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Rollenspiele und Bühnenstücke Eigene Bühnenstücke, Rollenspiele und Dialoge.

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Alt 22.11.2022, 11:43   #1
weiblich DieSilbermöwe
 
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Standard Ein Gespräch über ein Motiv,wie es hätte stattfinden können

Die 65-jährige Erika R. hat ihre 90-jährige Mutter umgebracht. Die fassungslosen Nachbarn Marlene und Wilmar sinnieren über die Tat und das Motiv.

Marlene: „Ich kann es immer noch nicht glauben. Dass sie das wirklich getan hat!“

Wilmar: „Beim Aufwachen habe ich immer alles vergessen. Und dann fällt es mir innerhalb der nächsten fünf Minuten wieder ein. Es ist wirklich nicht zu fassen.“

Marlene: „Wie kann man einen Menschen umbringen, der einem so nahesteht? Wie kann man seine eigene Mutter umbringen?“

Wilmar (zuckt die Schultern): „Vielleicht hatte Erika ganz einfach die Schnauze voll. Sie hat ihre Mutter zehn Jahre lang gepflegt, und es wurde immer schlimmer. Sie hat ihren Beruf aufgegeben, Johann ist fremdgegangen, die Kinder sind weit weg. Hilfe hatte sie nicht.“

Marlene: „Aber der Pflegedienst kam doch.“

Wilmar: „Schon, sogar dreimal am Tag. Aber Erikas Mutter konnte sich überhaupt nicht mehr selbst versorgen, man konnte sie keine Minute am Tag alleine lassen.“

Marlene: „Hätte sie sie nur ins Heim gegeben!“

Wilmar: „Das stand ja im Raum. Johann hat es mir vor kurzem auf der Straße erzählt, dass er Erika dazu überreden wollte. Sie sträubte sich dagegen. Weder Johann noch ich verstanden das.“

Marlene: „Ich auch nicht. War es zu teuer?“

Wilmar (zuckt wieder die Schultern): „Wahrscheinlich.“

Marlene: „Aber das Geld hätten sie doch gehabt.“

Wilmar: „Vielleicht war das der Grund, dann wäre es später weg gewesen.“

Marlene (schüttelt den Kopf): „Das kann ich mir nicht vorstellen. Erika war nie habgierig.“

Wilmar: „So gut kenne ich sie nicht, das kann ich nicht beurteilen. Aber angenommen, das sei nicht der Grund gewesen, was dann?“

Marlene: „Vielleicht hat sie sie gehasst?“

Wilmar: „Und dann pflegt sie sie zehn Jahre lang zu Hause und bringt sie dann erst um? Macht doch keinen Sinn. Wenn man hasst, wartet man nicht zehn Jahre lang.“

Marlene: „Woher willst du das wissen? Vielleicht hat sie immer gehofft, dass sie am nächsten Tag tot ist und sie endlich erlöst wird. Aber der Tag kam und kam nicht und dann …“

Wilmar (fällt ihr ins Wort): „Das ist ja so unverständlich. Erikas Mutter war 90, ich wiederhole, 90!!! Jahre alt. Warum bringt man eine 90-jährige um?“

Marlene (trocken): „Womöglich wäre sie sonst 100 geworden.“ Erschrocken schlägt sie sich die Hand vor den Mund. „Das hätte ich nicht sagen sollen. Die arme Frau.“

Wilmar: „Ich glaube, da könnte durchaus was dran sein. Vielleicht hat Erika gedacht, ihre Mutter würde sie noch überleben.“ Er überlegt. „Womöglich dachte sie, wenn sie tot ist, würde Johann ihre Mutter ins Heim schaffen und dort würde sie von der Familie vergessen werden.“

Marlene: „Das ist doch kein Grund.“

Wilmar: „Alles andere ist auch kein Grund. Es kann sein, dass sie mit der Pflege völlig überlastet war und sich nicht traute, um Hilfe zu bitten. Ist das ein Grund?“

Marlene: „Etwas haben wir noch vergessen. Es könnte auch Mitleid gewesen sein. Erika konnte das langsame Dahinsiechen ihrer Mutter nicht mehr mit ansehen, das ist ja nicht auszuschließen.“

Wilmar (kritzelt etwas auf einen Zettel): „Jetzt haben wir a) Habgier, b) Hass, c) Angst, ihre Mutter würde sie selbst überleben und anschließend von Johann abgeschoben und von der Familie vergessen werden, d) Überlastung und e) Mitleid.“

Marlene: „Warum schreibst du das auf?“

Wilmar: „Ich will es begreifen.“

Marlene: „Wird man das können?“

ENDE
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Alt 03.01.2023, 14:38   #2
männlich dunkler Traum
 
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... ein Stammtischgespräch in der Nachbarwohnung mit Mutmaßungen, welche ohne Befragung der Beteiligten nicht zum Ziel führen. Ich habe es irgendwann aufgegeben, mir über Motive anderer den Kopf zu zerbrechen, weil ich meist falsch lag.
Erika hat wahrscheinlich eine spontan akute Demenz erlitten und ihrer Mutter die Arznei mehrfach verabreicht, was zum Tode führte.
Übrigens hätte ich ersten Satz anders formuliert (Klugscheißermodus an):
Die 65jährige Erika soll ihre 90jährige Mutter umgebracht haben. ... Danach hätte ich eventuell noch ein paar Fakten verraten.

wünsche schöne Träume
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Alt 04.01.2023, 08:10   #3
weiblich DieSilbermöwe
 
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Zitat:
. Übrigens hätte ich ersten Satz anders formuliert (Klugscheißermodus an):
Die 65jährige Erika soll ihre 90jährige Mutter umgebracht haben. ...
Nein, das ist (hier fiktiv natürlich) bewiesen. Sie steht bereits vor Gericht. Es geht nicht mehr um Mutmaßungen in meinem kurzen Theaterstück. Okay, den Satz: „, Sie steht bereits vor Gericht" hätte ich einbauen können.
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Alt 06.01.2023, 15:34   #4
männlich Heinz
 
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Liebe Silbermöwe,
das Gewäsch von Marlene und Wilmar ist deiner nicht würdig.
Liebe Grüße,
Heinz
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Alt 06.01.2023, 15:51   #5
weiblich DieSilbermöwe
 
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Lieber Heinz,

ich schreibe nicht, um mich irgendwem oder irgendwas „würdig" zu erweisen.

Mit einem solchen Kommentar kann ich überhaupt nichts anfangen. Hier werden Texte besprochen, nicht die User und auch nicht, ob die User ihrer Texte „würdig" sind.

LG DieSilbermöwe
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Alt 06.01.2023, 17:20   #6
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
ich schreibe nicht, um mich irgendwem oder irgendwas „würdig" zu erweisen.
Mit einem solchen Kommentar kann ich überhaupt nichts anfangen. Hier werden Texte besprochen, nicht die User und auch nicht, ob die User ihrer Texte „würdig" sind.
Ui, da sind die Krallen aber ausgefahren worden!

Ich versuche mal, weniger "rüde" als Heinz Stellung zu nehmen und hoffe, dass ich nicht auch auf die Schnauze falle.

Zitat:
Die 65-jährige Erika R. hat ihre 90-jährige Mutter umgebracht. Die fassungslosen Nachbarn Marlene und Wilmar sinnieren über die Tat und das Motiv.
Der Satz steht für die sog. "Exposition", wobei man der Kürze dieser Einführung wegen auch von einem "Hook" sprechen könnte: Der Leser soll für das weitere Geschehen interessiert werden. Das Wort "umgebracht" ist in diesem Fall unglücklich gewählt, denn es ist zu allgemein und drückt nicht explizit aus, ob es sich um eine verbrecherische Tat oder um einen Unfall mit Todesfolge handelt. Im weiteren Dialog ist es okay, aber in der Exposition hätte ich es anders ausgedrückt, zumal es so auch nie in einem Pressebericht der Kripo bzw. in der Zeitung gestanden hätte. Dort stünde viel eher, dass die Tochter wegen des Verdachts, ihre 90jährigen Mutter getötet zu haben, festgenommen und dem Haftrichter vorgeführt wurde. Erst später, bei Prozessbeginn, hätte die Presse weiter berichtet, wessen die Staatsanwaltschaft Erika R. angeklagt hat, wobei verschiedene Szenarien in Frage kommen können: Mord ersten oder minderen Grades, Totschlag (graduelle Einordnungen ebenfalls möglich), Tötung im Affekt, aktive Beihilfe zum Suizid etc. Eine Gerichtsverhandlung beweist noch gar nichts, sondern die vermeintlichen Beweise und Zeugenaussagen für die Belastung und Entlastung der Angeklagten werden zunächst vorgetragen und von den Richtern auf Plausibilität geprüft. Bewiesen ist eine Schuld oder Unschuld erst, wenn das Urteil gesprochen und in erstem Fall das Strafmaß festgelegt ist.

Natürlich kann man, wenn man die Angeklagte kennt, darüber sinnieren, ob man ihr ein Tötungsdelikt zutrauen würde oder nicht, und man kann auch Vermutungen über ein mögliches Motiv anstellen, wenn man das Beziehungsverhältnis zwischen Mutter und Tochter einigermaßen überblickt. Aber eine simple Aufzählung solcher Motive ist nicht nur müßig, sondern auch wenig spannend für den Leser. Insofern liegt Heinz mit seinem Urteil, es handele sich bei dem Dialog um "Gewäsch" nicht ganz falsch. Wilmar will "begreifen", wie man zu so einer Tat fähig sein kann, und schreibt die gesammelten Motive auf einen Zettel. Hier muss der Leser vermuten, dass es sich bei den Nachbarn um ein Ehepaar handelt, das den Dialog in seiner Wohnung führt. Zu Anfang ging ich eher von der Begegnung zweier Personen und einem Treppenhaustratsch aus. Bei einem Theaterstück sollte deshalb am Anfang der Szene auch der Ort bzw. das Bühnenbild und die Beziehung der Personen zueinander kurz dargelegt werden.

Der Dialog wäre fruchtbarer und interessanter gewesen, hätten die Personen versucht, sich in die Perspektive der Angeklagten zu versetzen und sich zu fragen, unter welchen Umständen sie selbst zur Tötung eines nahestehenden Menschen fähig gewesen wären oder ob sie es ihren eigenen Kindern zutrauen könnten, sie aus bestimmten Gründen eines Tages zu töten. Das hätte eine ziemlich gruselige Konversation ergeben.

Vielleicht bekomme ich jetzt für meinen Kommentar ebenfalls das Fell über die Ohren gezogen, aber ich denke, dass ich es überleben werde . Ich habe selbst eine 93jährige, pflegebedürftige Mutter, die locker 100 Jahre alt werden kann. Das kann noch richtig anstrengend und teuer werden. Aus meiner Perspektive kann man das jedoch schon mal als Tötungsgrund streichen. Ein Leben ohne meine Mutter kann und will ich mir gar nicht vorstellen, weil ich es schon furchtbar genug finde, an so etwas überhaupt zu denken.

LG
Ilka
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Alt 06.01.2023, 17:38   #7
männlich Heinz
 
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Liebe Silbermöwe,
bin ich dir zu nahe getreten? Dann entschuldige ich mich. Bleibt der Dialog, in dem zwei Personen mehr oder weniger dummes Zeug reden. Aus meiner Zeit als Schöffe beim Gericht weiß ich noch, das so ein Fall wegen des zu erwartenden Strafmaßes (hier käme Mord infrage) beim Landgericht landet.
Und da ist es nicht allein Sache des Richters, sondern auch der Schöffen, über Schuld oder Nichtschuld sowie das Strafmaß zu entscheiden. Die beiden Personen, die sich da "sinnierend" austauschen, kämen als Zeugen infrage und ich kann mir vorstellen, wie sie vom Richter abgeledert werden, wenn sie, möglicherweise vereidigt, ihre Mutmaßungen vortragen.
Bleibt: Unglaubwürdiges Gewäsch.
Liebe Grüße,
Heinz
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Alt 06.01.2023, 18:31   #8
weiblich DieSilbermöwe
 
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Lieber Heinz,

danke für die Entschuldigung. Angenommen .

Zitat:
.Bleibt: Unglaubwürdiges Gewäsch.
Einen solchen Kommentar finde ich okay.

Liebe Ilka,

nein, ich ziehe dir nicht das Fell über die Ohren.

Ehe ich nun (später) ausführlich auf eure letzten Kommentare eingehe, ein kurzer Hinweis: Vor einigen Monaten las ich in den Nachrichten, dass eine Frau ihre 90-jährige Mutter umgebracht hat. Das hat mich beschäftigt, und deswegen schrieb ich das Bühnenstück. Die Namen in meinem Text sind natürlich erfunden.

LG DieSilbermöwe
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Alt 06.01.2023, 19:35   #9
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Zitat:
.Der Satz steht für die sog. "Exposition", wobei man der Kürze dieser Einführung wegen auch von einem "Hook" sprechen könnte:
Den Ausdruck „Hook" kannte ich noch nicht. Klingt interessant.

Zitat:
.Das Wort "umgebracht" ist in diesem Fall unglücklich gewählt, denn es ist zu allgemein und drückt nicht explizit aus, ob es sich um eine verbrecherische Tat oder um einen Unfall mit Todesfolge handelt. Im weiteren Dialog ist es okay, aber in der Exposition hätte ich es anders ausgedrückt, zumal es so auch nie in einem Pressebericht der Kripo bzw. in der Zeitung gestanden hätte. Dort stünde viel eher, dass die Tochter wegen des Verdachts, ihre 90jährigen Mutter getötet zu haben, festgenommen und dem Haftrichter vorgeführt wurde. E
In den Nachrichten im Internet habe ich nur die Überschrift gelesen. Das war anscheinend schon bewiesen, aber viel mehr stand da nicht.

Zitat:
. Eine Gerichtsverhandlung beweist noch gar nichts, sondern die vermeintlichen Beweise und Zeugenaussagen für die Belastung und Entlastung der Angeklagten werden zunächst vorgetragen und von den Richtern auf Plausibilität geprüft. Bewiesen ist eine Schuld oder Unschuld erst, wenn das Urteil gesprochen und in erstem Fall das Strafmaß festgelegt ist.
Wie gesagt, war alles schon passiert. Deswegen habe ich das im Text auch nicht weiter thematisiert.
Es ging mir auch nicht darum, überhaupt die Schuld in Frage zu stellen. Die Ausgangssituation ist: Die Tat ist passiert, die Schuld ist bereits bewiesen.
Vielleicht wäre „Das Ehepaar Wilmar und Marlene kommt von einem Besuch aus dem Gefängnis zurück. Sie haben Erika R. besucht, die wegen Mordes an ihrer 90- jährigen Mutter verurteilt wurde.", besser gewesen.
Dann wären diese Missverständnisse gar nicht entstanden.

Zitat:
. Natürlich kann man, wenn man die Angeklagte kennt, darüber sinnieren, ob man ihr ein Tötungsdelikt zutrauen würde oder nicht, und man kann auch Vermutungen über ein mögliches Motiv anstellen, wenn man das Beziehungsverhältnis zwischen Mutter und Tochter einigermaßen überblickt. Aber eine simple Aufzählung solcher Motive ist nicht nur müßig, sondern auch wenig spannend für den Leser. Insofern liegt Heinz mit seinem Urteil, es handele sich bei dem Dialog um "Gewäsch" nicht ganz falsch. Wilmar will "begreifen", wie man zu so einer Tat fähig sein kann, und schreibt die gesammelten Motive auf einen Zettel. Hier muss der Leser vermuten, dass es sich bei den Nachbarn um ein Ehepaar handelt, das den Dialog in seiner Wohnung führt. Zu Anfang ging ich eher von der Begegnung zweier Personen und einem Treppenhaustratsch aus. Bei einem Theaterstück sollte deshalb am Anfang der Szene auch der Ort bzw. das Bühnenbild und die Beziehung der Personen zueinander kurz dargelegt werden.
Da muss ich Heinz und dir recht geben.
Ich habe, stilistisch gesehen, zu viel weggelassen. Ich hatte so das nachbarliche Ehepaar in seiner Wohnung vor Augen, dass ich gar nicht dran gedacht habe, dass dem Leser die Information des Schauplatzes ja fehlt, da er nicht erwähnt wird.

So kann man dann auch, wie Heinz, auf die Idee kommen, das spiele sich vor Gericht ab.

Nächstes Mal werde ich den Schauplatz der Szene sorgfältiger schildern.

Zitat:
. Der Dialog wäre fruchtbarer und interessanter gewesen, hätten die Personen versucht, sich in die Perspektive der Angeklagten zu versetzen und sich zu fragen, unter welchen Umständen sie selbst zur Tötung eines nahestehenden Menschen fähig gewesen wären oder ob sie es ihren eigenen Kindern zutrauen könnten, sie aus bestimmten Gründen eines Tages zu töten. Das hätte eine ziemlich gruselige Konversation ergeben.
Ja ...war mir zu gruselig...

Aber das wäre spannender gewesen.
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Alt 06.01.2023, 19:41   #10
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
Vor einigen Monaten las ich in den Nachrichten, dass eine Frau ihre 90-jährige Mutter umgebracht hat. Das hat mich beschäftigt, und deswegen schrieb ich das Bühnenstück.
Interessiert mich. Kannst du dazu Quellen liefern. Per PN natürlich.

Aber nochmal zum Schreiben von Dialogen. Sie gehören zur Königsdisziplin. Dialoge zu schreiben ist deshalb schwierig, weil sie nicht alltäglich sein, aber wie alltäglich klingen sollen. Sie sollen leicht sein, aber schwer tragen.

Ein schwacher Dialog klingt so:

"Hallo, wie gehts?" - "Nicht so gut, gestern war's besser."

Ein starker Dialog klingt so:

"Du siehst scheiße aus."
"Bin ja auch grad von drei Kutschen überfahren worden."

Wenn man das kapiert hat, ist man auch imstande, starke Dialoge zu schreiben.
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Alt 06.01.2023, 19:46   #11
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Unsere letzten Kommentare haben sich wohl überschnitten - ich habe noch etwas ausführlicher ausgeführt, warum ich das Stück so geschrieben habe.

Zitat:
.Aber nochmal zum Schreiben von Dialogen. Sie gehören zur Königsdisziplin. Dialoge zu schreiben ist deshalb schwierig, weil sie nicht alltäglich sein, aber wie alltäglich klingen sollen. Sie sollen leicht sein, aber schwer tragen.
Es ist wirklich ziemlich schwer, wenn man ausschließlich auf Dialoge bauen will.
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Alt 07.01.2023, 09:44   #12
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Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
Es ist wirklich ziemlich schwer, wenn man ausschließlich auf Dialoge bauen will.
Es gibt aber Techniken, Silbermöwe, mit denen man griffige von langweiligen Dialogen zu unterscheiden lernen kann. Neben der Grundregel, dass Dialoge nicht realistisch sein müssen (auch nicht können), aber so klingen sollten, gilt auch die Forderung, den Mut zum Weglassen zu haben. Beispiel: Wenn zwei Menschen miteinander telefonieren, beginnen sie normalerweise mit einer Begrüßungsfloskel und sprechen sich mit Namen an, um zu signalisieren, dass man die Stimme erkannt hat; oder man nennt seinen Namen. Das ist so selbstverständlich, dass sich kein Leser und kein Filmgucker mit derartigen Banalitäten aufhalten will. Der Autor lässt solche Floskeln deshalb weg oder beschränkt sich auf ein kurzes "Hallo". In der Regel schießt der Sprecher sofort mit dem eigentlichen Inhalt seiner Rede los, ohne sich mit unnötigen Formalitäten aufzuhalten. Natürlich gibt es Ausnahmen, das kommt immer auf die Situation und auf die Stimmung der Figuren an. Wer wütend bis zum Platzen ist, wird sich wohl auch im realen Leben nicht auf Höflichkeiten besinnen, sondern sofort losdonnern. Aber auch ein Verliebter, der sehnsüchtig auf den Anruf des Mädels seiner Träume wartet, wird, wenn sie endlich anruft, nicht erst danach fragen, wie es ihr geht und ob sie gut geschlafen hat, sondern ungeduldig fragen, wann und wo er sie sehen kann.

Wenn man Dialoge auf ihre Relevanz, also ihre Aussagekraft, prüft, wäre schon der zweite Absatz deines Rollenspiels in Frage zu stellen:

Zitat:
Marlene: „Ich kann es immer noch nicht glauben. Dass sie das wirklich getan hat!“
Wilmar: „Beim Aufwachen habe ich immer alles vergessen. Und dann fällt es mir innerhalb der nächsten fünf Minuten wieder ein. Es ist wirklich nicht zu fassen.“
Offen gesagt, musste ich den Paragraphen zweimal lesen, ehe ich ihn auf den ersten beziehen konnte, weil mir unklar war, was mit "alles" gemeint sein sollte, denn wenn es mit dem Aufwachen in Bezug gesetzt wird, denkt man als Leser zunächst, die Rede sei von etwas in der Nacht Geträumtem. Außerdem ist es für das Gespräch überhaupt nicht wichtig, wann und wie oft man an die Tat der Nachbarin denkt. Gerade jetzt ist der Fall präsent, ansonsten würde man sich ja nicht darüber unterhalten. Kurz gesagt: Wilmars Satz ist überflüssig, ein kurzes "Ich auch nicht" oder "Geht mir genauso" hätte völlig genügt.

Im Grunde ist es nicht so schwierig, ein Gefühl für Dialoge zu entwickeln. Ich kann dir hierzu das Buch von Oliver Schütte "Schau mir in die Augen, Kleines - Die Kunst der Dialoggestaltung", Bastei Lübbe 2002 (ca. 200 Seiten), empfehlen. Die darin zitierten Dialoge stammen zwar größtenteils aus englischsprachigen Drehbüchern, aber im Anhang finden sich ihre Übersetzungen ins Deutsche.
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Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.01.2023, 11:03   #13
weiblich DieSilbermöwe
 
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Zitat:
Ich kann dir hierzu das Buch von Oliver Schütte "Schau mir in die Augen, Kleines - Die Kunst der Dialoggestaltung", Bastei Lübbe 2002 (ca. 200 Seiten), empfehlen. Die darin zitierten Dialoge stammen zwar größtenteils aus englischsprachigen Drehbüchern, aber im Anhang finden sich ihre Übersetzungen ins Deutsche.
Vielen Dank! Es macht gar nichts, wenn es auf Englisch ist, ich bin sowieso gerade dabei, meine Sprachkenntnisse aufzufrischen.
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