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Alt 31.05.2023, 16:06   #1
weiblich Ex-LetterLady
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Beiträge: 108


Standard Wer tat das?

einmal seinen Weg zurückgehen

Anno dazumal entschloss ich mich – in Anlehnung an Franz Kafka 1912 – , mich einer „Verwandlung“ zu unterziehen.
Ich gestattete es mir, ein Flusskrebs aus der Ordnung 'Astacus astacus' zu werden.
Laut einem Tierlexikon können diese langschwänzigen Formen rückwärts schwimmen. Und genau das hatte ich vor.

Haben Sie sich schon einmal gewünscht, Ihren Lebensweg zurück zu gehen? Ereignisse wieder zu treffen? Freunde noch einmal zu sehen? Nebenher zu überlegen, ob Sie dies oder jenes in derselben Weise erneut tun würden?
Ich jedenfalls stellte es mir wundervoll vor, irgendwann bei meiner Geburt anzukommen und mich wieder in die Höhle totaler Geborgenheit zu flüchten.

Die ersten Jahrzehnte, die ich durchkrabbelte, boten wenig Wichtiges. Ich sah mich am Computer Texte schreiben und Kontakte über das Internet knüpfen – und wunderte mich nur noch einmal, daß ich mir diese Fähigkeiten hatte aneignen können.

Ein großes Ereignis war die Begegnung mit meinen beiden Kindern im Jahre 1992. Sie hatten gerade Abitur gemacht und beabsichtigten, das Elternhaus zu verlassen, um für eine Berufsausbildung an eine Universität zu gehen.

Lange danach erreichte ich 1973 und 1972, die Geburtsjahre meiner Kinder, und wunderte mich, wie gelassen ich in dieser Zeit noch gewesen war. Diese Jahre wären es wert, sich noch einmal länger darin aufzuhalten.

Aber ich mußte weiter.

Ich überging mit kleinen Sprüngen rückwärts meine Zeiten der Berufstätigkeit, meine Facharzt-Ausbildung, meine Promotion, meinen Universitäts-Abschluß, mein Abitur - und meine erste Liebe.

Jetzt war ich in den Jahren 1943 bis 1945 angekommen - und mußte noch einmal Entsetzliches durchleben: Sirenen-Geheul tags und nachts, im Luftschutzkeller Bomben-Angst, Lichtkegel der Flak am Himmel, feindliche Bomben-Geschwader über der Stadt, Flucht aus der Heimat in einem der letzten Züge - die noch fuhren, den Untergang Dresdens aus der Ferne miterlebend, das Sterben-Wollen meines kleinen Bruders, die Armut danach. - Ich sah die Mütter, die um Leben und Nahrung kämpften und nicht mehr schlafen konnten. Ich sah auch mich, am liebsten auf der Straße spielend.

Dann kam ich ins Jahr 1941. Ich überquerte eine Straße und wurde von einer Straßenbahn überfahren. Mir war klar, daß ich am Ende meiner Reise angekommen war. Das Jahr 1935 gab es nun für mich nicht mehr.
Und somit war ich gar nicht geboren worden.

Was aber - in aller Welt - sollte ich jetzt mit mir anfangen?
Ex-LetterLady ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 31.05.2023, 17:09   #2
weiblich Ilka-Maria
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Benutzerbild von Ilka-Maria
 
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Ort: Arrival City
Beiträge: 31.103


Wow! Das uralte Phänomen: Was wäre, könnte man zurückgehen? Antwort: Man wäre nicht geboren worden.

Auf dieses Ergebnis kommt jeder Mensch, der sich die Zeit linear denkt. Aber mittlerweile gibt es andere Zeitmodelle, in denen Bewegungen zwischen den Zeiten möglich wären.

Egal. Für uns bleiben es Vorstellungen, und die hast du gut beschrieben.

LG
Ilka
__________________

Workshop "Kreatives Schreiben":
http://www.poetry.de/group.php?groupid=24
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.06.2023, 07:41   #3
weiblich DieSilbermöwe
 
Benutzerbild von DieSilbermöwe
 
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Alter: 61
Beiträge: 6.715


Hallo LetterLady,

ich finde auch, dass es eine nette Geschichte ist und gut geschrieben.

Hallo Ilka,

Zitat:
Wow! Das uralte Phänomen: Was wäre, könnte man zurückgehen? Antwort: Man wäre nicht geboren worden.
Ja, der springende Punkt ist aber, dass sie jetzt ein Flusskrebs ist bzw. als Flusskrebs von der Straßenbahn überfahren wurde.

Zitat:
Was aber - in aller Welt - sollte ich jetzt mit mir anfangen? .
Zumindest, wenn man die Sache surrealistisch betrachtet.

LG DieSilbermöwe
DieSilbermöwe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.06.2023, 13:47   #4
weiblich Ex-LetterLady
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Dabei seit: 05/2023
Beiträge: 108


Hallo - Ihr beiden.

Ich freue mich riesig über Euere Kommentare!
Das sind Gedanken, die ich mir zu meinen Versen noch gar nicht gemacht habe.

Danke dafür.
Und danke vor allem auch, dass Ihr gelesen und reagiert habt.
Ex-LetterLady ist offline   Mit Zitat antworten
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