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Alt 08.04.2023, 20:59   #1
weiblich Ilka-Maria
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Standard Alles für die Katz!

Einmal pro Woche mussten wir im Gemeindehaus zum Konfirmandenunterricht antreten. Aufgabe Nummer eins: Die zehn Gebote auswendig lernen. An die sich kein Mensch hielt, was wir damals schon wussten. Wir waren keine frisch geschlüpften Küken mehr, sondern hatten längst mitgekriegt, dass der Metzger beim Wiegen der Wurst beschiss, der Patenonkel seinen Lohn beim Poker verspielte und es in jeder Familie mindestens einen Drecksack gab, der fremdging.

Aber wir lernten fleißig: Du sollst dies nicht, du sollst das nicht. Obwohl jeder von uns wusste, dass er oder sie gegen mindestens sechs dieser Gebote im Laufe seines oder ihres Lebens verstoßeh würde, weil das Lebens sonst nicht lebenwert wäre.

Pfarrer Seemann von der Johannesgemeinde, der uns unterrichtete, hatte eine feuchte Aussprache, und meine Eltern wunderten sich, weshalb ihr Vorrat an Papiertaschentüchern rapide abnahm. Ich zuckte die Schultern und hielt die Schnauze, denn ich war nur eine kleine Wurst, der man keine Erklärung abgenommen hätte. Der Höhepunkt meines Unterrichts war gewesen: "Gott wird niemals zulassen, dass Menschen auf dem Mond landen!" In seiner vorauseilenden Empörung spuckte uns Pfarrer Seemann wieder Tröpfchen ins Gesicht, so dass an diesem Nachmittag statt der gewohnten zwei Taschentücher eins mehr dran glauben musste.

Dabei hatte ich gar keine Lust darauf, konfirmiert zu werden. Zwar liebte ich, in meiner Schul-Bibel zu lesen, weil ich die Geschichten darin spannend fand und sie mit schönen Bildern geschmückt waren, Stiche alter Meister mit vielen Details; aber die Vorbereitung, die ein Jahr lang dauern sollte, war eine Beschneidung meiner Freiheit und deshalb ätzend. Nicht nur der Unterricht bei Pfarrer Seemann war quälend, sondern auch der Zwang, jeden Sonntag um zehn Uhr mit einem Kontrollkärtchen zum Gottesdienst anzutanzen, auf dem der Küster an der Pforte einen Anwesenheitsvermerk machte. Dann ging das Prozedere los: Begrüßung, singen, Vaterunser beten, singen, Predigt anhören, Münzen in den Klingelbeutel werfen, singen, Vaterunser beten, Segen, Glockengeläut … Und nix wie raus!

Trost spendete der Duft, der mir aus unserer Küche entgegenwehte, besonders, wenn es eine der Spezialitäten meiner Eltern gab: Papa verstand sich auf die Zubereitung von Brathähnchen, Mama war Expertin für gedünsteten Fisch, was ihrer Herkunft zu verdanken war, denn sie war an der Ostsee aufgewachsen. Sobald das Essen auf dem Tisch stand, konnte für mich der Sonntag beginnen. Zwar musste ich hernach das Geschirr spülen, aber das nahm ich als wenig belastendes Übel in Kauf.

Was mich viel mehr ankotzte, war das Engagement meiner Patentante. Eines frühen Nachmittags, als ich gerade mit den Hausaufgaben für die Schule fertig war und zu meinen Spielkameraden aufbrechen wollte, tauchte sie auf, um mir zu offerieren, wir müssten Schuhe kaufen gehen. Ich verstand nur Bahnhof, denn Schuhe hatte ich genug: Jeweils ein Paar in Schwarz und Braun und ein Paar schwarze Lackschuhe für sonntags. Aber Tante Helene schleppte mich mit und ließ mir im Schuhgeschäft mindestens zwanzig Paar schwarze Pumps mit Sechszentimeter-Absatz anprobieren, die alle nicht passten, weil ich schon damals, dreizehn Jahre alt, Schuhgröße sieben hatte und die Auswahl für U-Boot-Füße beschränkt war, erst recht, wenn die Füße vorne breit, aber an den Fersen schmal waren. Schließlich gab ich auf und tat so, als könne ich in den Schuhen laufen, obwohl sie mir von den Fersen rutschten und ich die Zehen krallen musste, um mehr Druck auf die Fersenballen zu bekommen und diese elenden Schlappen nicht zu verlieren.

Die Fußfolterinstrumente, die ich zur Konfirmation tragen sollte, hatten wir also im Sack. Aber damit war meine Leidenszeit nicht beendet: Fahrt in einen Vorort zu einer Schneiderin, die mir ein Konfirmationskleid auf den Leib nähen sollte. Tante Helene hatte ihre Vorstellung von Stoff und Modell und war bereit, sich ihren Spaß etwas kosten zu lassen. Für mich hieß das: Jede Woche einen Spielnachmittag oder Kinobesuch weniger, Anprobe und nochmal Anprobe, hier noch eine Änderung und dort noch einen Abnäher, jede Menge Nadelstiche, die mir in die Haut gingen und mir immer mehr den Zauber, den die Bibelgeschichten einst auf mich ausgeübt hatten, versauten. Zudem tat mir meine Mutter leid, die ganz andere Vorstellungen davon hatte, was ich zur Konfirmation tragen sollte. Für sie war ich noch das kleine Mädchen, und sie hatte etwas Leichtes und Duftiges im Sinn gehabt, das sie für weniger Geld, als Tante Helene investierte, von der Stange hätte kaufen können. Und Mama hatte recht: Wenn ich heute das Foto von meiner Konfirmation betrachte, sehe ich einen Teenager in der Kleidung einer Matrone, die bei einem Café-Besuch die Rente ihres verstorbenen Gatten in Schwarzwälder Kirsch investierte. Aber schon damals war mir klar geworden, dass Tante Helene nicht den besten Geschmack der Nachkriegswirtschaftswunderwelt hatte – den hatte Änne Burda -, aber Mama gab ihr nach, weil sie meine Patentante war, nicht die eigenen Kinder bekommen konnte, die sie sich wünschte, und deshalb mit mir verrückt spielte.

Man könnte auch sagen: Die beiden Frauen hatten Mitleid miteinander. Tante Helene war Friseurmeisterin, mein Onkel Heinz Schornsteinfegermeister. Sie verdienten gutes Geld: Double income, no kids, würde man heute sagen. Meine Eltern waren Arbeiter, Papa Schlosser, Mama durch Krieg und Vertreibung ohne erlernten Beruf. Tante Helene und Onkel Heinz hatten Spaß an mir, aber gleichzeitig auch das Gefühl, meinen Eltern etwas Gutes zu tun, wenn sie sich um mich kümmerten und ab und zu für meine Ausstattung sorgten, denn sie konnte es sich leisten. Als sie jedoch trotz dieses Ausbildungsunterschieds merkten, dass es auch in unserem Haushalt bergauf ging und Onkel Heinz meinem Papa, seinem älteren Bruder, den Rang nicht ablaufen konnte, entstand eine Rivalität, die später zum Zerwürfnis führen sollte.

Aber zurück zu meiner Konfirmation, die unmittelbar bevorstand. Das Sahnehäubchen hatte Tante Helene noch in der Hinterhand: drei goldene Armreifen, einer glatt, zwei graviert, als ihr persönliches Geschenk zu meinem großen Tag. Sie musste vom Goldschmied in jeden Armreif einen Zentimeter einarbeiten lassen, damit sie sich über meine Klaue streifen ließen. Wie meine Füße waren meine Hände im Verhältnis zu meiner Körpergröße eine Winzigkeit zu groß ausgefallen, da war mit Finger zusammenpressen und Daumen einklappen die Standardgröße nicht zu beeindrucken. Die Erweiterung der Armreifen hatte allerdings zu Folge, dass sie instabil wurden, beinahe weich wie Gummi, so dass sie mit der Zeit Dellen bekamen. Außerdem war das Geklapper am Armgelenk nervig. Jahre später gab ich sie zum Tagesgoldpreis bei einem Juwelier in Zahlung.

Am Tag meiner Konfirmation setzte sich Papa auf die hinterste Bank im Gemeindehaus direkt neben den Ausgang – eine Kirche hatte eine mittellose evangelische Glaubenskongregation wie die Johannesgemeinde Anfang der Sechziger Jahre noch nicht -, weil er seit Wochen wegen eines Bandscheibenvorfalls krankgeschrieben war und unter starken Schmerzen litt. Einmal sah ich, wie er sich unbemerkt nach draußen begab, weil er das Sitzen nicht mehr aushielt. Derweil stellte Pfarrer Seemann uns komische Fragen, von denen ich nicht eine hätte beantworten können, aber zu meinem Glück meldeten sich genügend anderer meiner Kommilitonen mit Fingerschnippen und gaben bereitwillig Auskunft. Das Schlimmste für mich war der Empfang des Abendmahls, denn da musste ich vortreten und auf einem länglichen Kissen vor dem Pfarrer knien, der zwischen mir und dem Altar stand, und mir eine Oblate auf die ausgestreckte Zunge legte. Halt so ein Stück Pappkarton, auf das meine Mutter zur Weihnachtszeit den Kokosteig pflanzte, den wir "Makronen" nannten und auf den wir uns stürzten, wenn er aus dem Backofen kam.

Dann musste ich aus einem Krug einen Schluck trinken. Da wurde meine letzte Hoffnung enttäuscht. Denn Wein sieht nicht nur anders aus als der Seih einer Linsensuppe, sondern schmeckt auch anders. Kurz gesagt: Ich ging nicht nur nüchtern, sondern auch ernüchtert nach Hause. Nach diesem Schluck aus dem Krug fiel ich endgültig vom Glauben ab. Davor hatten die Gottesdiener noch Chancen, mich bei der Stange zu halten. Aber nach dem, was das "Blut Jesu" sein sollte, konnten mir Gottesdiener erzählen, was sie wollten. Die Amis hatten auf dem Mond geflaggt, und der Brei war gegessen! Für manche Gutgläubige schwere Kost.

Aber was kümmerten mich die Amis und der Mond? Über mich wurde verfügt, einfach so. Über mich, einen Streuner, der immer seine Freiheit hatte und bis dahin den ganzen Tag hatte machen können was er wollte.

Ein Jahr später, ich war vierzehn, hatte ich die mir verfassungsmäßig zustehende Option, aus dem Religionsunterricht auszutreten, gezogen. Der Rektor meiner Schule schrieb meinen Eltern einen Brief, und sie zwangen mich, weiter am Religionsunterricht teilzunehmen.

Ergebnis: Mit einundzwanzig, als ich selbst über mich bestimmen konnte, trat ich aus der Kirche aus. Der Glaube, in dem ich erzogen worden war, wurde mir dadurch nicht fremd. Aber ich wollte mich in diesem Glauben frei fühlen. Meine Eltern und meine Pateneltern hätten sich die Kosten für meine Camouflage und mein Vater sich seine Rückenschmerzen auf der Rückbank im Gemeindehaus sparen können. Die Dachhasen des Viertels lassen grüßen: Alles für die Katz!
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Alt 09.04.2023, 11:07   #2
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Zitat:
Einmal pro Woche mussten wir im Gemeindehaus zum Konfirmandenunterricht antreten
Wir auch sogar zwei Jahre lang.

Zitat:
Nicht nur der Unterricht bei Pfarrer Seemann war quälend, sondern auch der Zwang, jeden Sonntag um zehn Uhr mit einem Kontrollkärtchen zum Gottesdienst anzutanzen, auf dem der Küster an der Pforte einen Anwesenheitsvermerk machte. Dann ging das Prozedere los: Begrüßung, singen, Vaterunser beten, singen, Predigt anhören, Münzen in den Klingelbeutel werfen, singen, Vaterunser beten, Segen, Glockengeläut … Und nix wie raus!
Einen Anwesenheitsvermerk gab es bei uns nicht, aber ich wohnte in einem kleinen Dorf, wo jeder jeden kannte. Wenn da einer nicht kam, wusste man das auch so. Der Rest war ziemlich gleich... Mit dem Unterschied, dass ich sehr gerne in die Kirche ging. Alleine wegen des tollen Gefühls, wenn man aus der Kirche wieder heraustrat, es geschafft zu haben und der Mittag verheißungsvoll vor einem lag.

Moment, Klingelbeutel? Gibt es doch nur bei den Katholiken, in unserer Kirche stand eine Schale am Ausgang (offen, damit auch jeder sehen konnte, was drin war), in die man Geld reinwerfen konnte - oder auch nicht.

Den Konfirmandenunterricht dagegen fand ich stinklangweilig. Davon weiß ich auch so gut wie überhaupt nichts mehr.

Zitat:
Das Schlimmste für mich war der Empfang des Abendmahls, denn da musste ich vortreten und auf einem länglichen Kissen vor dem Pfarrer knien, der zwischen mir und dem Altar stand, und mir eine Oblate auf die ausgestreckte Zunge legte
Wir durften stehen. Auch das Knien in der Kirche kenne ich nur von den Katholiken.

Insgesamt finde ich deine mit Erinnerungen gespickte Geschichte sehr unterhaltsam.

LG DieSilbermöwe
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Alt 09.04.2023, 11:55   #3
weiblich Ilka-Maria
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Guten Morgen, Silbermöwe,

bei uns ging der Kirchendiener mit einem Klingelbeutel aus dunkelrotem Samt, der am Ende einer langen Stange befestigt war, durch den Gang und reichte ihn durch die Reihen. Ich denke, jeder Pfarrer hatte seine eigene Methode gehabt, wie er den Gottesdienst durchführen wollte. In den frühen 60ern ging es noch ziemlich konservativ zu. Ich hatte sogar mal im Schulunterricht erlebt, dass der evangelische Pfarrer, den wir im letzten Schuljahr hatten, sich über die Meinung eines Mitschülers (es ging ums Heiraten vs. in wilder Ehe zu leben) sich dermaßen aufregte und uns zusammenschrie, bis er puterrot im Gesicht war und ihm die Stimme versagte.

Danke fürs Lesen und dein Input.

LG
Ilka
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Alt 09.04.2023, 15:26   #4
Friedrich
 
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Hallo Ilka-Maria,

nach Lektüre Deiner persönlichen Geschichte frage ich mich, ob man diese nicht als Plädoyer zur Abschaffung der evangelischen Kirche lesen soll.
Zitat:
Zitat:
(wir) hatten längst mitgekriegt, dass der Metzger beim Wiegen der Wurst beschiss, der Patenonkel seinen Lohn beim Poker verspielte und es in jeder Familie mindestens einen Drecksack gab, der fremdging.
Der Einfluß der Kirche mit ihren Geboten scheint in Deinem Verwandten- und Bekanntenkreis gleich Null gewesen zu sein, jeder macht ohnehin, was er will, wozu dann noch eine Kirche? Alles, was Du im Zusammenhang mit Deiner Konfirmation beschreibst, ist so ernüchternd, so bieder, so langweilig, daß man sich fragt, "wozu das alles". Am Schluß trittst Du ja auch noch aus der Kirche aus, etwas, das Du ja schon nach der Konfirmation tun wolltest. Voilà

Ich selbst bin ja römisch-katholisch und ging in meiner Kindheit in meiner Heimatstadt Regensburg in eine von Augustinermönchen geleitete Pfarrkirche. Dort war ich auch Meßdiener (Ministrant) und schwang im weißen Chorkleid das Weihrauchfaß. Ich betete auch die Litaneien mit sowie den Rosenkranz bei den Marienandachten. Kurz, ich erlebte das Heilige und habe heute noch eine Erinnerung daran. Bei den Protestanten lief der Gottesdienst - soweit ich ihn besucht habe - immer so nüchtern ab, so daß vom Heiligen nicht die geringste Spur war.

1962 - 1965 fand das 2. Vatikanische Konzil unter Papst Johannes XXIII. statt, und ab da kam auch die Ernüchterung in die katholische Kirche. Der Altar wurde nun umgestellt und es gab auch keine feierlichen Hochämter mehr. In diesen habe ich das Pater Noster noch in lateinischer Sprache mitgesungen, obwohl ich in der Schule gar kein Latein hatte. Es war aber so schön, dies zu tun. Inzwischen ist die katholische Kirche in Deutschland eifrig dabei, die Kirche weiter dem Zeitgeist anzupassen. Wenn sie das geschafft haben, kann man sich fragen, wozu es die Kirche überhaupt noch gibt. Den Zeitgeist vertreten andere doch viel besser.

Wenn dem dann so ist, dann werde ich Dir gleichtun, liebe Ilka-Maria, und aus der katholischen Kirche austreten.

Lieben Gruß

Friedrich
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Alt 09.04.2023, 16:29   #5
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Friedrich Beitrag anzeigen
... nach Lektüre Deiner persönlichen Geschichte frage ich mich, ob man diese nicht als Plädoyer zur Abschaffung der evangelischen Kirche lesen soll.
Das, Friedrich, ist deine Interpretation. Jedenfalls gibt es in meinen Aufzeichnungen keinen Aufruf, die evangelische Kirche abzuschaffen.

Zitat:
Zitat von Friedrich Beitrag anzeigen
Der Einfluß der Kirche mit ihren Geboten scheint in Deinem Verwandten- und Bekanntenkreis gleich Null gewesen zu sein, jeder macht ohnehin, was er will, wozu dann noch eine Kirche?
Keine Ahnung. Der betreffende Passus ist meine freie Erfindung und sollte eine leichte Zuspitzung sein nach dem Motto: Mann darf nicht alles glauben, was einem erzählt wird oder wie heile Welt aussieht. Das sollte auch für literarische Ergüsse à la "Dichtung und Wahrheit" gelten.

Zitat:
Zitat von Friedrich Beitrag anzeigen
Am Schluß trittst Du ja auch noch aus der Kirche aus, etwas, das Du ja schon nach der Konfirmation tun wolltest.
Davon, dass ich nach meiner Konfirmation bereits aus der Kirche hätte austreten wollen, steht in meinen Aufzeichnungen nichts. Das wäre im Alter von 14 Jahren gar nicht möglich gewesen. In der Schule gab es Religionsunterricht, keinen Konfirmandenunterricht. Aus dem Religionsunterricht durfte man sich dem Gesetz nach ohne Genehmigung der Eltern abmelden.

Nebenbei bemerkt: Aus der Kirche bin ich nicht mit 21, sondern mit 23 Jahren ausgetreten, allerdings auf Drängen meines Mannes (katholisch), der die Steuern für die Kirche nicht mehr zahlen wollte. Ich habe in meinen Aufzeichnungen 21 Jahre angegeben, um verstärkt auf die damals geltende Volljährigkeit hinzuweisen. Wie gesagt: Dichtung und Wahrheit.

Zitat:
Zitat von Friedrich Beitrag anzeigen
1962 - 1965 fand das 2. Vatikanische Konzil unter Papst Johannes XXIII. statt, und ab da kam auch die Ernüchterung in die katholische Kirche.
Was in der römisch-katholischen Kirche Sache war, hatte mich nie interessiert.

Zitat:
Zitat von Friedrich Beitrag anzeigen
Du im Zusammenhang mit Deiner Konfirmation beschreibst, ist so ernüchternd, so bieder, so langweilig, ...
Was denn sonst ? Die Angelegenheit war per se langweilig und bieder, wie glaubhaft wäre also, wenn ich eine wilde Abenteuergeschichte daraus gemacht hätte?


Zitat:
Zitat von Friedrich Beitrag anzeigen
Bei den Protestanten lief der Gottesdienst - soweit ich ihn besucht habe - immer so nüchtern ab, so daß vom Heiligen nicht die geringste Spur war.
Absolut richtig.

Zitat:
Zitat von Friedrich Beitrag anzeigen
Wenn dem dann so ist, dann werde ich Dir gleichtun, liebe Ilka-Maria, und aus der katholischen Kirche austreten.
Eine solche Entscheidung muss jeder selber treffen, mein Problem ist das nicht.

Danke für deine Rückmeldung

Liebe Grüße und schöne Ostern,
Ilka
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Alt 10.04.2023, 14:45   #6
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Liebe Ilka-Maria,
Du hast es als Protestantin ja noch gut getroffen. Ich wurde bei vollem Bewusstsein, also nicht durch Taufe kurz nach der Entbindung, katholisch getauft, sondern erst mit neun Jahren, später firmiert und kam noch später in den Genuss weiterer Heilszeichen (Sakramente).
Die katholische Kirche kennt sieben Sakramente.
1. Taufe
Ob du willst oder nicht: Du wirst Mitglied der katholischen Kirche.
2. Eucharistie
Einfach ausgedrückt: Die "Heilige Kommunion". Der Empfänger bekommt eingeredet, er speise den Leib Jesu und trinke sein Blut. Letzteres bleibt dem Priester überlassen, denn es handelt sich um Messwein.
3. Firmung
Mit der Firmspendung bekräftigen die Firmlinge ihren Glauben und ihre Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Kirche. Dabei empfangen sie „die Gabe Gottes, den Heiligen Geist“. Siehst Du, ich habe Dir was voraus: Ich habe den Heiligen Geist empfangen.
5. Bußsakrament (Beichte)
Ach Gottchen, war die Beichte peinlich. Vor allem, wenn der Beichtvater ganz genau wissen wollte, wie oft und wie und mit wem "man sich befleckt" habe.
Wir Knaben haben gelogen bis deutliche Verbiegungen an den Balken zu erkennen waren. 3 x onaniert = 10 Vaterunser und fünf Gegrüßest seist du, heilige Maria.
6. Ehesakrament
Klar, hab ich einmal - mehr geht nicht - empfangen. Großzügig schaute der Priester über den Fünfmonatebauch meiner Frau hinweg.
Weihesakrament
Kommt nur für "Profis" (Priester, Bischöfe usw.) infrage.
7. Krankensalbung
Da lügen sich die Katholiken was in die Tasche. Zur "Krankensalbung" wird der Priester gerufen, wenn es mit dem Kranken zu Ende geht. Die Salbung soll Heilung versprechen, ist aber Quatsch und der Volksmund spricht auch von letzter Ölung.

Dein Bericht aus zarter Jugendzeit ist eigentlich erschütternd. Mamma mia, was haben sich die Leute vor vierzig Jahren bei solchen Ritualen gedacht?
Liebe Grüße,
ein vom christlichen Glauben abgefallener Sünder,
Heinz
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Alt 10.04.2023, 15:12   #7
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Lieber Heinz,

interessant, deine Ausführungen. Ich wurde auch erst getauft, als ich schon paar Jahre alt war, und kann mich noch gut daran erinnern.

Mir ging es bei meiner Geschichte aber nicht vordergründig um die Religion bzw. um die Konfessionen, sondern an diese Verfügungsgewalt von Erwachsenen, die das alles mit mir nur deshalb angestellt hatten, weil sie sich dazu gesellschaftlich verpflichtet gesehen hatten. Sie hätten mich ja mal fragen können, ob ich das alles überhaupt will. Statt meiner Erfahrungen mit dem Konfirmanden- und Religionsunterricht hätte ich auch andere Beispiele nehmen können. Ich war meine Freiheit gewöhnt, und deshalb war es für mich ebenso die Hölle, als ich - auch aufgrund der Entscheidung meiner Eltern, nicht meiner eigenen - in eine Lehre gesteckt wurde. Es gab damals mehrfach ein Aufbäumen und Tränen, aber da mir in diesem jungen Alter die Argumentationstechnik fehlte, hatte ich keine Chance.

Dafür hatte ich sie später, und weil ich ein Fluchttier bin, wenn man mich an die Kette zu legen versucht, hatte ich zweimal den Job von jetzt auf gleich hingeschmissen (genau genommen sogar dreimal). Angst, nichts Neues zu bekommen, hatte ich nicht. Und so war es auch mit dem Ende meiner Ehe: Es war nicht geplant und eine Entscheidung von einer halben Stunde, dass ich mein Kind nahm und die Wohnung für immer verließ - aus heutiger Sicht die beste Tat meines Lebens.

Ich hätte also auch andere Beispiele für meine Geschichte wählen können. Wer wie ich großgeworden ist, lässt sich nicht unter die Fuchtel nehmen.

LG
Ilka
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Alt 11.04.2023, 17:00   #8
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Schade, ich hatte die Geschichte als Erinnerung an deine Jugend aufgefasst, nicht als Rebellion.
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Alt 11.04.2023, 19:24   #9
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Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
Schade, ich hatte die Geschichte als Erinnerung an deine Jugend aufgefasst, nicht als Rebellion.
Ist doch okay. Gegen die Konfirmation konnte ich gar nicht rebellieren, und deshalb ist davon auch nicht die Rede. Aber später konnte ich es. Hätte ich darüber geschrieben, hätten die Schikanen anders ausgesehen, und die Geschichte wäre anders verlaufen. Vielleicht mache ich das noch, einfach als Gegenbeispiel. Falls es interessiert.
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Alt 12.04.2023, 06:29   #10
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Mich auf jeden Fall, ich würde es gerne lesen.
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Alt 12.04.2023, 09:32   #11
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