tag für Tag, Stunde um Stunde und jede Sekunde. Wäre ich das Pendel einer Uhr gewesen, hätte jeder seines Ausschlags "Sonja" gesagt.
Ich glaube dir immer noch nicht, dass sie die Kraft und den zwang verspürte die Tür zu zu schlagen. Die sah vermutlich die Tür nicht mal klar vor sich als sie "wie in wilder Flucht" aus dem Haus lief.
Das Verhalten von Sonja kaufe ich dir Tatsächlich nicht ab. Wahrscheinlich war sie aus Unwissenheit derart überrumpelt, dass sie zunächst nicht einmal Worte fand und sich wunderte warum er plötzlich betrunken war. Zudem wird sie sich Schuldgefühle machen, weil sie vermittelt bekommt etwas Falsch gemacht zu haben, ohne zu wissen was. Heulen ja, aber zweifelnd an sich selbst und nachdenkend wo ihr Fehler war.

Zitat:
Sie war das Beste, was ich im Leben hatte, und ich vermisse sie. Ich hatte Träume, als ich sie kennenlernte: Heiraten. Kinder. Ein Heim. Zusammen alt werden. Ewige Liebe. Beistand am Totenbett.

Es sollte nicht sein. Ich hab's vermasselt. Meine Sucht hat's vermasselt.
Oh mein Gott. Ist der Zwölf? Was ist das für ein Tagträumer der eine Sonja kennenlernt und sofort mit ihr Kinder will, sie Heiraten, ein Haus, ewige Liebe, kostenlose Pflegekraft, aber ihr nicht mal vertraut ihn auch im negativen kennenzulernen, damit sie überhaupt einen Grund hat, ihn denn retten zu wollen? Geschweigedenn ihr die Wahl lässt selbst zu entscheiden bei ihm zu bleiben, oder von ihm zu gehen?

Zitat:
"Sie sollten sich mal wieder rasieren", sagte Frau Trabert, als sie meinen Einkauf über den Scanner zog. "Und duschen."

"Für wen?", antworte ich, während ich meinen Einkauf einsackte, der hauptsächlich aus Flüssigem bestand. Ich wusste, dass ich zum Himmel stank, doch es war mir egal.
Der geht mir auf den Keks. Ständig denkt er dass andere ihm sein Leid ansehen müssten.
Sucht der wirklich eine Freundin, oder eine Mutti? Seine Mutter Theresa sozusagen?
Er ist sich bewusst, dass das Problem bei ihm liegt, will sich aber nicht helfen lassen.
Lieber versinkt er im Selbstmitleid.

Zitat:
Sonja war meine letzte Chance gewesen, und die beste Chance die ich hatte. Sie hatte mich nicht nur geliebt, sondern sie war stark gewesen und hätte mich noch lange getragen, und vielleicht hätte sie mir aus meinem Tal herausgeholfen. Wer sonst, wenn nicht sie? Ich hatte ihr viel vorgemacht, aber sie wusste längst, dass ich ein Säufer war. Trotzdem hielt sie zu mir. Warum habe ich ihre Stärke nicht in Anspruch genommen? Warum habe ich sie davongejagt? Um sie zu schützen? Oder habe ich sie unterschätzt? Vielleicht wäre ich mit ihr heute ein andererer Mensch. Statt dessen war ich ein Vollidiot gewesen."
- Fehlen da noch 5 "er" bei anderer? Es wirkt so unvollständig

Die Aussage, "Stattdessen war ich ein Vollidiot gewesen" dürfte gerne in Gegenwartsform stehen, denn er ist ein Vollidiot und würde immer wieder exakt genau so handeln.

Zitat:
"Fünfunddreißig zweiunddreißg." Ich schreckte aus meinen Gedanken auf. "Wie?"

Frau Trabert wiederholte: "Fünfunddreißig zweiunddreißig." Ich zahlte und trottete mit meinem Einkauf nach Hause. Dort füllte ich mir das Cognacglas randvoll und dachte an Sonja.

"Komisch'", fuhr es mir durch den Kopf. "Fünfunddreißig." So alt war ich Anfang des Jahres, meines Zeichens Steinbock, geworden. Und dann? Ich rechnete die Tage nach. Und war genau fünfunddreißig Jahre und zweiunddreißig Tage alt.
Wie Bitte? Wo hat der Mann das Hirn her sowas nachzurechnen, bei den letzten verbleibenden Zellen? Oder hat er sich einen Rechenschieber aus Cognacflaschen zum Zählen gebastelt? Sehr suspekt der Typ.
Kann sonst keinen klaren Gedanken fassen aber Mathegenie.
Glaubt er jetzt das Frau Trabert eine Todesfee ist und ihm in Münzen seinen heutigen Todestag vorausbestimmt hat, oder welche Konsequenz hat das Nachrechnen gerade? Er sprach ja zwischendurch vom Suizid.

Gerne gelesen.
Lg Mono
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Alt 05.03.2023, 17:39   #5
Friedrich
 
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Hallo Ilka-Maria,

also ich nochmal. In meinem letzten Beitrag "Platos Höhlengleichnis - Eine Interpretation" schrieb ich
Zitat:
Interpretieren heißt, die in einem literarischen Werk inhärenten Ideen sichtbar machen.
Inzwischen ist mir eine interpretierende Idee zu Deiner Geschichte eingefallen. Die Tragik eines Trinkers.

Ich erinnere mich an ein Zitat des dänischen Philosophen Kierkegaard, das so (oder so ähnlich) lautet: Von 100 Gerechten werden 99 durch das Weib gerettet.

Der Philosoph wußte von dem segensreichen Einfluß, den Frauen auf Männer ausüben können, obgleich er zeitlebens unverheiratet blieb und seine Verlobte wegen der Philosophie sitzen ließ.

Sonja ist die Frau, die Herrn Sprenger retten könnte, allerdings ist der Teufel Alkohol am Ende stärker und Sprenger geht sehenden Auges in Richtung Hölle.

Die Geschichte beginnt und endet jeweils an einem Scheidepunkt. Anfangs verweist die Richtung nach oben, zum Licht (im Namen Sonja steckt ja auch ein bißchen die Sonne) am Ende nach unten in den Sumpf, in den Verlust der Freiheit, den sozialen Abstieg bis hin zum Sterben im delirium tremens. Es ist irgendwie so, als würde der Engel Sonja und der Teufel Alkohol sich um die Seele Sprengers streiten. Der Engel wird vom Alkoholiker "zum Teufel gejagt", der Teufel Alkohol reibt sich die Hände.

Liest man es so, dann ist auch die Ungereimtheit nicht mehr so wichtig wie die, daß Herr Sprenger allein durch seinen Entschluß von heute auf morgen "trocken" wird, während er, nachdem er mit dem Trinken wieder begonnen hat, sich zu einem solchen Entschluß nicht mehr in der Lage fühlt.

Übrigens habe ich einige Male in meinem Leben in einem Supermarkt eingekauft, doch habe ich dabei einer Kassiererin noch nie so tief in die Augen geschaut, daß ich die Nuance ihrer Augenfarbe (z.B. adriablau) erkannt hätte. Täte ich dies im Beisein meiner Frau, würde sie sich für mich fremdschämen.

Lieber Gruß

Friedrich
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Alt 05.03.2023, 23:03   #6
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
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Liest man es so, dann ist auch die Ungereimtheit nicht mehr so wichtig wie die, daß Herr Sprenger allein durch seinen Entschluß von heute auf morgen "trocken" wird, während er, nachdem er mit dem Trinken wieder begonnen hat, sich zu einem solchen Entschluß nicht mehr in der Lage fühlt.

Übrigens habe ich einige Male in meinem Leben in einem Supermarkt eingekauft, doch habe ich dabei einer Kassiererin noch nie so tief in die Augen geschaut, daß ich die Nuance ihrer Augenfarbe (z.B. adriablau) erkannt hätte. Täte ich dies im Beisein meiner Frau, würde sie sich für mich fremdschämen.
Es gibt zuweilen Menschen, die aus eigenem Entschluss mit der Sucht aufhören. Der Kabarettist Dieter Hildebrandt war so ein Fall. Befragt, wie er das geschafft habe, antwortete er: "Ich habe gemerkt, dass ich vor die Hunde gehe und dann nicht mehr hätte arbeiten können. Ich wollte aber weitermachen."

Der Protagonist meiner Geschichte hat keine Ehefrau und ist außerdem ein guter, sogar mit Namen bekannter Kunde. Wenn man ins Gespräch kommt und sich das sogar wiederholt, ist es eine Sache der Höflichkeit, seinem Gegenüber in die Augen zu schauen.

Zitat:
Von 100 Gerechten werden 99 durch das Weib gerettet.
Das dürfte eine Behauptung sein, die schwer zu beweisen ist. Ich habe noch nie von einem Fall gehört, in dem es der Frau oder Freundin gelungen wäre, einen Säufer zur Abstinenz zu bekehren. Wenn sie Glück hat, schafft sie es, dass er zu den Anonymen oder in eine Klinik geht. Die meisten dieser Kandidaten werden jedoch rückfällig.
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Alt 06.03.2023, 11:26   #7
Friedrich
 
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Hallo Ilka-Maria,

Zitat:
Von 100 Gerechten werden 99 durch das Weib gerettet.
Kierkegaard hat sich dabei nicht auf alkoholkranke Männer bezogen, sondern ganz allgemein auf Männer. Durch den Einfluß einer liebenden Frau legen sie ihren "ästhetischen" zugunsten eines "ethischen" Lebenswandels ab. (vgl. Entweder - Oder). Durch die Frauen bekehren sich Männer zu dieser Lebensweise häufiger als durch einen religiösen Gnadenakt. Bei Herrn Sprenger hätte das ja auch der Fall sein können, nur war der "Teufel" Alkohol stärker und die Chance war vertan.

Im übrigen, und ich bleibe dabei, wenn Du, liebe Ilka-Maria, beim nächsten Einkauf der Kassiererin so in die Augen siehst, daß Du ihre spezifische Farbe erkennen kannst, läufst Du Gefahr, von ihr als lesbisch eingestuft zu werden.

Lb Gruß

Friedrich
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Alt 06.03.2023, 12:15   #8
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Im übrigen, und ich bleibe dabei, wenn Du, liebe Ilka-Maria, beim nächsten Einkauf der Kassiererin so in die Augen siehst, daß Du ihre spezifische Farbe erkennen kannst, läufst Du Gefahr, von ihr als lesbisch eingestuft zu werden.
Das wäre mir völlig egal, denn ich habe keinen Einfluss darauf, wie Leute mich attributieren, die mich nicht in meinem persönlichen Umfeld kennen. Sie denken so oder so, was sie wollen - und selbst die haben Vorurteile über mich. Außerdem ist die Wahrnehmung von Details Sache der Beobachtungsfähigkeit, die schnelles Erkennen von Details ermöglicht. Dieses Talent haben gerade Literaten gut drauf. Ich habe es mir früher oft zum Sport gemacht, Leute in der S-Bahn zu taxieren und dann versucht, mich daran zu erinnern, was ich im Falle einer polizeilichen Befragung über ihre Kleidung und sonstiges Äußere hatte beschreiben können. Das ist ein phantastisches Training, wenn man später in einer Story Personen beschreiben will, und ich kann es nur weiterempfehlen.

Oberflächliche schauende Leute wissen bekanntlich oft nicht, wie die Augenfarbe ihrer Kinder oder des Ehepartners ist, und geraten bei der Frage danach in Verblüffung. Ich kann dir die Augenfarbe meines Sohnes, meines Ex, meiner Eltern und meiner Freundinnen sagen, sogar in Nuancen. Und ich kenne auch die Augenfarbe einer bestimmten Kassiererin im Supermarkt, ganz einfach, weil sie mir durch ihre Arbeitsweise immer wieder auffällt: Sie ist eine "Schlaftablette", die kaum in Bewegung kommt und für die Abnahme der Waren furchtbar lange braucht. Da hat man eine Menge Zeit, bis man selber dran ist, um sie sich genau anzuschauen. Das interessiert dieses roboterhafte Wesen nicht die Bohne.

Weißt du aus dem Stand, also ohne nachzusehen, welche Augenfarbe der Schauspieler Paul Newman hatte? Ich schon.

Übrigens wechselte die Augenfarbe meines Ex, wenn er sich über mich ärgerte, von wasserblau zu dunkelgrau . Solche Beobachtungen sind Fundgruben für die schriftstellerische Arbeit.
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Alt 06.03.2023, 19:37   #9
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Zitat:
. Als sie mit allem durch war, schaute sie mich mit hochgezogenen Brauen an. "Kein Cognac? Kein Wein?
Ich finde es sehr unglaubwürdig, dass eine Kassiererin im Supermarkt so eine Bemerkung äußert. Was Kunden kaufen und warum, hat sie nichts anzugehen.

Als ich ein Kind war, hatten wir selbst einen Laden. Niemand hätte je so etwas an der Kasse gesagt. Und dass es heutzutage Kassiererinnen machen, glaube ich auch nicht.
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Alt 06.03.2023, 20:33   #10
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Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
Als ich ein Kind war, hatten wir selbst einen Laden. Niemand hätte je so etwas an der Kasse gesagt. Und dass es heutzutage Kassiererinnen machen, glaube ich auch nicht.
Das ist ein guter Einwand. Tatsächlich hatte ich bei meinen Gedanken zu der Geschichte im Sinn, die Kassiererin und den Kunden - meinen Protagonisten - Nachbarn sein zu lassen, die sich seit Jahren gut kennen. Ich hatte sogar Passagen im Kopf, dies zu beschreiben, sie dann aber gestrichen. Grund: In Poetry werden Geschichten, wenn sie zu lang sind, nicht gelesen. Offensichtlich war der Verzicht auf dieses Detail ein Fehler.

Okay. Ich sehe, dass sich bei den Reaktionen von euch Lesern der Fokus auf diese Interaktion zwischen Protagonist und Kassierin konzentriert. Dann muss es hier eine Diskrepanz geben, die ich ernst zu nehmen habe. Diese Lücke muss ich füllen und dem Leser plausibel machen.

Ich danke euch für euer hilfreiches Feedack. Toll, dass ihr meine Geschichte gelesen und eure Gedanken zurückgelassen habt.

LG
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Alt 09.03.2023, 21:06   #11
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Stimmt etwas mit meiner Kritik und Eingangsfrage nicht?
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Alt 09.03.2023, 21:12   #12
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Zitat:
Zitat von MonoTon Beitrag anzeigen
Stimmt etwas mit meiner Kritik und Eingangsfrage nicht?
Oops! Dein Beitrag ist von den nachfolgenden Beiträgen zu schnell überrannt worden, lieber MonoTon. Ich lese ihn mir durch - versprochen.

LG
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Alt 10.03.2023, 12:36   #13
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Jetzt zu dir, MonoTon, und zu deinem Beitrag, um mein Versprechen einzulösen.
Mein Vater ist trockener Alkoholiker, das dieser Herr Sprenger aber Rückfällig wird und ich vermute das wird er, sehe ich klar vor mir. Ein Alkoholiker wird nicht Grundlos einfach aufhören aus eigenem Willen, oft hören sie erst dann auf, wenn ihnen ein einschneidendes Erlebnis widerfährt, dass sie selbst oder andere gefährdet und es sie Wach rüttelt.
Darauf bin ich schon weiter unten bei einem Beitrag von Friedrich eingegangen und habe Beispiele genannt, dass es Menschen gibt, die allein aufgrund ihrer Vernunft ihre Gewohnheiten ändern. Man findet sie allerdings häufiger bei ehemaligen Rauschgiftsüchtigen als bei Alkoholikern.
Den einleitenden Satz verstehe ich zwar, aber in seiner letzten hälfte ist ein Wort, dass ich nicht verbinden kann "zurückließen". Es macht mir im Kontext keinen Sinn. Ist es vielleicht die falsche Wortwahl?
Nein, das Wort ist korrekt. Es heißt nichts anderes, als dass von den Enttäuschungen nicht mehr zurückblieb, als sich mit Alkohol zu betäuben. Warum das unverständlich sein soll, erschließt sich mir nicht.
Hier frage ich mich, wenn er doch so viel von seiner neuen "Retterin" hält, wie am Anfang beschrieben, wieso hat er ihr vermutlich nie von seinem Problem erzählt?
Warum sollte ein Mensch zu Beginn einer Beziehung alles von sich preisgeben? Wer einen negativen Lebenslauf hinter sich hat, ginge damit doch nur ein Risiko ein. Außerdem soll es Menschen geben, die sich für ihrer Schwächen schämen und sie lieber verdecken.
Unglaubwürdig finde ich den Gedanken, dass jemand Alkohol für sofort kauft und dann vor hat zur Arbeit zu gehen, trotz seines immensen Nachholbedarfs. Wozu sollte die Arbeit der Person wichtig sein, wenn er doch saufen kann und den Alkohol über sich selbst stellt?
Auch Säufer müssen Geld für ihren Lebensunterhalt verdienen, wenn sie nicht von der Stütze leben wollen. Viele trinken auch während der Arbeit. Sie verwahren die berüchtigten Flaschen im Aktenordner im Regal oder in der untersten Schublade des Schreibtischs. Der Vater meiner Schulfreundin leerte jeden Abend eine Flasche Schnaps und ging Tag für Tag zur Arbeit. Noch nie etwas von Piloten gehört, die ihren Job verloren, weil sie sich besoffen ins Cockpit gesetzt hatten? Oder von Ärzten, die bevorzugt Wodka trinken, weil man bei diesem Gesöff den Alkohol nicht riecht? Keine Kenntnis über ständig besoffene Regierungschefs, von Whisky-Willy bis zu Boris Jelzin? Noch nie darüber gelesen, wie viele Liter Wein der Herr Geheimrat Goethe jeden Tag in sich reinschüttete, dabei sein Amt ausfüllte, Romane und Theaterstücke schrieb, auf der Bühne stand, Gartenlandschaften anlegte, Bilder malte und sich der Farbenlehre widmete? Oder von großartigen Schauspielern wie Mel Gibson, der DUI ("driving under influence") von den Cops erwischt wurde, oder Sam Shepard, der sich im Suff in der Öffentlichkeit die Hosen vollschiss und zum Gespött der Leute machte, die aber trotzdem tolle Arbeit beim Film leisteten?

Außerdem hat Alkohol eine beruhigende Wirkung, die ein Arbeiten erst ermöglicht. Wenn das Delirium einsetzt und der Säufer aufgrund der Entzugserscheinungen zu zittern anfängt und in Panik gerät, kann er nicht arbeiten.

Ich lasse es mal bei dieser Stellungnahme zu deinen Anmerkungen. Die Flüchtigkeits- und Kopierfehler muss ich mir nochmal anschauen und ggf. in meiner Originaldatei korrigieren.

LG
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Alt 10.03.2023, 14:12   #14
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Zitat:
Außerdem hat Alkohol eine beruhigende Wirkung, die ein Arbeiten erst ermöglicht. Wenn das Delirium einsetzt und der Säufer aufgrund der Entzugserscheinungen zu zittern anfängt und in Panik gerät, kann er nicht arbeiten.
Du sprichst von einem Pegeltrinker. um zu Funktionieren.
Dein Text handelt aber von einem Mann, der trinkt um Grundlos seine Freundin anzublaffen. Das ist weit ab von "einpegeln"
Das nennt sich destruktive Selbstgeißelung. Er säuft um sich zu malträtieren, weil er es vermutlich nicht anders kennt und das Gefühl ihm Vertraut ist.
Sein empfinden von "Das habe ich verdient."
Darum braucht dieser Mann Hilfe und keinen Selbstentzug.
Mir fehlt das Happy End, aber vermutlich will er gar keines.
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