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Alt 24.03.2023, 21:19   #1
männlich Dionysos von Enno
 
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Standard Friedhofsblumen

Sag doch was, Mutter. Irgendwas. Du hast doch immer geredet. Irgendwas ist dir doch immer eingefallen. Wenn ich nichts mehr zu sagen wusste, wenn mich alle Worte verlasen hatten, dann hast du gesprochen, geschrien, geflüstert. Du warst doch immer Stimme, meine Stimme.

Weißt du noch damals, als sie mich beim Fälschen deiner Unterschrift in der Schule erwischt hatten ? Ich hatte solche Angst mit einem Sechser in Deutsch nach Hause zu kommen und habs dir nicht erzählt und deine Unterschrift gefälscht Als der Direktor uns zu sich bestellt hatte, was du zu ihm gesagt hast: Das ist meine Unterschrift hast du gesagt. Ich bin allein erziehend und hatte vorher den Müll runter gebracht. Bei ihnen zu Hause braucht das ihre Frau sicher nicht machen, weil sie das übernehmen. Aber wir haben niemanden, keinen Mann, der das übernehmen kann. Deswegen ist die Schrift so krakelig. Deswegen ist die Schrift so verwischt. Das ist der Schweiß, denn wir wohnen im sechsten Stock ohne Aufzug und es war viel Müll an diesem Tag. Und wie sich der Direktor dann kleinlaut entschuldigt hat, weißt du das noch Mutter ? Da warst du mal wieder meine Heldin. Ich brauchte niemandem zu erzählen, dass ich Versager beim Unterschreiben, beim Fälschen deiner Unterschrift, noch die ein oder andere Träne aufs Blatt getropft habe und mein ohnehin schon dilletantisches Werk komplett amateurhaft verwischt, ausgesehen hat, wie ein Zeugnis auf das ein Hund sein Geschäft verrichtet hat. Und dann hast du mich ordentlich ausgeschimpft. Aber erst als wir wieder zu Hause waren. Sowas hast du nie vor den Leuten gemacht.

“Entschuldigung, mit wem sprechen sie denn da guter Mann ?”

“Oh nur mit meiner Mutter junge Dame, entschuldigen sie bitte. Ich lebe allein. Da beginnt man irgendwann mit sich selber zu sprechen oder eben mit seiner toten Mutter. Meine Mutter wurde vor einer Woche hier beerdigt. Leider hab ich keinen früheren Flug aus den Staaten bekommen, aber jetzt bin ich ja hier. Ein schönes Grab ist es geworden. Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, dass ich mit dem Beerdigungsunternehmen über Akelei gesprochen hatte. Sieht einfach toll aus”

“Danke. Die habe ich selber ausgesucht. Für meine Mutter, die auch vor einer Woche gestorben ist”

“Das ist ja ein Zufall. Da möchte ich fast sagen, sie haben einen guten Geschmack. Da hatten wir wohl bei dieselbe Idee”

“Das glaube ich kaum”

“Entschuldigung ?”

“Das ist nicht das Grab ihrer Mutter, sondern das Grab meiner Mutter. Schauen sie da auf dem Holzkreuz steht doch sogar ihr Name”

“Ja aber das ist doch der Name meiner Mutter!”

“Entschuldigung, junger Mann, das ist doch ein ganz schlechter Scherz, den sie mir hier aufzwingen. Haben sie denn überhaupt keinen Anstand ? Wie können sie so mit den Gefühlen anderer Menschen spielen. Meine Mutter hat mir viel bedeutet. Ich habe sie persönlich bis zum Ende gepflegt, beerdigt und jedes Lied, jedes Gebet, jede Blume ausgesucht. Wir haben sie letzte Woche genau hier beerdigt”.

“Aber dieses Grab, fünfte Reihe, achtzehntes Grab von links, das war das Grab, das man mir beim Beerdigungsinstitut genannt hatte und ich habe es mehrfach abgezählt und der Name stimmt ja auch”

“Aber dieses Grab vor dem wir stehen ist das achtzehnte Grab von links in der sechsten Reihe!”

“Nein”

“Doch, schauen sie mal hinter uns in die fünfte Reihe. Da müsste es sein”

“Ok ich schaue nach und prüfe es”

“Ja machen sie das und dann kommen sie wieder und berichten mir. Ist aber nett, dass sie so freundlich mit meiner Mutter gesprochen haben. Sie mochte Fremde. Sie mochte vor allem Studenten. Sie war sehr wissbegierig, Hat bis zuletzt nicht auf ihre Historienromane verzichtet. Da hatte sie aber schon die Lungenentzündung von der Leukämie. War dann nur noch eine Sache von Tagen. Dabei war sie geistig noch völlig klar. Ich. Entschuldigung”

“Oh nein, sie müssen sich doch nicht entschuldigen. Hier nehmen sie das Taschentuch. Es tut mir einfach schrecklich leid. Ich prüfe schnell mein Ungeschick. Nur einen kleinen Moment”

“Danke für das Taschentuch”

“Sie haben Recht! Meinte Mutter liegt da oben. Auf ihrem Holzkreuz stehen auch die richtigen Geburts- und Sterbedaten”

“Das heißt aber auch, dass unsere Mütter den gleichen Vor- und Nachnamen hatten”

“Ja, das heißt es wohl”

“Das ist irgendwie gruselig”

“Es ist irgendwie ein schöner Gedanke, dass sie so nah beieinander liegen. Vielleicht hätten sie sich im Leben gut verstanden. Meine Mutter mochte auch sehr gerne lesen. Sie hatte es nicht leicht und nie viel Zeit. Aber Abends habe ich sie oft lesen gesehen. Meistens Biographien von berühmten Personen. Marilyn Monroe. Das war ihre Heldin. Naja , sie war alleinerziehend. Mein Vater hat sie verlassen, als ich noch keine drei Jahre alt war. Mit mir hatte sie es sicher auch nicht leicht. Meine Psychotherapeutin hat später mal gesagt, ich sei sicher ihre größte Herausforderung gewesen”

“Oh dann hoffe ich mal, die Therapie hat ihnen was gebracht. Ich habe zwar die besten indischen Kochrezepte von meinem Psychotherapeuten aber meine Problemchen schleppe ich immer noch mit mir rum. Meine Mutter war in gewissem SInne auch alleinerziehend. Mein Vater war Bankdirektor in unserer Stadt. Der war immer unterwegs. Meine Mutter hat die ganze Hausarbeit gemacht und sich um uns gekümmert. Als mein Vater starb habe ich seine Hand gehalten und ich habe mich geschämt, denn es fühlte sich so an, als hätte ich die Hand eines Fremden gehalten.”

“Ist ihr Psychotherapeut Inder ?”

“War”

“War ihr Psychotherapeut etwa Inder ?”

“Nein. Aber er hatte irgendwie so ein Ding mit Indien und ich hab so ein Ding mit kochen”

“Das ist wunderbar. Ich kann überhaupt nicht kochen. Ich lebe allein. Da wird man seltsam”

“Das sagten sie bereits. Ich verrate ihnen mal ein Geheimnis: Ich lebe auch allein und bin kein Stück seltsam”

“Das glaube ich ihnen sofort. Ich sehe ja, wie adrett sie ihre dunkelbraunen Locken tragen, ihr schöner, roter Mantel zu ihren hohen schwarzen Lederstiefeln passt. Und dieser kecke, rote Schal. Ist das Kaschmir ?”

“Ja das haben sie aber gut erkannt”

“Lassen sie mich raten. Den hat ihnen ihr Therapeut aus Indien mitgebracht ?”

“Nein. Den habe ich mir selber gekauft in Venedig. Stellen sie sich das mal vor”

“Das finde ich wunderbar. Ich gehe sehr ungern einkaufen. Ich fühle mich da schnell verloren”

“Ich habe mich als Kind immer verloren gefühlt. Vor allem nachts. Habe oft wach in meinem Bett gelegen und mir gedacht, was wenn meine Eltern gar nicht meine Eltern sind und sie nur Masken tragen. Wenn alle Menschen nur Masken tragen”

“Das ist komisch. Das habe ich auch als Kind gedacht. Das war mir gar nicht bewusst, bis sie es gerade erwähnten. Aber jetzt erinnere ich mich. Oft hat mich dann die Stimme meiner Mutter wieder beruhigt. Habe sie gar nicht angesehen, einfach nur ihre Stimme gehört. Sie hatte so eine warme, ganz liebevolle Stimme. Verstehen sie mich nicht falsch. Sie konnte auch ganz anders sein und Nachts hatte ich die meiste Angst vor ihr. Da hatte ich oft das Gefühl, dass sie sich in ein mythisches Wesen verwandelt, eine Art Zauberkundige, eine Hexe oder mächtige Magierin”

“Warum gerade nachts ?”

“Ich weiß es nicht. Ich denke die Grenze zwischen den Welten ist dann besonders, wie sagt man da jetzt, permeabel.”

“Ja. Das verstehe ich. Das ist eine wunderbare Vorstellung. Das man sich einfach auf die Stimme konzentriert, wenn man denkt, dass alles um einen herum nicht wirklich wirklich ist. Sie haben eine schöne Stimme. So tief. So ruhig”

“Sie finden meine Stimme ruhig. Bitte nicht einschlafen! Ich genieße unser Gespräch gerade so sehr. Es kommt nicht oft vor, dass ich mich mit Menschen so unterhalten kann, wie mit ihnen

“Nein nicht einschläfernd ruhig. Beruhigend ruhig. Ich könnte mir vorstellen, dass ihre Stimme Dämonen vertreiben kann”

“Wow. Das hat noch niemand zu mir gesagt. Wissen sie, bei uns hat immer meine Mutter gesprochen. Es war immer ihre Stimme, die mich geleitet hat und aufgefangen hat”

“Sie war ihnen nah”

“Ja sehr nah

“Und trotzdem waren sie nicht da, als sie gestorben ist. Nicht einmal bei ihrer Beerdigung waren sie”

“Das stimmt”

“Warum?”

“Das ist eine schwierige Frage”

“Vielleicht haben sie sie zu sehr geliebt. So sehr geliebt, dass sie sie bereits im Leben haben sterben lassen in der Hoffnung, dann ihren Tod besser zu verkraften”

“Entschuldigung ?”

“Nein, entschuldigen sie bitte. Ich war sehr aufdringlich und unverschämt mit meiner Überlegung. Ich nehme es zurück. Bitte entschuldigen sie”

“Nein, so war das nicht gemeint. Das ist ein sehr mutiger Gedanke und ich befürchte einer, der mich noch in viel zu gutem Licht da stehen lässt. Ich habe mich dasselbe gefragt. Warum bist du nicht früher rüber geflogen. Wieso warst du in ihren letzten Tagen nicht bei ihr. Wieso hast du alles übers Telefon geregelt. Sie hat sich nie beschwert. So, als wüsste sie -unausgesprochen- dass ich nicht gekommen wäre, selbst, wenn sie mich gefragt hätte”

“Das ist grausam”

“Ja grausam und feige und furchtbar egoistisch. Vielleicht haben sie doch recht und es hat etwas mit meinen Ängsten zu tun, sie zu verlieren”

“Mit ihrer Stimme”

“Mit meiner Stimme ?”

“Seit sie so ruhig und freundlich mit meiner Mutter gesprochen haben, spricht sie nicht mehr zu mir. Ich habe es ausprobiert. Jeden Tag war sie da in meinem Kopf, hat keine Ruhe gegeben, hat geredet, wie sie im Leben geredet hat. Doch heute nicht. Sie hat noch keinen einzigen Ton gesagt dabei habe ich sie schon auf das Übelste beschimpft und geneckt”

“Hey. Das ist gut. Habe ich doch gerne gemacht.”

“Und wo wir beide auch denselben Nachnamen haben und unser Mütter ja quasi Nachbarinnen sind, da kann ich vielleicht auch ihrer Mutter eine Stimme geben, damit sie wieder mit ihnen spricht”

“Aber sie hat doch eigentlich mein ganzes Leben lang gesprochen. Sie war doch meine Stimme. Ich hatte doch eigentlich gar keine eigene”

“Das sollten wir sie fragen. Oft ist es doch so, dass wir das Gefühl haben, alle um uns herum, würden nur Masken tragen und wären nicht wirklich real"

“Dann schließen sie einfach ihre Augen und ich singe ihnen etwas vor oder lese ihnen ein Gedicht.

"Sie sind ziemlich mutig, junger Mann. Sowas trauen sich nicht viele bei mir"

"Ich würde sie gerne auf einen Mokka einladen, Ich habe wunderbaren Mehmed Effendi. Wir könnten später zum Inder gehen”

“Das klingt wunderbar"
Dionysos von Enno ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.03.2023, 19:22   #2
Friedrich
 
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Hallo Dionysos,

ich habe Deine Geschichte zweimal gelesen und frage mich noch immer: Was ist die Idee, die alles zusammenhält?

Eine junge Frau trifft einen Mann an einem Grab und es stellt sich heraus, daß der Mann am falschen Grab steht, es ist das Grab der Mutter der jungen Frau. Das Grab der Mutter des Mannes liegt genau am selben Platz, jedoch eine Reihe dahinter.

Im Gespräch stellen sich eine Menge Übereinstimmungen heraus. Beide Mütter trugen denselben Namen und starben am selben Tag. Beide lebten im Grunde mit ihrer Mutter allein. Die Mutter des Mannes wurde von ihrem Ehemann verlassen, die der jungen Dame lebte quasi allein, weil ihr Ehemann fast nie zuhause war. Beide, Mann und junge Dame, waren in Behandlung bei einem Psychiater, beide hatten die gleichen Kindheitsträume. Beide leben allein.

Eine besondere Bedeutung in der Geschichte kommt wohl der menschlichen Stimme zu. Am Anfang redet der Mann mit seiner Mutter, die allerdings nicht die seine ist. Die junge Dame findet, daß der Mann eine angenehm auf sie wirkende Stimme hat. Der Mann erinnert sich, daß die Stimme seiner Mutter ihn getröstet hat, als er klein war und Angst hatte. Seit der Mann versehentlich am Grab der falschen Mutter gesprochen hat, spricht diese nun nicht mehr in Gedanken der jungen Frau, sie ist verstummt.

Am Schluß lädt der Mann die junge Frau zu sich zu einem Kaffee ein und sie geht bereitwillig mit.

Es scheint mir, als wären die beiden vom Schicksal als Paar vorherbestimmt worden, und die Mütter der beiden hätten den Bund dadurch gestiftet, daß sie zur gleichen Zeit gestorben sind und nahezu am selben Ort begraben wurden. Das ist meine Hypothese.

Was mir an der Geschichte gut gefällt, ist die gepflegte Sprache der beiden. Das ist Konversation auf hohem sprachlichen Niveau. Ein Satz fällt allerdings dabei heraus
Zitat:
Aber er hatte irgendwie so ein Ding mit Indien und ich hab so ein Ding mit kochen”
Mit liebem Gruß

Friedrich
Friedrich ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.03.2023, 11:04   #3
männlich Dionysos von Enno
 
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Hi Friedrich,

zunächst einmal ein Dankeschön für die neuerliche Beschäftigung und Auseinandersetzung mit einem meiner Texte.

Anbei ein paar Gedanken zu Deinen wertvollen Überlegungen, wobei meine Deutungshoheit über den Text in meinem Verständnis mit dem Augenblick seiner Veröffentlichung endet, sich meine Überlegungen gleichberechtigt neben alle anderen Eindrücke meiner geschätzten Leserinnen gesellen.

Ich möchte meine Anmerkungen daher gerne lediglich als Stichworte. als eine zusätzliche, subjektive Ausdeutung, die durch Deine Gedanken angeregt sind, auf gleicher Ebene "dazu stellen".

1. Dies vorweg geschickt beginnt Dein Kommentar zu Recht mit der Frage danach, welche Idee "alles zusammenhält". Eine für mich nennenswerte Prämisse des Stückchens ist: "Aufrichtigkeit führt zur Auflösung von Projektionen und Abhängigkeiten und zu einer tieferen Verbundenheit". Unsere Protagonisten sind offenbar beide eingebunden in ein durchaus ambivalentes Verhältnis zu ihren Eltern, an dem sie ultimativ in Aufrichtigkeit gewachsen sind, was sie bewusster gemacht hat für ihre eigene Situation und die Welt um sie herum. Diese Rücknahme von Projektionen findet sich auch in ihrer doch sehr zugewandten und aufrichtigen Kommunikation wieder und führt endlich dazu, dass sie uns das ganze vielfältige Spektrum menschlicher Emotionen aufzeigen in ihrem durchaus leichten Dialog, wobei selbst der Humor (der doch so wichtig ist , gerade in Auseinandersetzung mit dem Tod) nicht zu kurz kommt.

2. Deine Inhaltszusammenfassung liest sich übrigens wirklich vorbildlich! Ich glaube dafür hättest du damals zu meiner Gymnasialzeit die Bestnote abgestaubt ;-)

3. Auch in meinem Verständnis des Textes hat die Stimme hier etwas erlösendes. IN einer Welt, die unsere beiden gerade als Kinder offenbar bei all ihrer Schönheit, auch ordentlich irritiert hat (wer trägt Masken, wer ist echt ?) ist die Stimme, nochmehr der Klang der Stimme, ein gewissenhafter, vertrauensvoller Wegweiser. Die Stimme ist -zusammen mit dem Rauschen des Blutes der Mutter- vielleicht das erste, das das werdende Kind im Mutterleib erreicht. Dunkel womöglich, ahnungsvoll, virbrierend. Schon hat sie einen bestimmten Klang, den nur die Stimme der eigenen Mutter hat. Und doch müssen wir alle unsere eigene Stimme im Leben (wieder)finden. Das hast Du wunderbar herausgearbeitet und völlig zu Recht hervorgehoben auch in meinem Verständnis.

4. Ich gebe Dir Recht, dass der Ausspruch "ein Ding für.." eine aus dem FLuss des Dialogs nicht erklärbare qualitative Absenkung darstellt, die überarbeitet gehört.

5. Deine Hypothese finde ich sehr interessant, wobei in rein kausaler Betrachtung ja auch verschiedene andere Ursachen erst zum Treffen geführt hatten, etwa, dass der Sohn eben erst so spät ans Grab der Mutter reiste. Hätte er sich vorher um sie gekümmrt, wäre sie vielleicht sogar erst eine Woche später gestorben usw. usf. Dennoch gefällt mir deine Hypothese so gut, weil sie ein letztes Geschenk der beiden Mütter an ihre Kinder darstellen könnte, eine Art Wiederherstellung des karmischen Gleichgewichts. So gelesen, wie Du es vorschlägst, lieber Friedrich, bekommt die Geschichte gar etwas Märchenhaftes und damit eine kindliche Nunancierung, die mir unheimlich gut gefällt !

Merci !

mes compliments

Dionysos
Dionysos von Enno ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.03.2023, 12:07   #4
Friedrich
 
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Lieber Dionysos,

vielen Dank für Deine aufklärenden Worte. Die Mutter der jungen Frau wirkt auf die beiden Hinterbliebenen wie ein Katalysator, der die Kindheits- und sonstigen Erinnerungen weckt. In der Geschichte steckt eine Menge Intelligentes und deshalb lohnt es sich auch, sie lesen und sie sich auf sich wirken zu lassen. Was mich dabei ein wenig stört, ist, daß die beiden Mütter denselben Namen tragen. Das ist doch nahezu ausgeschlossen. Vor allem: wenn die beiden Seelenverwandten nun heiraten wollten (kann man sich noch besser verstehen?) dann erschiene es dem Standesbeamten, als wollten zwei Geschwister den Bund der Ehe eingehen. (Verdacht auf Inzest)

Lieber Gruß

Friedrich
Friedrich ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.03.2023, 12:14   #5
männlich Dionysos von Enno
 
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Zitat:
Zitat von Friedrich Beitrag anzeigen
Lieber Dionysos,
Das ist doch nahezu ausgeschlossen. Vor allem: wenn die beiden Seelenverwandten nun heiraten wollten (kann man sich noch besser verstehen?) dann erschiene es dem Standesbeamten, als wollten zwei Geschwister den Bund der Ehe eingehen. (Verdacht auf Inzest)

Lieber Gruß

Friedrich
Hi Friedrich,

das ist aus der kausalen Wahrscheinlichkeitsbetrachtung des reduktionistischen Vernunftverstandes ein durchaus herleitbarer Widerspruch, den du uns hier aufzeigst. Und konsequent in diesen Schlussfolgerungen weitergedacht, kommst du zu einer inzestuösen Beziehung und damit könnte man der Geschichte tatsächlich eine ganz interessante neue Richtung geben: Was, wenn die beiden gar nicht wissen, dass sie Geschwister sind ? Genug Stoff für ordentlich Konflikte und möglicherweise eine intensive Story. Bravo !

Schön, dass Du noch tiefer eintauchst in die Bilderwelt des Textes!!

Vielleicht haben wir es hier sogar mit derselben Person (Selbstbegegnung mit Grab!) zu tun und es geht um die chymische Hochzeit des Individuums in die Erkenntnis und der Tod der Mutter ist -wie du schreibst der Katalysator- dieser "seelischen Synthese" ? Das letzte Geschenk der ambivalenten Mutter an den Monomythos des Sohnes: Der Beginn einer Ganzwerdung, eine hochpersönliche Form der coincidentia oppositorum.

mes compliments

Dionysos
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