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Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken. |
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27.04.2022, 13:57 | #1 |
Gänze des Todes
Mit schwarzen Zehen hänget
Und voll mit wilden Fleisch Das Bein aus dem Sarg, Ihr holden Maden, Und trunken von Eiter Tunkt ihr das Maul Ins scharlachrote Blut. Oh weh, wo krieg ich, wenn Es Sommer ist, das Laub, und wo Den Eiszauberschein, Und Lichter des Hades? Die Schleier falln Redselig und heiß, im Sarge Kichern die Würmer. |
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27.04.2022, 15:52 | #2 |
Hallo G.Neville
Scardanelli meint: Das ist Wahnsinn!
Und Epilog grüßt Dich. |
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28.04.2022, 19:14 | #3 |
Es geht halt nichts über eine gesunde Portion Wahnsinn.
Gruß, G.Neville |
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28.04.2022, 20:17 | #4 |
Doch was ist Wahnsinn?
Lieber G.Neville,
ich muss mich fast entschuldigen, dass ich nur so extrem "aphoristisch" kommentiert habe (ich bin auch nicht der große Kommentator hier) - umso mehr danke ich für Deine gleichfalls kurze Rückmeldung. Jeder, der sich zumindest ansatzweise für die Wortkunst des Herrn Hölderlin interessiert, erkennt in Deinem Schreiben natürlich die Persiflage (?) seines berühmten Gedichts "Hälfte des Lebens" von 1803 (?), das gemeinhin als Wendepunkt gedeutet wird, nach welchem sich der Dichter endgültig und haltlos in den "Wahnsinn" treiben ließ. Doch was ist eigentlich damit gemeint? Du verdrehst ja quasi spiegelbildlich die überladenen Lebensbilder der ersten Strophe in eine winterliche Vision von Tod und Verwesung, die sich folgerichtig in der zweiten Strophe vor den Annehmlichkeiten der wärmeren Jahreszeit "fürchtet". Ich kann mich noch gut erinnern, dass sowohl in der gymnasialen Oberstufe als auch später, im Sommersemester 1992, im Seminar von Prof. Manfred Schneider (https://de.wikipedia.org/wiki/Manfre...der_(Germanist)) an der Uni "DUE" mit dem bezeichnenden Titel "Wahnsinn im 19. Jahrhundert", die große Mehrheit die ausufernden Weihen der ersten Strophe ("ihr holden Schwäne, und trunken ... tunkt ihr das Haupt ins heilignüchterne wasser") als Ausdruck von Wahnsinn empfunden haben, und die folgenden "grauen" Bilder als Abbildung der Lebensrealität. Heißt das in der Konsequenz nicht, Hölderlin war vorher wahnsinnig, und hat sich nach 1803 ernüchtert der Realität ergeben? Was meinst Du? Fast 40 Jahre später hat er ja eine ganze Reihe sehr sehr sehr seltsamer Gedichte geschrieben und sie mit dem Namen Scardanelli sowie völlig utopischen Jahreszahlen unterschrieben. Ich habe dazu unter diesem Titel kürzlich auch Stellung genommen und am Anfang auch die holden Schwäne kommentiert. Ich finde es höchst interessant, dass in diesen spätesten Gedichten das "Weh mir" vollends getilgt ist und tatsächlich keinerlei "ich" mehr existiert - eine Tatsache, die ja angesichts des allergrößten Teils der hier geposteten Beiträge immer wieder nachhaltig bedauert wird ... Einen schönen Abend wünscht Dir Epilog |
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29.04.2022, 21:30 | #5 |
Lieber Epilog,
keine Sorge, ich bin auch nicht gerade der große Kommentator. Und was die edle Dichtkunst nach den klassischen Regeln (Metrik, Versmaß etc.) anbelangt ein ausgesprochener Dilettant. Ein Blick auf „Meine Gedichte“ sollte genügen. Was die Persiflage anbelangt, ich gestehe, ich hatte anfänglich sogar leichte Skrupel dieses wunderschöne Gedicht von Hölderlin nach dem chinesischen Prinzip Yin und Yang ins krasse Gegenteil zu verkehren. Letztendlich überwog dann aber doch die geradezu diabolische Freude es doch zu tun. Herausgekommen ist ein ziemlich ekliges, abstoßendes aber auch in gewisser Weise tragikomisches Wortgebilde. Deine Frage nach dem Grad der geistigen Verfassung des großen Dichters Hölderlin ist nicht leicht zu beantworten. Wer bin ich, dass ich darüber urteilen könnte. Nur soviel, dem klassischen Wahnsinn verfallen war Hölderlin m. M. nach sicherlich nicht. Ich vermute er hatte gewisse psychische Probleme. Aber wer hat die nicht. Gerade heutzutage laufen derart viele Irre frei durch die Gegend die nicht einmal davor zurückschrecken völlig unschuldigen und unbewaffneten Menschen unsägliches Leid antun: Amokläufer, religiöse Fanatiker und sonstiges Geschmeiß, sodass mir ein Mann wie Hölderlin der bekanntlich das letzte Drittel seines Lebens in einem kleinen Erkerzimmer im 1. Stock des Zimmerschen Hauses am Neckar verbrachte eher als völlig normal erscheint. Vermutlich handelte es sich sogar um ein Gefälligkeitsgutachten um Hölderlin vor dem Schicksal seiner Freunde zu bewahren. Zitat: „Der endgültige Zusammenbruch erfolgte erst, nachdem 1805 Sinclair, Seckendorf, Baz und andere auf Grund einer Denunziation in Württemberg der Prozeß gemacht worden war und H., der in der Denunziation und in den Erstverhören als Mitwisser einer Verschwörung gegen Kurfürst Friedrich II aufgetaucht war, ein ärztliches Gutachten aus Homburg, daß er völlig wahnsinnig sei, vor dem Schicksal seiner Freunde bewahrt hatte.“ https://www.deutsche-biographie.de/sfz32834.html Geändert von G.Neville (29.04.2022 um 23:07 Uhr) |
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Lesezeichen für Gänze des Todes |
Stichworte |
blut, hades, sarg |
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