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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt. |
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13.09.2008, 18:56 | #1 |
Tiger Pinguin und Fliege
Nach einer Zeit der Enthaltsamkeit hier wieder ein neues Gedicht, eine Ballade, die Unmögliches zusammenzubringen versucht.
Der Tiger und der Pinguin Sich niemals kennen lernen Der eine herrscht in Indien Der Andre mit den Kinderchen Lebt froh in Südpolfernen. Die freche Fliege dachte sich: Ich will die Welt bereisen. Ins warme Indien zieht es mich, Dem starken Tiger möchte ich Ehr' und Referenz erweisen. Die Fliege kam in Indien an Und folgt des Tigers Duft. Ganz erschöpft setzt sie sich dann Auf dessen Nase - Mannomann -, Der warnend seine Tatze lupft Und grimmig faucht: "Du kitzelst mich!" Die Fliege summte ganz erschreckt "Tu mir nichts, ich warne dich, Aus Old Europe komme ich!" Stolz sie ihre Flügel reckt. "Dich zu sehen, kam ich her. Respekt sollst du mir zollen!" Der Tiger aber gähnte sehr: "Stör meine Ruhe nicht noch mehr, Du hast hier nichts zu wollen!" Beleidigt war die Fliege ganz, Verkannt und voll Empörung. Bei solcher tiefen Ignoranz Verlor der Tiger sehr an Glanz Und sie ihre Verehrung. Die Fliege dacht' nicht lange nach, Macht auf sich nach Kalkutta. Dort macht ein Küchenduft sie schwach, Flog direkt ihrer Nase nach In die Kombüse auf 'nem Kutter. Dort lebte sie in Saus und Braus, Konnt' sich am Schellfisch laben, Fand im Müll den besten Schmaus, Konkurrierte mit der Maus und auch den Küchenschaben. Das Schiff legt ab zur großen Fahrt Zum Wal in die Antarktis. Die Fliege hat nach ihrer Art Gelegt viel' Eier im Salat Die Maden futtern gratis. Kaum war das Schiff am Ziel der Reis', Packeis sperrt die Walfangspur. Die starken Wanten knackten leis'. Furcherregend kracht das Eis, Schneesturm durch die Luken fuhr. Das Schiff, es barst, 's war sein Ruin. Die Flieg' träumt' grad von Braten ... Treu sorgt die Mutter Pinguin Und füttert ihre Kinderchen Mit der Fliege und den Maden... |
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13.09.2008, 20:52 | #2 |
Gast
Beiträge: n/a
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Hallo Schreibhexe,
die Idee zu deinem vielstrophigen Gedicht finde ich ja wirklich witzig, nur die Umsetzung noch nicht so ganz gelungen. Gerade bei diesen schlichten, gereimten Gedichten sollten Metrik und Versmaß ein wenig mehr beachtet werden, damit das Lesen auch wirklich zu einem Vergnügen wird. Trotz seiner beachtlichen Länge versucht dein Gedicht das Reimschema abbab durchzuhalten, was ich ja beachtlich finde, aber noch besser fände ich es, wenn sich nicht so viele Reimworte doppeln würden. Sich, mich und ich doppeln sich, ebenso Kinderchen" und (und sogar in ein und der selben Strophe) das Wörtchen "nach". Zudem benutzt du sehr viele unreine Reime, was, mit genügend Humor betrachtet, schon fast kultig wirkt, so wie die witzigen, kultigen, skurrilen Reimwortanpassungen beim Limerick, die allerdings ursprünglich auf Ale, Übermut und allgemeine Kneipenstimmung zurückzuführen sind, die Stimmung, aus der heraus einst diese humoristische Gedichtform als eine Art Gesellschaftsspiel entstand. Pinguin/Indien/Kinderchen reimen sich nicht wirklich, ebenso wenig Duft/lupft, Kalkutta/Kutter, Art/Salat, Antarktis/gratis - und die letzte Strophe so ganz und gar nicht. Mindestens fünf deiner Verse beginnen mit dem Wörtchen "der", sieben mit "die", vier mit "und" u.s.w.. Ich glaube, da könnte etwas mehr Abwechselung nicht schaden. Zudem gibt es einige Stellen, an denen die normale Satzstellung arg verdreht wurde. Nur ein Beispiel: Das Schiff, es barst, 's war sein Ruin. Sowas passt nicht wirklich in den sonstigen Sprachgebrauch. Die meisten Strophen hast du in der Vergangenheitsform verfasst, aber ab und an springst du zwischen den Zeiten. Beispiel: Das Schiff legt ab zur großen Fahrt Zum Wal in die Antarktis. Die Fliege hat nach ihrer Art Gelegt viel' Eier im Salat Die Maden futtern gratis. Zudem fallen die vielen Elisionen (siehe z.B. oben, "viel") auf, die man leicht vermeiden könnte, denn gehäuft angewendet wirken sie eher ungeschickt und nicht so sehr wie das beabsichtigte Stilmittel, das sie eigentlich darstellen sollten. Die erste und die beiden letzten Strophen empfinde ich als die schwächsten. Aber, wie gesagt, die Idee ist witzig und der Text schon allein aus diesem Grunde auf jeden Fall eine sorgfältige Überarbeitung wert. Nur nicht entmutigen lassen. LG, Wortbrecherin |
14.09.2008, 18:11 | #3 |
Liebe Wortbrecherin,
danke für die große Mühe, die Du Dir mit meinem Gedicht gegeben hast. Uff! Du bist aber streng! Ich glaube, wenn ich all Deine Korrekturvorschläge beherzigen würde, wäre es nicht mehr dasselbe Gedicht. Und das fände ich schade. Ich geb ja zu, dass es mir hauptsächlich auf einen sinnvollen, originellen Inhalt ankam. Dabei habe ich zwar versucht - ich glaube nicht ganz erfolglos -, die Form - sprich Metrik und Reim - einzuhalten, hab sie aber dort, wo ich keinen reinen Reim finden konnte, doch dem Inhalt untergeordnet. Da es sich um einen witzigen Text handelt, dachte ich, auch ein unreiner Reim, der sinnvoll gesetzt ist, darf hier stehen. In dem Zusammenhang würde ich gern zur Diskussion stellen, was Ihr im Ernstfall für wichtiger haltet: Metrik oder Reim. Ich persönlich halte eine korrekte Metrik für wichtiger, weil sie den Lesefluss und die poetische Stimmung bestimmt. Wenn es partout nicht anders geht, kann ich zugunsten einer Aussage auch auf einen Reim verzichten. Wie steht Ihr dazu? So eine begnadete Dichterin bin ich nicht, dass ich auf den einfachen grammatischen Satzbau (Subjekt, Prädikat, Objekt) verzichten könnte, wenn er sich im Erzählfluss anbietet. Es ist halt eine Ballade, die eine Geschichte mit Dynamik, Fortgang und Schlusspointe erzählt. Mein Reimschema lautet: 1., 3. und 4. Zeile reimen sich. 2. und 5. Zeile ebenfalls. Das findet sich auch in der letzten Strophe, allerdings mit teilweise unreinen Reimen. Warum findest Du, dass die erste Zeile des letzten Verses aus dem Rahmen fällt, nicht passt? Und warum findest Du meine beiden letzten Strophen schwach? Gerade auf die bin ich stolz. Die vorletzte Strophe gibt ein tolles Stimmungsbild wieder (Gefahr, Bedrohung, Kälte, Eingeschlossensein), die letzte führt geradewegs in die Schlusspointe, wobei die erste Zeile die Konsequenz aus der vorletzten Strophe bildet. Allerdings muss ich sagen, es war ein etwas übereilter Schluss. Eigentlich wollte ich noch einen Vers einfügen und kaute ewig lang an dem Bild herum, die Fliege den Pinguinen als Eisbonbon vor die Füße fallen zu lassen. Ich habe dafür keine Form gefunden und deshalb darauf verzichtet. Möglich, dass Dir da eine inhaltliche Lücke aufgefallen ist und Dir deshalb die Strophe nicht richtig gefällt. Die vielen Silbenauslassungen (Elisionen) sind der Metrik geschuldet. Ich benutze das oft als Hilfe. Es lassen sich so Dinge ausdrücken, die sonst nicht funktionieren würden. Noch einmal großen Dank für große Mühe, mein Gedicht kritisch zu kommentieren! LG schreibhexe |
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14.09.2008, 20:02 | #4 |
Gast
Beiträge: n/a
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//Uff! Du bist aber streng! Ich glaube, wenn ich all Deine Korrekturvorschläge beherzigen würde, wäre es nicht mehr dasselbe Gedicht. Und das fände ich schade. Ich geb ja zu, dass es mir hauptsächlich auf einen sinnvollen, originellen Inhalt ankam. Dabei habe ich zwar versucht - ich glaube nicht ganz erfolglos -, die Form - sprich Metrik und Reim - einzuhalten, hab sie aber dort, wo ich keinen reinen Reim finden konnte, doch dem Inhalt untergeordnet. Da es sich um einen witzigen Text handelt, dachte ich, auch ein unreiner Reim, der sinnvoll gesetzt ist, darf hier stehen.//
Unreine Reime können gerade bei humoristischen Gedichten bewusst als Stilmittel eingesetzt werden. Ist es aber zu ersichtlich, dass sie lediglich der Unfähigkeit eines Schreibers einen passenden Reim zu finden entspringen, verliert der Text definitiv an Wirkung. //In dem Zusammenhang würde ich gern zur Diskussion stellen, was Ihr im Ernstfall für wichtiger haltet: Metrik oder Reim. Ich persönlich halte eine korrekte Metrik für wichtiger, weil sie den Lesefluss und die poetische Stimmung bestimmt. Wenn es partout nicht anders geht, kann ich zugunsten einer Aussage auch auf einen Reim verzichten. Wie steht Ihr dazu?// Gute Reimgedicht haben auch viel mit Handwerk zu tun, sie müssen weder auf gute Reime, noch auf gelungene Bilder oder auf korrekte Metrik verzichten, was aber bedeutet, dass dichten eben auch Arbeit und Zeitaufwand bedeutet, dass man vielleicht mal etwas länger tüfteln muss, um das perfekte Bild mit richtig guten Reimen und unter Beachtung von Metrik und Versmaß zu schreiben. Je mehr man sich in die Grundlagen des "Handwerks" vertieft, desto leichter fällt es, alles miteinander in Einklang zu bringen. //So eine begnadete Dichterin bin ich nicht, dass ich auf den einfachen grammatischen Satzbau (Subjekt, Prädikat, Objekt) verzichten könnte, wenn er sich im Erzählfluss anbietet. Es ist halt eine Ballade, die eine Geschichte mit Dynamik, Fortgang und Schlusspointe erzählt.// Du solltest nicht darauf verzichten, Schreibhexe, nur Inversionen, weitestgehend meiden. Diese Satzverdrehungen wirken meist sehr ungeschickt und gestelzt und es ist eigentlich immer möglich, auf die normale Satzstellung und den üblichen Sprachgebrauch zurückzugreifen, wenn man nicht zufällig bei einer bestimmten Textstelle Inversionen explizit als Stilmittel verwenden will. //Warum findest Du, dass die erste Zeile des letzten Verses aus dem Rahmen fällt, nicht passt?// In der ersten Zeile (bei Reimgedichten Vers genannt) der letzten Strophe Das Schiff, es barst, 's war sein Ruin. benutzt du eine Elision, um den Vers in die Metrik zu zwingen. Normalerweise bedeutet der Begriff Elision, dass man eine einzelne unbetonte Silbe eines Wortes weg lässt. Du lässt zwei Buchstaben eines Wortes aus, das nur aus dreien besteht und fabrizierst etwas (in diesem Falle) Unaussprechliches (oder schaffst du es etwa, dieses s' ordentlich und ohne zu stocken mitzulesen?) - dafür setzt du, um der Metrik nachzuhelfen noch ein zusätzliches Wort ein. Normalerweise würde dort nämlich stehen: Das Schiff barst, das war sein Ruin. Sei mir nicht gram, ich würde so ein künstliches "in die Metrik drechseln" Holzhammermethode nennen. //Und warum findest Du meine beiden letzten Strophen schwach? Gerade auf die bin ich stolz. Die vorletzte Strophe gibt ein tolles Stimmungsbild wieder (Gefahr, Bedrohung, Kälte, Eingeschlossensein), die letzte führt geradewegs in die Schlusspointe, wobei die erste Zeile die Konsequenz aus der vorletzten Strophe bildet.// Der Tiger und der Pinguin Sich niemals kennen lernen Der eine herrscht in Indien Der Andre mit den Kinderchen Lebt froh in Südpolfernen. Du beginnst dein Gedicht gleich mit einer Inversion, verdrehst gleich zu Anfang (V2) die Syntax ohne jede Not und benutzt Reime, die (sorry, rein subjektiv) mir die Nackenhaare hochgehen lassen. Kaum war das Schiff am Ziel der Reis', Packeis sperrt die Walfangspur. Die starken Wanten knackten leis'. Furcherregend kracht das Eis, Schneesturm durch die Luken fuhr. Das Schiff, es barst, 's war sein Ruin. Die Flieg' träumt' grad von Braten ... Treu sorgt die Mutter Pinguin Und füttert ihre Kinderchen Mit der Fliege und den Maden... Schau dir in den letzten beiden Strophen bitte einmal die benutzten Zeitformen an. Vorletzte Strophe: V1 = Vergangenheitsform, V2 = Gegenwartsform, V3 = Vergangenheitsform, V4 = Gegenwartsform Dazu befinden sich in dieser Strophe noch die Elisionen Reis' und leis' und die Satzstellung ist arg verdreht. Letzte Strophe: V1/2 = Vergangenheitsform, wobei dies in V2 nur durch das Häkchen an der Elision (träumt') sichtbar wird, hörbar wird es nicht. V3/4 = Gegenwartsform Im zweiten Vers finden sich sogar zwei Elisionen (wenn du das "grad" mitrechnest sogar drei) hintereinander. Die Flieg' träumt' grad von Braten ... Was dort geschrieben steht entspricht absolut nicht mehr dem normalen Sprachgebrauch, es wirkt nur noch wie mit der Schrottpresse ins Metrikförmchen gefädelt. Außerdem fehlt dem Leser da ein Stück Film und Logik, wenn in V2 die Fliege noch vom Braten träumt und eben jene Fliege dann incl. der Maden ohne jede Zwischenstation von Mutter Pinguin verfüttert wird. //Die vielen Silbenauslassungen (Elisionen) sind der Metrik geschuldet. Ich benutze das oft als Hilfe. Es lassen sich so Dinge ausdrücken, die sonst nicht funktionieren würden.// Genau das ist das Problem. Da sollte nichts der Metrik geschuldet sein. Hier werden Elisionen und Inversionen benutzt, wie kleine Kinder Stützräder beim Erlernen des Fahrradfahrens benutzen, oder Schwimmflügel beim Schwimmenlernen. Und ganz genau so sieht das Gedicht dann auch aus. LG, Wortbrecherin |