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Lebensalltag, Natur und Universum Gedichte über den Lebensalltag, Universum, Pflanzen, Tiere und Jahreszeiten.

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Alt 16.10.2022, 03:41   #1
weiblich Ilka-Maria
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Standard Melancholie

Die Stunde sechs schlägt im Stockdunkel,
der Himmelsvorhang will nicht reißen,
zur Erde dringt kein Sterngefunkel,
und nicht ein Vogel trällert Weisen,
der Welt den neuen Tag zu süßen
und ihn mit Frohsinn zu begrüßen.

Der Schlaf steckt schwer in allen Gliedern
von Mensch und Tier, seit der November
von Schwermut singt in seinen Liedern,
für ihn gedichtet vom September,
derweil sie des Oktobers lachten
und dessen Gold zu Staube machten.

Wohl dem, der Fett sich angefressen,
den Bärenreichtum karger Zeiten,
in denen Träume länger messen
und Seelen sich mit Flügeln weiten,
um bis zum Frühjahr durchzuhalten,
wenn Vögel jung des Amtes walten,

der Welt den neuen Tag zu süßen
und ihn mit Frohsinn zu begrüßen.

16.10.2022
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Alt 16.10.2022, 11:28   #2
männlich Heinz
 
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Liebe Ilka-Maria,
ich habe meine Probleme mit Gedichten deren Titel (Melancholie) mich normalerweise davon abhält weiter zu lesen. Doch hier hat es sich gelohnt, weil bei allem Trübsinn die lebenserhaltende Gewissheit, dass im Lenz die Winterlinge, Schneeglöckchen und Veilchen wieder blühen und die Vögel das Singen nicht verlernt haben, den Schlusspunkt unter deine Verse bilden.
Mir ist, als ob der Herbst den Pegasus für dich beflügelt und durch raschelnde Laub galoppieren lässt.
Liebe Grüße,
Heinz
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Alt 17.10.2022, 09:26   #3
männlich Nöck
 
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Hallo Ilka,

Zitat:
Die Stunde sechs schlägt im Stockdunkel,
der Himmelsvorhang will nicht reißen,
zur Erde dringt kein Sterngefunkel,
und nicht ein Vogel trällert Weisen,
der Welt den neuen Tag zu süßen
und ihn mit Frohsinn zu begrüßen.
"reißen" und "Weisen"? Das ist doch nicht dein Stil. Geht es nicht auch so oder so ähnlich?

Die Stunde sechs schlägt im Stockdunkel,
der Himmelsvorhang fällt nicht nieder,
zur Erde dringt kein Sterngefunkel,
und nicht ein Vogel trällert Lieder,
der Welt den neuen Tag zu süßen
und ihn mit Frohsinn zu begrüßen.

Ist das metrisch in Ordnung oder betone ich falsch?

Zitat:
Die Stunde sechs schlägt im Stockdunkel,
der Himmelsvorhang will nicht reißen,
zur Erde dringt kein Sterngefunkel,
LG Nöck
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Alt 17.10.2022, 09:48   #4
weiblich Ilka-Maria
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Guten Morgen und danke euch beiden für das Feedback.

Von einem Reim wie "nieder/Lieder" möchte ich aber lieber absehen, solange es kräftigere Wörter für stärkere Bilder gibt.

LG
Ilka
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Alt 17.10.2022, 11:23   #5
männlich Nöck
 
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria
Von einem Reim wie "nieder/Lieder" möchte ich aber lieber absehen
Dann lieber "reißen/Weisen"?

LG Nöck
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Alt 17.10.2022, 14:06   #6
weiblich Ilka-Maria
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Lieber Nöck,

ich weiß, dass du es gutmeinst, aber für mich ergibt ein Himmelsvorhang, der niederfällt, keinen Sinn. Man sagt, dass der Himmel aufreißt, so dass die Strahlen der Sonne hindurchgelangen können. "Himmelsvorhang" (alternativ "Himmelsdecke") ist nichts weiter als ein Synonym für den wolkenbedeckten Himmel.

Nur in einem gallischen Dorf in der Bretagne gibt es einige Figuren, die hoffen, dass ihnen niemals der Himmel auf den Kopf fallen wird. Dies lyrisch zu verarbeiten ergäbe aber ein völlig anderes Gedicht.

Allenfalls hätte man die Nebeldecke nehmen können, denn Nebel fällt tatsächlich nieder.

Ich habe jedoch kein Problem damit, auf einen überbordenden Perfektionismus zugunsten stimmiger Bilder zu verzichten und zwei Wörter mit jeweils stimmhaftem und stimmlosem "s"/"ß" zu reimen. Für dich mag das nicht akzeptabel sein, was ich zur Kenntnis genommen und hiermit bereitwillig diskutiert habe. Auch wenn ich Verständnis für deine Position habe, kann ich darüber hinaus leider nichts weiter für dich tun, weil mir dein Lösungsvorschlag trotz des perfekteren Reims nicht poetisch genug klingt, um eine Änderung des Verses in diesem Sinne zu rechtfertigen.

LG
Ilka
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Alt 17.10.2022, 17:26   #7
männlich MonoTon
 
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Beiträge: 1.107

Was mir etwas sauer aufstößt, ist die Reimformulierung
Stockdunkel/Sterngefunkel
daraus hätte ich
Stockdunkeln/Sternenfunkeln gemacht
aber das hat eher was mit der eigenen sprachlichen Vorliebe zu tun und die "n's" an den Reimenden wären ein neues Problem.
Somit ist der Ausgangs-Wortlaut wohl das kleinere Übel.

reißen - weisen tut mir aber in den Ohren weh. scharf gegen weich und dann folgen wieder 2 scharfe im Paarreim.

Ich mag wie die Betonung durch die Alternation so etwas wie einen Versatz findet, man wird fehlgeleitet im ersten Betonen.

Die Stunde sechs schlägt im Stockdunkel,
der Himmelsvorhang will nicht reißen,
zur Erde dringt kein Sterngefunkel,
und nicht ein Vogel trällert Weisen,
der Welt den neuen Tag zu süßen
und ihn mit Frohsinn zu begrüßen.

Man könnte meinen, dass es sich teils um Spondäen handelt, (Stockdunkel/sechs-schlägt) aber eigentlich muss man nur das Gewohnheitsmetrum der Zeilen 3 bis 6 betrachten um zu erkennen, dass es sich wie ein Korsett auch über die ersten Worte legt.
Was ich bei "sechs schlägt" erst als spondäus sah, wurde zur Zäsur.
Zudem haben Einsilber, insofern sie keine Eigennahmen oder Stammsilben sind, die Gewohnheit sich deklinieren zu lassen, weswegen sie sich dem Metrum unterordnen.

Zuerst dachte ich, es wäre eine Sestine, aber ich fand kein Aufgreifen des Gesamtthemas in den beiden Schlusszeilen, es wiederholt nur die Endreime der ersten Strophe.
Aber das Reimschema erinnert an eine Vilanelle (abababcc) nur, dass es bei dir um 2 Zeilen verkürzt ist (ababcc)
Ich kann es nicht zuordnen, aber es gefällt mir.
Lg Mono
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Alt 17.10.2022, 18:38   #8
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von MonoTon Beitrag anzeigen
Stockdunkel/Sterngefunkel
daraus hätte ich
Stockdunkeln/Sternenfunkeln gemacht
aber das hat eher was mit der eigenen sprachlichen Vorliebe zu tun und die "n's" an den Reimenden wären ein neues Problem.
Du hast den Finger in die Wunde gelegt. Tatsächlich hatte ich überlegt, "Sternenfunkeln" zu schreiben, aber da war - wie du ebenfalls anmerkst - das "n" am Ende zu viel. Weil ich im Duden festgestellt hatte, dass "Gefunkel" ein geltendes Substantiv ist, habe ich mich dafür entschieden. Aber ich gebe zu: Es klingt saublöd.

Auf die einfachste Lösung, nämlich statt "im Stockdunkel" zu schreiben: "im Stockdunkeln", war ich nicht gekommen, obwohl das genauso gut gegangen wäre. Da hatte ich wohl das berüchtigte Brett vor dem Kopf. Aber man kann ja nicht jeden Tag genial sein . Und deshalb danke, dass du mir auf die Sprünge geholfen hast.

Also hier die editierte Fassung:

Melancholie

Die Stunde sechs schlägt im Stockdunkeln,
der Himmelsvorhang will nicht reißen,
zur Erde dringt kein Sternenfunkeln,
und nicht ein Vogel trällert Weisen,
der Welt den neuen Tag zu süßen
und ihn mit Frohsinn zu begrüßen.

Der Schlaf steckt schwer in allen Gliedern
von Mensch und Tier, seit der November
von Schwermut singt in seinen Liedern,
für ihn gedichtet vom September,
derweil sie des Oktobers lachten
und dessen Gold zu Staube machten.

Wohl dem, der Fett sich angefressen,
den Bärenreichtum karger Zeiten,
in denen Träume länger messen
und Seelen sich mit Flügeln weiten,
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der Welt den neuen Tag zu süßen
und ihn mit Frohsinn zu begrüßen.
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