Lebenslauf einer Fichte

[Cornelius]

Ein Fichtenzapfen liegt im Forst
nicht weit von einem Falkenhorst.
Ein Samen aus dem Boden sprießt,
der Frühlingsregen ihn begießt.

Der Keimling wächst nun und gedeiht
und wird zum Baume mit der Zeit.
Im Stamm zu lautem Trommeltakt
ein Specht sich eine Höhle hackt.

So manches frisch verliebte Pärchen
sich fühlt im Walde wie im Märchen,
wenn's so im Grünen Küsse tauscht,
gebannt des Spechtes Trommeln lauscht.

Beliebt ist dieses Waldrevier
als Tummelplatz bei Mensch und Tier.
Auf seinen dämmergrünen Pfaden
trainiert ein jeder gern die Waden.

Ein Knabe zieht bei einem Bummel
an einem Zigarettenstummel.
Der Stummel einen Brand entfacht.
Es knistert, prasselt, knackt und kracht.

Dann ist der halbe Wald verkohlt.
Dem Knaben wird der Arsch versohlt.
Man steckt ihn ins Erziehungsheim
bei Fencheltee und Haferschleim.

Erwachsen und zum Mann gereift
das Försterhandwerk er ergreift,
und sollt' der alte Förster sterben,
so wird die Försterei er erben.

Die Fichte hat schon viel gesehn,
was in dem Forste ist geschehn.
Als Schössling hat man sie umhegt,
nun wird sie Stück für Stück zersägt.

Im Forsthaus schmückt bei Kerzenschimmer
ein Fichtenschrank das Herrenzimmer.
Es steht dort, importiert aus Schweden,
versilbert mit Lamettafäden,

im Ständer eine junge Fichte.
Darunter sitzt des Försters Nichte.
Sie nascht an einem süßen Krapfen
und spielt mit einem Fichtenzapfen.