Andere Perspektive

[Cornelius]

Hier bin ich, doch es zieht mich fort
mit Macht an einen andern Ort.
Nicht dass es "Hier" mir ganz missfiele -
doch liegen "Dort" auch schöne Ziele.

Kaum bin ich da, wird mir bewusst
zu meinem nicht geringen Frust:
Sollt' jemand jetzt "Wo bist du?" fragen,
müsst' wieder "Ich bin hier" ich sagen.

Wohin auch immer ich mich wende,
es nimmt doch stets dasselbe Ende:
An jedem noch so fernen Ort
bin ich nur "hier" und niemals "dort".

Sollt ich am einen Ufer stehn,
so muss ich auf das andre sehn.
Hier hab ich meine eignen Hühner,
doch drüben ist das Gras viel grüner.

Es wandelt mich Verzweiflung an,
dass dies nie anders werden kann,
bis dann am Tag des Weltgerichts
mein Hier-Sein endigt sich im Nichts.

Wenn "Hier" und "Dort" erst sind verschwunden,
dann hab Erlösung ich gefunden.
Bis dahin kann nur in Gedanken
mal zwischen Hier und Dort ich schwanken.

Bevor ich jetzt noch ganz verzweifel,
fahr ich auf Urlaub in die Eifel.
Zurück zu Haus mein Nachbar fragt:
"Wie hats dir dort denn zugesagt,

wo du am Wochenend gewohnt?"
Wie fühle ich mich da belohnt:
Ich bin tatsächlich "dort" gewesen
und fühle mich schon fast genesen.

Ich gehe in mein Haus hinein
und freu mich endlich, "hier" zu sein.

[DieSilbermöwe]

Hallo Cornelius,

ein hübsches Gedicht über das stete Ärgernis des Menschen, (fast) nie zufrieden zu sein und immer ein Manko zu finden.
Und dann doch - ein erlösender Schluss!

Gerne gelesen.

LG DieSilbermöwe