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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 10.05.2023, 22:39   #1
weiblich Ottilie
 
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Standard Ich bin ein Geist…

Ein Geist, ein Geist – ein kleiner Geist,
einer, der ständig Reime scheißt
bin ich, o Freunde, schaut mich an:
hier kote ich, weil ich nicht kann

an einem Wort vorüber gehn:
Ich muss sofort nach jenem sehn,
das ersterem ganz ähnlich klingt:
Ein Reimpaar ist’s, das mich beschwingt!

Ich leide, Freunde, schweren Schmerz,
es blutet innerlich mein Herz,
ich reiß‘ mir aus – ums Haar – ein Bein,
bleibt mal ein Wort für sich allein.

Ich nehme jedes Buch zur Hand
und lese jede Zeitung aus,
ich suche gar im ganzen Land,
in jedem Stall, in jedem Haus.

Ich weiß genau, es gibt, o Mensch
– und sei es auf der fernsten Ranch –
ein Wort, das mit sich paaren lässt
ein andres. Daran glaub ich fest.

Mit jedem Wort bin ich auf Du,
ich paare sie ja immerzu!
Und will mal eins nicht passend enden,
so muss ich wohl Gewalt anwenden.

Dann biege, zerre, dehne ich
das Wörtchen äußerst fürchterlich.
Es weiß der wahre Wörterknecht:
Nur was sich reimt, ist wahr und echt.

Ich fresse Worte ganz enorm
und bringe sie in mir in Form,
scheide sie aus als Reimprodukt
und hoff‘, dass ihr die Scheiße schluckt.
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Alt 11.05.2023, 08:52   #2
männlich dr.Frankenstein
 
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Ort: Zwischen den Ostseewellen ertrunken
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Sehr gut
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Alt 11.05.2023, 10:24   #3
weiblich Ilka-Maria
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Na ja ..., Ottilie, ich habe von dir schon Besseres gelesen. Vulgärsprache zu Beginn und bei acht Strophen sieben Verse, die mit "ich" beginnen, außerdem das Anklingen eines pathologischen Selbstmitleids des offensichtlich getriebenen LI ... das empfinde ich als nervig. Abgesehen davon, dass man sicherlich mit weniger Strophen auskäme, um das Nagen am Bleistift und die verzweifelte Suche nach dem richtigen Wort auszudrücken, hätte das LI ja mal eines der vielen Reimlexika im Internet konsultieren können. Wenn sich dort nichts findet, muss das Dichterlein eben doch mal den Kopf anstrengen und einen Vers anders formulieren als zuerst beabsichtigt.

Kurz: Das Gejammer in diesem Text fällt für mich unter "hausgemachte Probleme".

Sorry, gefällt mir nicht.

LG
Ilka
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Alt 11.05.2023, 21:02   #4
weiblich Ottilie
 
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Standard ...gefällt nicht besonders...

Hallo Ilka-Maria,

na ja, mir gefällt das Gedicht auch nicht besonders, einerseits. Der Ton ist wirklich vulgär... Andererseits - finden es offenbar nicht alle Leser ganz daneben.

Das "pathologische Selbstmitleid" könnte ja auch Mitleid mit den "Reimgetriebenen" sein, ich zähle mich nur bedingt dazu, da ich überwiegend Prosa und Fachtexte schreibe. Anlass für den Text war die Frage: Was treibt Menschen oft so vehement, Aussagen in Reime zu verpacken? Ist der Reim ein Mittel, die Glaubwürdigkeit der Behauptungen, Vermutungen und Annahmen zu erhöhen? Lassen sich damit Leser besser manipulieren? Suggerieren Reime gottgegebene Wahrheiten? Ich rätsele eigentlich immer noch...

LG Ottilie
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Alt 11.05.2023, 21:03   #5
weiblich Ottilie
 
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Beiträge: 341

Standard Sehr gut...

Lieber Dr. Frankenstein,

Dein "Sehr gut"
macht mir Mut.

LG Ottilie
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Alt 11.05.2023, 21:15   #6
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Ottilie Beitrag anzeigen
Lassen sich damit Leser besser manipulieren? Suggerieren Reime gottgegebene Wahrheiten? Ich rätsele eigentlich immer noch...
Wohl nicht, Ottilie. Die Lyrik kommt von "Lyra" und wurde früher musikalisch vorgetragen. Es ist der Rhythmus, der zu allerlei Reimschemata geführt hat, die nicht unbedingt immer Endreime gehabt haben müssen. Es gibt ja auch die Stab-, Schlag- und Binnenreime und noch einige andere.

Die Neigung zum Reimen scheint dem Menschen angeboren zu sein, denn schon kleine Kinder lieben Reime. Außerdem waren sie ein nützliches Mittel, sich Nachrichten zu merken und weiterzugeben, denn der Mensch kann sich gereimte Texte besser merken als ungereimte. Das war früher wichtig, als noch nicht viele Leute schreiben und lesen konnten und auf ihr Gedächtnis angewiesen waren.

LG
Ilka
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Alt 14.05.2023, 09:52   #7
weiblich Ex-LetterLady
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Sehr gut -, Ottilie.
Macht Freude - zu lesen.
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Alt 14.05.2023, 14:30   #8
weiblich Ottilie
 
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Ein Wort zum Vorwurf der Vulgarität: Ohne Vulgärsprache gibt es keine "Hochsprache", das ist einfachste Dialektik...

Ich denke, dass der Text nicht vulgäg, sondern - hoffentlich - ein bisschen punkiger ist als das meiste hier... (Bin halt ne Punk-Oma!).
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Alt 14.05.2023, 17:55   #9
weiblich Ilka-Maria
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Ort: Arrival City
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Zitat:
Zitat von Ottilie Beitrag anzeigen
Ein Wort zum Vorwurf der Vulgarität: Ohne Vulgärsprache gibt es keine "Hochsprache", das ist einfachste Dialektik...
Was hat das mit mit dem philosophisch-rhetorischen Begriff der "Dialektik" zu tun? Der Begriff hat nichts mit "Dialekt" zu tun, falls du davon ausgegangen sein solltest. Außerdem ist ein Dialekt nicht per se auch Vulgärsprache.

Ferner ist Hochsprache - besser: Standardsprache - nicht das Gegenstück zur Vulgärsprache, ihre Existenz ist auch nicht von Vulgärsprache abhängig.

Es geht schlicht und einfach um angemessenen Stil. Wenn schon vulgär, sollte das Gedicht insgesamt in einem dazu passenden Jargon abgefasst sein. Auf den Leser wirkt die plötzliche Respektlosigkeit, mit der er im letzten Vers unerwartet in der Fäkalsprache direkt angesprochen wird, brüskiert. Wer lässt gerne von sich denken, dass er bereit sei, "Scheiße zu fressen"?
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Alt 14.05.2023, 19:51   #10
männlich Nöck
 
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Hallo Ottilie,

die Idee finde ich gut, aber dein Gedicht ist eindeutig zu lang geraten.

LG Nöck
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Alt 14.05.2023, 22:03   #11
weiblich Ottilie
 
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Hallo Ilka-Maria,

wie kommst Du bloß auf "Dialekte"? Unter Dialektik ist in der Regel die Einheit von Gegensätzen verstanden worden, ich glaube, daran hat sich seit Marx und Hegel nicht viel geändert. Wiki schreibt:

Seit dem 18. Jahrhundert setzte sich eine weitere Verwendung des Worts durch: Die Lehre von den Gegensätzen in den Dingen und Begriffen[1] sowie die Auffindung und Aufhebung dieser Gegensätze. Rein schematisch kann Dialektik in diesem neueren Sinn vereinfachend als Diskurs beschrieben werden, in dem einer These als bestehende Auffassung oder Überlieferung ein Aufzeigen von Problemen und Widersprüchen als Antithese gegenübergestellt wird, woraus sich eine Lösung oder ein neues Verständnis als Synthese ergibt.

Bespiele: Leben und Tod, Himmel und Hölle, Hoch- und Vulgärspräche...

Angemessen ist ein Stil nie für alle. Damit sollte jeder leben lernen, der meint, er habe einen Stil. Ich habe allerdings keinen, weil ich auf keinen angewiesen bin...
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Alt 14.05.2023, 22:05   #12
weiblich Ottilie
 
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Standard Die Länge...

Hallo Nöck, zu lang? Was sind meine dürftigen Zeilen - unter dem Aspekt der Zeilenzahl betrachtet - gegen einen Osterspaziergang, z.B.? Nee, ich kann Dir da nicht folgen...

Schön-kurzen Abend wünscht Ottilie
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Alt 14.05.2023, 22:28   #13
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Ottilie Beitrag anzeigen
Unter Dialektik ist in der Regel die Einheit von Gegensätzen verstanden worden, ich glaube, daran hat sich seit Marx und Hegel nicht viel geändert...
Weiß ich selber, ich befasse mich ständig mit Philosophie. Deswegen schrieb ich ja "philosophisch-rhetorischer Begriff". Ich habe bloß nicht verstanden, was "Hochsprache" und "Vulgärsprache" mit Dialektik zu tun haben sollen. In welchem Zusammenhang hast du das gemeint? Ich konnte damit überhaupt nichts anfangen. Dafür wäre eine Erklärung hilfreich gewesen. Dein Wikipedia-Zitat hilft indessen gar nicht weiter.

Deswegen war ich mir nicht sicher, ob du hier etwas verwechselt hattest. Habe ich nämlich schon erlebt - nicht bei dir, aber bei anderen Leuten.
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Alt 15.05.2023, 21:51   #14
weiblich Ottilie
 
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Standard Dialektik, Fäkalsprache...

Hallo Ilka, ich versuchs nochmal: Kann es eine "Hochsprache" oder, von mir aus, einen "hohen Stil" geben ohne das Gegenteil? Ich sehe da eine zwangsläufige Bedingung bzw. unauflösbare Bindung. So wie bei Gegensatzpaaren wie z.B. "Leben und Tod", "Anfang und Ende", "Stillstand und Bewegung", "Fortschritt und Stagnation" usw. Wir hatten im Osten leider eine intensive Beschulung mit "dialektischen Fragen" zu erdulden, vielleicht habe ich daher auch einen anderen Zugang zum Thema (der Zugang muss nicht der richtige und einzige sein).

Folgendem Satz von Dir kann ich leider auch nicht ganz folgen:

Wer lässt gerne von sich denken, dass er bereit sei, "Scheiße zu fressen"?

Der Satz "und hoff‘, dass ihr die Scheiße schluckt" ist gewiss nicht wörtlich zu nehmen. Wenn ja, dann müsste man auch annehmen, dass ein Saal, der applaudiert, eigene Hände hat...

Zur "Fäkalsprache" fällt mir übrigens noch eine kleine Anekdote ein. Ich hatte das Glück, vor wenigen Tagen mal wieder Hans-Eckardt Wenzel im Konzert erleben zu dürfen. Ich halte ihn für einen genialen Textdichter und Lyriker. Er sprach u.A. von Geschenken. Ein Lied sei ein Geschenk, das nicht viel koste, sagte er. Man nehme, erklärte er, einen Zettel, einen Stift, zwei Minuten und - "fertig ist die Scheiße". Hört man Solches, fällt es schwer zu glauben, dass er eine große Zahl beeindruckender Lieder und Texte verfasst hat. Aber - er hat...
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Alt 15.05.2023, 22:29   #15
weiblich Ilka-Maria
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Wir reden aneinander vorbei, Ottilie.

Ich hatte klar argumentiert, dass es mir nicht darum geht, ob jemand in Vulgärsprache schreibt oder nicht, sondern dass es um Stil geht: Entweder mein literarisches Ich kommt aus der Gosse, dann sollte der Text dies ausdrücken und Gossensprache wäre okay. Gehört mein literarisches Ich jedoch zur bürgerlichen Welt, ist Standardsprache angemessen.

Der letzte Vers deines Gedichtes ist deshalb in meinen Augen ein Stilbruch. Wenn du es anders siehst, ist das aber für mich aber auch kein Problem. Der Verfasser entscheidet, wie er seinen Text für gut befindet.

Mit dem Begriff der Dialektik hat das alles nichts zu tun. Weshalb du ihn ins Spiel gebracht hast, ist immer noch dein Geheimnis. Da du es nicht aufdecken konntest, hake ich das mal als nicht ernst zu nehmen ab.
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Alt 16.05.2023, 11:28   #16
männlich Erhard Gratz
 
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Ich kann Ottilies Standpunkt auch nicht ganz folgen. Seit Hegel wird Dialektik als mögliche Lösung von Widersprüchlichem durch die Synthese verstanden und dann im praktizierten Marxismus als plattes Dogma verkündet. Bei vielen Widersprüchlichkeiten ist eine Synthese, hergeleitet aus These und Antithese, schon gar nicht möglich.
Eine ganz andere Sache sind logische Gegensätze, die einander ausschließen: Tot und lebendig, Sein und Nichtsein, wahr und unwahr.

Beides, Dialektik und Logik, trägt aber nicht dazu bei, Ottilies Gedicht zu bewerten. Fäkalsprache und Standardsprache sind weder dialektische Widersprüche noch logische Komponenten. Hier geht es um Nuancen und Schicklichkeiten. Die erste und die letzte Strophe sind vulgär, der Rest ist Standardsprache, und das verträgt sich irgendwie nicht. Hier wird doch lediglich der Reimzwang des LI beschrieben.
Ich hätte in der letzten Zeile des Gedichts statt "die Scheiße" auch eher "das Machwerk" oder "den Brei dann" gewählt.

Erhard
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