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Lebensalltag, Natur und Universum Gedichte über den Lebensalltag, Universum, Pflanzen, Tiere und Jahreszeiten. |
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08.05.2017, 22:15 | #1 |
R.I.P.
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biometrisch
Der scheele Blick,
der aus den kleinen Augen trieft, der sich ganz ohne Glück in jede Richtung hievt: Welch arme Seele hat ihn einst geboren? Die lederderbe Haut, von Narben, Schmissen übersät, auf der selbst Eis zu Tränen taut, wirkt wie von Schrunden aufgebläht - wann hat vae victis sie im Kampf verloren? Der schiefe Mund, gebleckter Zähne mehr als übervoll, als sei das Zahnfleisch wund und dieser Mensch ein Bündel Groll - mit Henkeln anstatt Ohren. |
10.05.2017, 14:29 | #2 |
Wehe den Besiegten
Hallo Thing,
es ist tatsächlich ein Mensch, wie Du zum Gedichtsende klarstellst. Zum Kretin gemacht; was hätte er als Sieger mit den anderen gemacht? Geheimnisvoll, wie vieles bei Dir Herzlicher Gruß -ganter- |
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11.05.2017, 11:25 | #3 |
R.I.P.
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Lieber ganter -
wo biometrische Paßbilder verlangt werden, ist keine Retusche erlaubt, nichts Beschönigendes oder Vorteilhaftes, auch in der Kopfhaltung nicht.
Für viele Menschen muß das schrecklich sein; wie sind sie zu bedauern! Lieben Gruß von Thing |
13.05.2017, 17:23 | #4 |
Liebe Thing,
als ich das Gedicht las, dachte ich gleich an die biometrischen Passbilder und war sicher, dass der erste Beitrag lautet, wie schrecklich sie aussehen - bei ganter ist das Gedicht ganz anders angekommen Gut gereimt mit wahrem Kern LG DieSilbermöwe |
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13.05.2017, 17:26 | #5 |
Liebe Thing,
stark in Worte gefasst. Sehr gern gelesen! Liebe Grüße Gylon |
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14.05.2017, 16:34 | #6 |
Liebe Thing,
ein ausgezeichnetes Werk. Technisch 1a aber vor allem das Thema und seine Ausführung sind außergewöhnlich und gelungen. Lieben Gruß wolfmozart |
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18.05.2017, 10:36 | #7 |
Eis und Schnee, lederne Haut, leerer Blick, klaffende Zahnreihe, "wehe dem Besiegten"...
...könnte auch ein Gedicht über "Ötzi" sein... Gerne gelesen! Lg Georg |
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18.05.2017, 11:49 | #8 |
Dabei seit: 12/2009
Ort: In den Auen des Niederrheins
Beiträge: 2.662
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Liebe Thing,
dein Gedicht ist völlig überqualifiziert, sofern ich es lediglich aus der Sicht eines Passbildes, bzw. seiner Anforderungen lese. Dafür ist es viel zu gut. Hier scheint Quasimodo oder Schlimmeres Pate gestanden zu haben. Du hast das perfekt rübergebracht. Das Reimschema übrigens ist erste Sahne. Solch einen hoffnungslos verunstalteten Menschen hatte ich vor Augen, als ich das Gedicht „Stilles Leiden“ verfasste. Liebe Grüße Nöck |
18.05.2017, 12:36 | #9 | |
R.I.P.
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Zitat:
diese bedauernswerten Geschöpfe hat das Leben selbst bestraft und besiegt (vae victis). Viele scheuen wirklich die Öffentlichkeit und ziehen sich wann immer möglich in ihr Schneckenhaus zurück. Ich kannte ein Paar in unserem Dorf, die waren beide derart gestraft, die haben sich zusammengetan, aber Kinder wollten sie nicht bekommen. LG Thing |
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19.05.2017, 01:00 | #10 |
Hallo Thing,
um die eindeutige Wiedererkennung brauchen sich der Protagonist in deinem Text keine Sorgen machen.
Zum Glück kann man heutzutage medizinisch viele körperliche Verunstaltungen mildern, was die inneren "Gruselgesichter" anbelangt, gibt es leider keine Heilung, außer vielleicht ein Saulus/Paulus Wunder. LG Perry |
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30.05.2017, 04:36 | #11 |
R.I.P.
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Lieber Perry -
ob die inneren "Gruselgesichter" überhaupt Ängste auslösen? Eher nicht. Guter Gedanke von Dir. Ja, zum Glück können die Chirurgen schon "kleine Wunder" vollbringen! Lieben Gruß von Thing |
30.05.2017, 12:52 | #12 |
Ein Mensch, den sein Groll hässlich gemacht hat.
Mit unbestechlich "biometrischem" Blick beschrieben. Klasse, Thing! LG gummibaum |
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30.05.2017, 13:06 | #13 |
R.I.P.
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Lieber gummibaum,
es verhält sich eher umgekehrt: Ein Mensch, in dem seine Häßlichkeit einen untilgbaren Groll angesammelt hat. Thomas Mann hatte eine Kurzgeschichte über einen solchen Menschen geschrieben, da hab ich über seine Menschenkenntnis (der er doch der Unnahbare war) gestaunt. Lieben Gruß von Thing |
30.05.2017, 17:03 | #14 |
Da könnte einem auch Frankensteins Geschöpf einfallen. Obwohl, dieser grollte eher den Menschen, die wegen seiner Hässlichkeit nichts mit ihm zu tun haben wollten.
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01.06.2017, 18:37 | #15 |
R.I.P.
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Das war die Angst vor dem Monströsen.
Dabei war das Geschöpf zu bedauern. Wäre es nur bei dem blinden Einsiedler geblieben... |
02.06.2017, 07:58 | #16 |
Wenn ich mich recht erinnere, wollte es das doch. Aber den Verwandten des Einsiedlers graute es vor ihm, obwohl er ihnen half, aber er erntete keinen Dank dafür.
Ich finde die Geschichte faszinierend. Man könnte fast sagen: Aussehen ist alles, Charakter ist nichts - überspitzt ausgedrückt. |
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22.06.2017, 19:34 | #17 |
R.I.P.
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Das wäre schlimm!
Bestimmt gibt es - wie immer - Grenzfälle. Mir tun solche Menschen leid, obwohl ich sie meide. Wir hatten einen Patienten, der von Syphilis gezeichnet war (wenn auch geheilt). Dessen Hände waren dermaßen deformiert, daß ich immer versuchte, einem Händedruck auszuweichen. Lieben Gruß von Thing |