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Schreibwerkstatt / Hilfe Gedichte und diverse Texte, an denen noch gefeilt werden muss.

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Alt 29.03.2022, 17:26   #1
männlich Flocke
 
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Standard Warum pinselst du deine Wände grau?

Hallo Mitreisende!

in dem Thread: „Kampf dem Schweinehund“ von Ilka-Maria fragten Anaximandala und Pennywise heute nach Informationen und Tipps, wie reimlose Gedichte und freie Rhythmen gelingen könnten.
Ilka-Maria wies schon darauf hin, dass es recht schwer sei, dergestalt zu dichten.
Zur diesem Thema hier eine kleine Spielerei um Rhythmus, Reim und freie Rhythmen:


Warum pinselst du deine Wände grau?

Die Welt ist Licht und Schatten, also grau.
Mit etwas Glück erscheint sie manchmal bunt.
Wenn ich nun das Böse bis zu seinem Grund verfolge
und erfahre, wie genau der Hass,
die Niedertracht uns unbewusst zerstört,
wie das Gemeine in uns lacht und
was der falsche Stolz mit Menschen macht -
dann mag ich nach dem ersten Schreck und Frust
mit Staunen sehen:
selbst dort erstrahlt das Licht, das meine Seele in sich trägt.
Wie wahr, der Schatten wird gebannt, die Sicht bleibt klar.
Mein böses Tun liegt bloß.
Es gründet nicht auf Höllenglut allein,
es ist dem Himmel nah. Denn Gleichgewicht und Stille sind ein Paar!


Wird diese kleine philosophische Betrachtung mittels poetischer Elemente etwas aufgepeppt?
Beim Lesen wird schnell deutlich, dass der Text von einem gleichbleibenden Rhythmus getragen wird:
Die WELT ist LICHT und SCHATten, ALso Grau.

Betonte und unbetonte Silben wechseln regelmäßig, es findet sich durchgängig ein iambischer Versfuß.
Der Text funktioniert also nicht mit freien Rhythmen. Aber Ist er denn reimlos?
Einzelne Reime fallen vielleicht auf wie: „in uns lacht“ – „Menschen macht
Aber ist es nicht so, dass der Text reimlos ist, ein reimloses Gedicht?

Die Antwort ist NEIN!.

Der Text hat sogar die Sonettform, und damit auch eine komplexe und strenge Reimstruktur.
Was zu zeigen bleibt:
Ich belasse den Text, nur setze ich ihn in 14 Zeilen, die alle die gleiche Silbenanzahl haben:


Zitat:
Warum pinselst du deine Wände grau?

Die Welt ist Licht und Schatten, also grau!
Mit etwas Glück erscheint sie manchmal bunt.
Wenn ich nun das Böse bis zu seinem Grund
verfolge und erfahre, wie genau

der Hass, die Niedertracht uns unbewusst
zerstört, wie das Gemeine in uns lacht,
und was der falsche Stolz mit Menschen macht -
dann mag ich nach dem ersten Schreck und Frust

mit Staunen sehen: selbst dort erstrahlt das Licht,
das meine Seele in sich trägt. Wie wahr,
der Schatten wird gebannt, die Sicht bleibt klar.

Mein böses Tun liegt bloß. Es gründet nicht
auf Höllenglut allein, es ist dem Himmel nah.
Denn Gleichgewicht und Stille sind ein Paar!
Liebe Grüße
Flocke
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Alt 29.03.2022, 18:15   #2
weiblich Ilka-Maria
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Ich hätte bei der freien Variante die Verse anders umgebrochen, um bestimmte Begriffen bzw. Formulierunge stärker zu betonen. Man kann sich zwar für einen gleichbleibenden Rhythmus (wie beim "Asra" von Heine) entscheiden, muss aber nicht. Mit einem Wechsel der Rhythmen kann der Dichter nämlich - je nach Thema - den Leser steuern und Formulierungen gezielt auf ihn wirken lassen (siehe "Todesfuge" von Celan). Deshalb heißt diese Form "freie Rhythmen", im Gegensatz zu den "freien Versen". Letztere sind lediglich frei in der Länge der Verse und somit in der Anzahl der Hebungen und Senkungen, aber sie haben Endreime.
__________________

Workshop "Kreatives Schreiben":
http://www.poetry.de/group.php?groupid=24
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Alt 11.04.2022, 01:29   #3
männlich Anaximandala
 
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Standard Wow!

Es ist richtig tragisch, dass ich erst jetzt die Zeit gefunden hab, mir deinen Post mal anzusehen, vor allem weil du mit ihm ja sogar auf etwas eingehst, das ich gefragt habe.
Erstmal, wow. Das ist ein spannendes Beispiel, das du gibst. Krass wie groß der Einfluss der Zeilenumbrüche und Formatierung schon ist. Die Reime sind scheinbar mit der Symmetrie verflogen, aber ja das Metrum macht wirklich sehr viel aus das stimmt.


Ich find den Inhalt von deinem Gedicht gut, in Sonettform nur noch mehr. Ich muss mal kurz schauen, aber mir fallen ein paar tolle Aussprüche mit selbem/ähnlichem/passendem Inhalt ein.

*also wer die Welt nur schwarz/grau/weiß kennt, mag zwar nie sehen wie schön eine Farbe sein kann, aber er kann die Welt in Abstufungen der Grautöne kontextuieren. Allerdings nur sinnbildlich, sprichwörtlich machts keinen Sinn


Viele Grüße
Anaximandala ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.04.2022, 06:52   #4
weiblich DieSilbermöwe
 
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Hallo Flocke,

vielen Dank für diesen Thread!

Schöne Grüße
DieSilbermöwe
DieSilbermöwe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.04.2022, 15:52   #5
männlich Anaximandala
 
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Nachdem ich groß getönt habe wie viele tolle Sprüche ich hab, die passen muss ich sagen, es sind einerseits zwar echt ein paar mehr als ich dachte. Aber ich dachte sie wären viel passender auf Licht/Schatten zugeschnitten.

Ich frage deshalb lieber, ich hab nen Haufen Sprüche, die alle in irgendeiner Art und Weise mit dem Inhalt deines Gedichts zu tun haben. Ich bin zwar noch am schreiben und Vergleiche ziehen, aber da es jetzt weder mit dem Thema des Fadens noch mit der konkreten Aussage des Gedichts zu tun hat; ist ein Kommentar mit den Sprüchen überhaupt erwünscht?
Anaximandala ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.04.2022, 21:38   #6
männlich Flocke
 
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Hi Anaximandala,
Hallo, die ihr euch nicht habt abschrecken lassen!

Ana...la fragte:
Zitat:
ist ein Kommentar mit den Sprüchen überhaupt erwünscht?
Natürlich!
Ich bin wirklich neugierig, was da an Ideen kommt.
Das Gedicht steht ja nicht zufällig in der Rubrik Schreibwerkstatt / Hilfe. "Das Thema des Fadens" existiert noch nicht, es entsteht erst noch!
Für mein Empfinden ist das Gedicht noch nicht fertig, noch nicht zu Ende gedacht. Vielleicht muss noch etwas geändert werden. Vielleicht reicht es aber auch schon aus, wenn ich es besser durchdringe. Bisher gilt aber für mich: Zwar habe ich es geschrieben, aber ich verstehe es immer noch nicht zur Gänze. Beispiele:
z.B. "Gleichgewicht und Stille", was bedeutet das, es wirkt kryptisch. Oder: das Böse tun wäre dem Himmel nah?

Eine Bekannte aus einem anderen Forum, nutzte eine elegante Formulierung, um nach meinem Motiv zu fragen, warum mich das "Böse" so faszinierte und ich darüber schrieb.
"Warum pinselst du deine Wände grau an."
Sie hatte eine verstörende Geschichte von mir über ein "böses" Kind gelesen
( https://www.poetry.de/showthread.php?t=71600) und meinte, dieses Thema täte mir nicht gut.

Dieser Satz setzte sich in meinem Kopf fest und er wurde zum Titel. Irgendwann nahmen andere, weitere Sätze ihre Chance wahr und drückten sich nach vorne; um zwei zu nennen.
Zitat:
Die Welt ist Licht und Schatten, also grau.
Denn Gleichgewicht und Stille sind ein Paar!
Der Rahmen, das Gerüst des Gedichtes stand.

Mir war sofort klar, dass das Gedicht swingen muss und dass es ein zügiges Sprechtempo einhalten sollte. Die Stimme des Vortragenden sollte verständnisvoll und wissend klingen. Das Gedicht sollte wie eine Weisheit auftreten, Sinn schaffen, aber auch einen Rest von Fremdheit transportieren.
Wie erreiche ich einen angenehmen melodischen Sprachfluß, bei dem einem die Reime nicht ins Gesicht springen, sondern eher beiläufig vorbeiziehen und fast unmerklich den Text ordnen. Wie schaffe ich Reime, die nicht leiern? Und umgekehrt, wie kann man Prosatexte poetischer machen.
Also habe ich längere Satzgefüge konstruiert und darauf geachtet, dass Versfuß und Reime stimmen. Das erforderte Konzentration und war komplizierter und schwieriger als sonst. Denn analog der langen Sätze ergaben sich viele "Enjambements" wie von selbst und wurden zum dominierenden Stilmittel. Satzende und Reim passten nur selten zusammen.
Hier zum Vergleich eine Strophe aus einem Gedicht, die ich bewusst - ich sag mal - unflüssig und fast schon aggressiv leiernd formuliert habe:
Zitat:
Die Sträucher pressen sich um ihren Stab.
Die Gräser springen weit und wuchern wild.
Der Samen hämmert unter seinem Schild.
Die Kräuter schlagen ein bis auf das Grab.
und hier nochmal unser Gedicht:
Zitat:
Wenn ich nun das Böse bis zu seinem Grund
verfolge und erfahre, wie genau

der Hass, die Niedertracht uns unbewusst
zerstört, wie das Gemeine in uns lacht,
Der Unterschied ist deutlich (und das, obwohl beiden Gedichten der 5-hebige Iambus untergelegt ist)!

Und jetzt stehe ich da:
Was habe ich getan - und wenn ja --> wieso?


Soweit erst mal
Liebe Grüße Flocke

Geändert von Flocke (11.04.2022 um 23:12 Uhr)
Flocke ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 12.04.2022, 00:26   #7
männlich Anaximandala
 
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Ok das ist der Wahnsinn,
alles was ich geschrieben habe, was nicht so ganz passend schien, an manchen Stellen von deinem Kommentar war es fast, als hätte ich es genau darauf zugeschrieben.

Aber erstmal zu deinem Kommentar, die von dir genannten Sätze lassejn sixh ganz sicher aufschlüsseln. So lange du nicht wild in die Kiste gegriffen hast und Bilder nach Zufallsprinzip gewürfelt hast, sind siein irgendeiner Art und Weise im Un(ter)bewussten Teil eines Bildes in dem sie (irgend)etwas bedeuten. Gleichgewicht und Stille passt ja auf jeden Fall als Paar. Dafür aber finde ich nicht ganz in den Kontext. Es wäre ein tolles Bild gewesen, aus dem Gleichgewicht von gut und schlecht etwas positives zu machen, sie würden in einem beiläufigen Aspekt für mich in einer Gruppe stehen mit Ordnung damit einhergehend auch Recht. Außerdem ist Stille das totale Gleichgewicht. gleichgroße Ausschläge halten sich in Waage, in der Mitte gibt es beide nicht.

Hm ganz ehrlich, beide für sich da hab ich Ideen, aber in der Strophe gemeinsam brauch ich noch

Es ist dem Himmel nah

Ich hab mal gelesen das wahrhaft böse entspringt der reinen Unschuld

Ein Hassen und Wüten ist schlimm, na klar und wer im.wüten wehtun will, vielleicht töten, das ist zwar böseirgendwie doch recht begrenzt.
Böse, daa waren die Nazis, die einen Massenmord industrialisiert in Schichtarbeit durchgeführt haben, akribisch, ruhig , geordnet.
Das war auch eine Masse, aber auf den einzelnen Menschen bezogen, da wütet im Wütenden eher das Kund, das nicht mehr weinen kann in Angst und aus Komplexen.

Aus der Unschuld, die gut und böse noch nicht kennt kannt schlimmes entspringen. Ein Kind, das sich den Tod noch nicht virstellen kann, könnte spritzendes Blut als tolles Konfetti sehen. Es sollen schon kleine Kinder lachend zugesehen haben wie ihre Eltern gestorben sind. Unvorstellbar für sie, sah aber lustig aus. Von dort aus können sich schlimmes böses entwickeln, Konsequenzen verstehend und freudig missachtend, was zählen denn Sachen wie Menschen...Massiv wirkendes, wütendes, wild schlagendes, gassendes, wehtun wollendes, all das ist schlimm. Das böse ust nüchtern, routiniert, wie beiläufig (aber glasklar verstehend, bewusst entscheient) mit ein wenig von der Freude, die kleine Kinder so ausstralhlen.


Den Text den du verlinkt hast, hatte ich schon gelesen, ja der hat es in sich... aber den Reiz ganz ehrlich kann ich verstehen, das düstere hat einen besonderen Reiz, das bitterböse auch. Zu den Worten deiner Freu ndin
Der eine knallt durch weil er seine Dunkelheit unterdrückt bis sie rausplatzt, der andere knallt durch, weil weil er seiner Dunkelheit so anhängt, dass er das Licht verliert.

Ein gesunder Umgang mit seiner eigenen wie sie eben auftritt ist wichtig.
Ich geh beispieksweile mit meiner alle zwei Wochen tanzen



Ok ich hau den Kommentar erstmal raus, sonst schreib ich mirgen noch. Ich hab ja erst den ersten Abdatz und hattebschon Text bei dem sekbst wiedercnoch einiges fehlt^^


Zum Licht und Schatten Symbol kann man ja schonmal direkt Yin und Yang als passend nennen, wobei die beiden zwar Hell und Dunkel meinen, aber nicht gut und schlecht
-weißt du was ich werd das Konzept Yin/Yang als Grundlage der Betrachtung nehmen-
beide sind gut wirkende Kräfte, Yang, das Helle, als schöpferisch wirkend männlich.
Yin , das Dunkle, als empfangend weiblich. eines bindet eines wird gebunden.

Wenn man es auf die Grundlage herunterbricht, bleiben von den gemeinen, schlechten Aspekten, der Dunkelheit, nämlich wertfrei einfach fehlgeleitete Kräfte, die anders großn Nutzen hatte/hätten. Jetzt ist Teutonenwut heute nunmal keine angemessene Reaktion, wüten tun aber nur wenige, wütend wird es jeder mal und schlagen tut der Mensch normal, wo Dissonanzeen brechen. Das heißt aber, jeder Schlag beginnt als die Möglichkeit durch Verschiedenheit kollidierende Persönlichkeitsaspekte anzunähern. Klar, puff zack Trauma weg gibts nicht. Manchmal hat der zu Schlagende auch einfach genau das verdient. Aber immer ist das Kribbeln, das uns treibt etwas, das in uns stattfindet und im Ursprung nichts als die Energie, die unsere Persönlichkeit bindet, beieinanderhält. Wo aber so große Klüfte klaffen, dass das kribbeln zu brennen beginnt kann man leider nichts machen, nicht kratzen nicht irgendwas. aber schlagen hilft.
wo verstehen versagt ist vermöbeln gefragt^^

Egoismus ist ne tolle Sache, zumindest so lange man um sein Überleben kämpft. Tut man es nicht mehr, bedeutet sich davon zu lösen aber Einschnitte und die macht man nach Zwang und Notwendigkeit, garantiert nicht einfach weil es richtig wär. Jetzt könnte der Egoismus erkennen, dass Zusammenarbeit, Arbeits- und Gewinnteilung nach fairen Maßstäben, ja selbst der gleiche Wert des anderen, eigentlich mehr Vorteile bringen.
Verständnis kann Gerechtigkeit zu einem Akt von grenzenlosem Egoismus machen, endet würde sie trotzdem an der eigenen Nasenspitze, alles soll gerecht laufen und wenn möglich wäre gerecht wenn die eigenen Pflichten um den Teil gekürzt werden, den das Stück der Torte größer ist. Aber darüber hinaus müsste der verständige Egoist Gerechtigkeit wollen (theoretisch, die Praxis kennt gute Gegenbeispiele)

Ich will jetzt auch garnicht jede Möglichkeit herleiten, nur Beispiele geben, dass zum Ursprung gebrochen das Schlechte in uns neutrale Kräfte sind, die im Ungleichgewicht fehlgelenkt sind und statt sich ins Getriebe zu fügen oder an entsprechender Stelle zu lösen, die Zahnräder nach eigenem Gusto drehen oder an falscher Stelle herausknallen,...

Theorie und Praxis... sind aber leider nur theoretisch gleich, also muss man sich mit toxischen Aspekten, gemeinem Handeln etc. auseinandersetzen, am besten Wege suchen.


Zwei ganz schöne Sprüche dazu, einmal den/die Menschen betreffend und einmal den Geist:

Der Gemeine schämt sich nicht der Lieblosigkeit und scheut sich nicht vor Ungerechtigkeit.Wenn er keinen Vorteil winken sieht, so rührt er sich nicht. Wenn er nicht eingeschüchtert wird, so bessert er sich nicht. Doch wenn er im Kleinen zurechtgebracht wird, so nimmt er sich im Großen in acht.


Wenn das Gute sich nicht ansammelt, reicht es nicht aus, einen berühmt zu machen. Wenn das Böse sich nicht ansammelt, ist es nicht stark genug, einen zu vernichten. Der Gemeine denkt deshalb, Gutes im Kleinen habe keinen Wert, darum unterlässt er es. Er denkt: Kleine Sünden schaden nichts. Darum gewöhnt er sie sich nicht ab. So sammeln sich seine Sünden an, bis sie sich nicht mehr bedecken lassen, und seine Schuld wird so groß, dass sie sich nicht mehr lösen lässt.



Ein paar Texte geben auch interessante Ansätze dazu, was überhaupt "Das Böse" ist, nach dem ersten Spruch der jetzt kommt, das finde ich passend, das Verneinende. Irgendwie sowas hat die Bibel auch, hier find ich aber den Ausspruch spannend, dass das Böse in dem Moment stürzen muss, wo das Gute, dem es seine Existenz verdank, komplett getilgt ist.

*ich greif einmal nach und vor:
nichts was hier steht ist absolut, es sind alles Fragmente die irgendwie irgendwo passen


Das Böse muss in dem Augenblick stürzen, da es das Gute vollkommen überwunden und damit die Kraft aufgezehrt hat, der es bisher seinen Bestand verdankte.


Man sollte nicht hassen, denn der Hass ist eine Art von innerer Beteiligung, durch die man sich mit dem gehassten Gegenstand verbindet.


Diese Selbsterkenntnis ist aber nicht eine Beschäftigung mit den eigenen Gedanken, sondern mit den Wirkungen, die von einem ausgehen.
Nur die Lebenswirkungen geben ein Bild, das uns berechtigt, über Fortschritt oder Rückgang zu entscheiden.


So handelt der Edle: sieht er Gutes, so ahmt er es nach, hat er Fehler, so legt er sie ab. Indem man beobachtet, wie Donner und Wind sich gegenseitig mehren und verstärken, lernt man den Weg zu seiner eigenen Selbstmehrung und Besserung. Wenn man an anderen etwas Gutes entdeckt, soll man es sich zu eigen machen. Sieht man an sich selbst etwas Schlechtes, so lege man es ab. Dadurch wird man frei vom Bösen. Diese ethische Veränderung ist die wichtigste Mehrung der Persönlichkeit.


Die beste Art, das Böse zu bekämpfen, ist energischer Fortschritt im Guten.


Meinen absoluten Favoriten hab ich mal dicker gemacht, was immer im inneren abgeht, egal, was man tut zählt. Gedanken sind nur Gedanken, abhängig von Kontext, Wertung... Wir alle tragwn evolutionäre Überbleibsel mit uns rum und würden wir nur tief genug graben, wir könnten viel Freude an Gewalt finden glaube ich.

Wie dein Text schon sagt, das agleichgewicht liegt in der Mitte. Ich fürchte nicht den, der dunkel in sich trägt sondern den, der mir erzählt er täte es nicht. Verborgene Wut ist gefährlich.

mal schaun wieviel noch kommt^^ aber auch ob ich heute alles schaffe
Anaximandala ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.04.2022, 13:58   #8
männlich Flocke
 
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Hallo Silbermöwe,

du hast dich für diesen Thread bei mir bedankt.
Da kann ich nur antworten: "Gerne!"
Aber ich frage mich jetzt, wofür genau hast du dich bedankt?
Dafür, dass ich speziell dieses Sonett vorgestellt habe oder dafür, dass ich den Blick auf die Form gerichtet habe und die Auswirkungen bestimmter Gestaltungsmittel zu erklären suchte? Oder ist da noch was anderes?
Ich frage nach, um event. Einfluss auf den weiteren Verlauf des Threads zu nehmen.

Liebe Grüße von Flocke
Flocke ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.04.2022, 15:56   #9
weiblich DieSilbermöwe
 
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Hallo Flocke,

ich habe mich bedankt, weil ich nun einen Thread kenne, In dem ich Erklärungen zu ungereimten Gedichten nachschauen kann.

LG DieSilbermöwe
DieSilbermöwe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.06.2022, 19:33   #10
männlich MonoTon
 
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Hallo Flocke und alle beteiligten

Ich habe mir das angeschaut und der Schlusskommentar von Silbermöwe lies mich stutzen und Aufgrund dessen wollte ich kurz etwas einwerfen.

Zitat:
ich habe mich bedankt, weil ich nun einen Thread kenne, In dem ich Erklärungen zu ungereimten Gedichten nachschauen kann.
Auch auf die Gefahr hin, dass du es von mir nicht gerne hören möchtest, aber das Gedicht ist nicht Reimlos, ganz im Gegenteil.
Es macht nur den Eindruck weil, so vermute ich, die Assonanzen dem Text sehr zuträglich sind.
Er enthält viele Gleichlaute und Vokale die über den tatsächlichen Reim sehr gut hinwegtäuschen. Eine angenehme Art des Schreibens. Sehr flexibel und der umarmende Reim spielt der Illusion des ungereimten noch hinzu, da man keinen Anfangsreim findet und somit keinen weiteren offensichtlichen Reim vermutet, bzw wahrnimmt.
Die Umarmung findet im fortlaufenden Text erst gegen Ende statt, weil es innerhalb des Textes erst sehr spät zu einem tatsächlichen Reim kommt (dieser findet sich erst in Z2 und Z3 als Paarreim, worauf in Z4 die Umarmung auf Z1 folgt) und diese nimmt man unterbewusst war, weil sie sich langsam aufbaut. Vor allem bei langzeiligen Texten.
Die Enjambements gut gesetzt sind zusätzlich irreführend und kaschieren die Reime, da man diese oft automatisch immer am Ende einer Verszeile sucht.
Zumindest würde ich es in dieser Art erklären.

Was also Anfangs frei und reimlos anmutet, ist in Wirklichkeit eine der strengsten Reimformen überhaupt, da in ihr auch der Grundton eingehalten werden muss der tragend ist, damit der Endreim überhaupt zum tragen kommt und andere Reime nicht wie willkürliche Binnenreime wirken und Enjambements Sinn machen/bzw natürlich erscheinen.

Ich weiß, dass der Faden schon etwas her ist, aber ich fand ihn gut und dachte ich hol ihn wieder hoch. Er ist sehr interessant.


Lg Mono
MonoTon ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.06.2022, 23:36   #11
männlich Flocke
 
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Hi MonoTon,

schön, dass du mein Gedicht noch einmal in den Blickpunkt rückst, denn ich bin mit der Art, wie ich es dort vorgestellt und moderiert habe, recht unzufrieden.

Zuerst will ich festhalten:
Das Sonett (!), um das es geht, erscheint erst ganz am Ende des Beitrages farblich abgehoben. Das, so weiß ich jetzt, war irritierend.
Ich hatte es vor ein paar Jahren geschrieben. Es beinhaltet auffallend viele Enjambements. Ich gab ihm den Titel: "Was pinselst du deine Wände grau?" Es gefiel mir, dass mit dem regelmäßigen Gebrauch der Enjambements die Akzentuierung der Zeile in den Hintergrund trat und die Endreime weniger Gewicht zu tragen schienen. Das Sonett klang wie ein sehr eloquenter und exakt formulierender Prosatext.

Normalerweise stellen in unserem Forum die User ihr Gedicht einfach in das Forum, ohne sie weiter (im ihrem ersten Beitrag zu kommentieren).
Ich dagegen schrieb gleich zu Beginn, dass ich eine "kleine Spielerei um Rhythmus, Reim und freie Rhythmen" vorstellen wollte.
Und dann zerstörte ich mein Sonett und stellte es dann in meinem Eröffnungsbeitrag in einer Krüppelform vor, die ich eine "philosophische Betrachtung" nannte.
Ich hatte das Sonett (Spielerei!) von seiner optischen Form getrennt. Das heißt, der Text blieb unverändert, aber die ursprüngliche optische Präsentation wurde aufgelöst. Ich entwarf stattdessen unterschiedlich lange Zeilen, die sich auf dem ersten Blick keinen Entreim zu enthalten schienen.
Diese neue optische Antiform zu entwerfen, dauerte 2 bis 3 Minuten.
Dann zum Abschluss meines Beitrags erschien dann - Überraschung, Überraschung - das Orginal. Ich wollte den Leser bewusst in die Irre führen. Ich gestehe, hier oberlehrerhaft vorgegangen zu sein.
Mein Motiv war zu zeigen, was Enjambements in Bezug auf (End)reime bewirken können.

Du MonoTon hast, wenn ich es recht verstanden habe, die "verkrüppelte Form" des Sonetts analysiert und gezeigt, wie sich darin Reime und Endreime verstecken. Du hast die vertuschte Ordnung wiedergefunden.
"das Gedicht ist nicht Reimlos, ganz im Gegenteil."
Genau!

Liebe Grüße
Flocke


PS ich habe das Gedicht wohlweislich unter der Rubrik Schreibwerksatt/Hilfe vorgestellt

Geändert von Flocke (09.06.2022 um 08:47 Uhr)
Flocke ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.06.2022, 10:43   #12
weiblich DieSilbermöwe
 
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Zitat:
Auch auf die Gefahr hin, dass du es von mir nicht gerne hören möchtest, aber das Gedicht ist nicht Reimlos, ganz im Gegenteil.
Hallo Monoton,

warum sollte ich etwas von dir nicht gerne hören? Ich freue mich, dass du auf meinen Kommentar eingegangen bist. Dadurch und durch Flockes weitere Erklärung ist doch jetzt dieser Thread viel besser verständlich.

Wirklich ungereimte Gedichte sind dann doch etwas ganz anderes.

LG DieSilbermöwe
DieSilbermöwe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.06.2022, 23:20   #13
männlich Heinz
 
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Hallo Flocke,
ich war eine zeitlang außer Betrieb und lese heute erst Deinen Beitrag.
Was mir zuallererst auffiel, war die Form Deines Bespielgedichts:

Die Welt ist Licht und Schatten, also grau.
Mit etwas Glück erscheint sie manchmal bunt.
Wenn ich nun das Böse bis zu seinem Grund verfolge
und erfahre, wie genau der Hass,
die Niedertracht uns unbewusst zerstört,
wie das Gemeine in uns lacht und
was der falsche Stolz mit Menschen macht -
dann mag ich nach dem ersten Schreck und Frust
mit Staunen sehen:
selbst dort erstrahlt das Licht, das meine Seele in sich trägt.
Wie wahr, der Schatten wird gebannt, die Sicht bleibt klar.
Mein böses Tun liegt bloß.
Es gründet nicht auf Höllenglut allein,
es ist dem Himmel nah. Denn Gleichgewicht und Stille sind ein Paar!

Weshalb "klingt" das Gedicht und lässt einen fast glauben, es sei doch gereimt.
Endgereimt ist es nicht aber es weist eine große Ähnlichkeit zu den lange Zeit sehr gebräuchlichen Blankversen auf.
Blankverse sind reimlose, fünfhebige Jamben (bei Shakespeare, Goethe und vielen anderen seitenweise nachlesbar. Ziemlich bekannte Beispiele wären:

Willst du schon gehn? Der Tag ist ja noch fern.
xXxXxXxXxX
Es war die Nachtigall, und nicht die Lerche,
xXxXxXxXxXx
Die eben jetzt dein banges Ohr durchdrang;
xXxXxXxXxX
Sie singt des Nachts auf dem Granatbaum dort.
xXxXxXxXxX
Glaub', Lieber, mir: es war die Nachtigall.
xXxXxXxXxX


Die Lerche war's, die Tagverkünderin,
xXxXxXxXxX
Nicht Philomele; sieh den neid'schen Streif,
xXxXxXxXxX
Der dort im Ost der Frühe Wolken säumt:
Die Nacht hat ihre Kerzen ausgebrannt,
Der muntre Tag erklimmt die dunst'gen Höh'n:
Nur Eile rettet mich, Verzug ist Tod.

Trau' mir, das Licht ist nicht des Tages Licht,
Die Sonne hauchte dieses Luftbild aus,
Dein Fackelträger diese Nacht zu sein,
Dir auf dem Weg nach Mantua zu leuchten;
Drum bleibe noch: zu gehn ist noch nicht Not.

So weit Shakespeare.
Goethe:

Heraus in eure Schatten, rege Wipfel
xXxXxXxXxXx
Des alten, heil’gen, dichtbelaubten Haines,
xXxXxXxXxXx
Wie in der Göttin stilles Heiligtum,
xXxXxXxXxX
Tret ich noch jetzt mit schauderndem Gefühl,
xXxXxXxXxX
Als wenn ich sie zum erstenmal beträte, 5
Und es gewöhnt sich nicht mein Geist hierher.
So manches Jahr bewahrt mich hier verborgen
Ein hoher Wille, dem ich mich ergebe;
Doch immer bin ich, wie im ersten, fremd.
Denn ach mich trennt das Meer von den Geliebten, 10
Und an dem Ufer steh ich lange Tage,
Das Land der Griechen mit der Seele suchend;
Und gegen meine Seufzer bringt die Welle
Nur dumpfe Töne brausend mir herüber.
Weh dem, der fern von Eltern und Geschwistern 15
Ein einsam Leben führt! Ihm zehrt der Gram
Das nächste Glück vor seinen Lippen weg.
Ihm schwärmen abwärts immer die Gedanken
Nach seines Vaters Hallen, wo die Sonne
Zuerst den Himmel vor ihm aufschloss, wo 20
Sich Mitgeborne spielend fest und fester
Mit sanften Banden aneinander knüpften.
Ich rechte mit den Göttern nicht; allein
Der Frauen Zustand ist beklagenswert.
Zu Haus und in dem Kriege herrscht der Mann 25
Und in der Fremde weiß er sich zu helfen.
Ihn freuet der Besitz; ihn krönt der Sieg;
Ein ehrenvoller Tod ist ihm bereitet.
Wie eng-gebunden ist des Weibes Glück!
Schon einem rauhen Gatten zu gehorchen, 30
Ist Pflicht und Trost; wie elend, wenn sie gar
Ein feindlich Schicksal in die Ferne treibt!
So hält mich Thoas hier, ein edler Mann,

Hier ist also nichts von freien Rhythmen oder Versen. Goethes Iphigenie war zuerst in Prosa geschrieben und Goethe hat sich (ich glaube, er hat in Italien damit begonnen) dran gesetzt und das ganze Stück (bis auf das Lied an die Parzen) in Blankverse gesetzt. In meinen Ohren klingen sie sehr melodisch und viele Verse prägen sich auf Dauer ein ("Du sprichst ein großes Wort gelassen aus" / "Das land der Griechen mit der Seele suchend" / "Ich rechte mit den Göttern nicht: allein - der Frauen Zustand ist beklagenswert").

Liebe Grüße,
Heinz
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