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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt. |
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22.07.2023, 23:12 | #1 |
Ich weiß, dass ich sie hasse
I. Der Held, das soll der Führer sein
Die Masse ist berechenbar zumeist, mein ich, recht selten: Noch träge eben, kleinlaut, schwach, schreit sie jetzt nach dem Helden. Der Held, das soll der Führer sein: Mit starker Hand soll richten er alles, was da schief, krumm, fremd. Man rühmt ihn in Gedichten, obwohl es ihn noch gar nicht gibt! Doch: man hat ihn erschaffen. Zumindest als ein Ideal, und man fängt an zu gaffen. So gafft die Masse stieren Blicks auf jeden Jahrmarktsreigen. Und hofft, dass sich vorm Stadttor bald der Messi-As wird zeigen. Die Masse wartet, schimpft und schwätzt, wälzt sich im eig’nen Leiden. Da schreit ein Irrer: Seht den Mann da auf dem Esel reiten! Es wenden aller Augen sich zu jenem fremden Reiter. Der hat sich einfach nur verirrt, weiß eigentlich nicht weiter. Der Reiter ist ein armer Wicht, sein Esel: krude Worte von Glück und Heimat und Freiheit. Sie öffnen ihm die Pforte! Sie lassen diesen Sprachjongleur in ihre Stadt eindringen! Der Wahn, der greift sehr schnell um sich: Man will ihm Opfer bringen! Man wirft sich vor ihm in den Staub, bereit, des Esels Hufe zu spüren auf der eignen Brust, und sei’s beim letzten Rufe. Man leckt ihm von den staub’gen Zehn den Dreck und Schweiß in Gänze, auch steigt der Preis im ganzen Land für alte Eselsschwänze. Der Reiter, der gefällt sich sehr in seiner Heldenpose. Huldvoll und lächelnd segnet er der ganzen Masse Chose. Und biegt dann ab, hin zum Palast. Da wird er sich einnisten! Er ist der Held, der Messi-As, zeitlos und ohne Fristen. So zieht er ein ins Edelheim. Beginnt dann zu regieren. Er hat noch keinen echten Plan. Doch will er sich nicht zieren. Nicht zieren will er sich vorm Volk. Will glänzen mit Ansagen. Es wäre allerdings auch schön, man würd‘ nicht soviel fragen. Man fragt ihn dennoch dies und das. Er weiß keine Antworten. So fängt er aus Verlegenheit die Frager an zu morden. Es sind wohl seiner Opfer viel, vielleicht sogar Millionen. Er weiß nur eins: Er darf niemals die Gegner friedvoll schonen. Er schont die Gegner niemals nicht, nicht mal seine Genossen. Und bald schon fühlt er sich gottgleich und hat sein Herz geschlossen. Sehr offen bleibt sein Sinn jedoch für junge Mädchen, Frauen, und er ergötzt sich tausendfach im Fleisch. Es ist ein Grauen. Dann wird er alt, stirbt eines Tags. Sie tragen ihn zu Grabe. Das Volk, es weint und trauert sehr. Es zeigt Gefühlsgehabe. Um zu vergessen ihn zunächst. Es gibt ja einen Neuen! Ein neuer König ist schon da. Er wird das Volk erfreuen! Der Neue macht den Alten schlecht. Der war nur ein Verbrecher! Er werde sein, der‘s besser macht. Er werde sein der Rächer! Der Rächer all der Armen und der Witwen und der Kinder! All der Beladenen wohl auch und sicher aller Sünder. Dem Neuen nun gelingt es nicht: Die Not wird immer größer. Die Menschen in dem weiten Land, sie werden wütend, böser. So stürmen sie dann den Palast. Und haben ihn erschlagen und heimlich, still und leise dann des Nachts weit fortgetragen. Sie trugen ihn zur Deponie, wo Sondermüll man sammelt. Wo das, was von ihm übrig blieb, seitdem nun dort vergammelt. II. Die Wiederauferstehung des Helden So kam und starb ein Zweiter doch, um Neuem Platz zu machen. Es ist ein ew’ges Wechselspiel, man könnte drüber lachen. Wenn wer nun denkt: der erste da mit all den fiesen Volten, wäre vergessen immerdar, weil ihm die meisten grollten und weil der Zweite ihn verriss, der hat wohl nichts verstanden von aller Werte Umkehr und wie’s geht in unsern Köpfen. Denn jetzt ist’s so: Man heißt ihn groß! Liest wieder seine Werke! Spricht von ihm als dem Messi-As und einz’gem Mann der Stärke! Man denkt nicht an die Morde mehr, die Menschen in den Lagern. Unsicherheit und größte Angst selbst bei seinen Ja-Sagern. Das Ganze zeigt doch eines nur: Ein Volk ist eine Masse von wechselhaften Menschen bloß: Ich weiß: dass ich sie hasse. |
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23.07.2023, 21:03 | #2 |
spannend
spannend, befreiend, intelligent, erfreulich
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24.07.2023, 23:00 | #3 |
Hallo Goldblume,
ja, ich staune, dass jemand derart lange Dinger liest... Danke für Dein Durchhaltevermögen! Viele Grüße Ottilie |
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25.07.2023, 10:35 | #4 |
Hallo Ottilie,
ich las die erste und die letzte Strophe Deines Gedichts. In der Hoffnung, mit der Mitte nichts verpasst zu haben, werte ich den Geist Deiner Ausführungen als Dampfablassen. Vor Hass sei gewarnt!
verständnisvolle Grüße -ganter- |
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26.07.2023, 14:47 | #5 |
Das erste und das letzte...
Hallo Ganter,
Du hast eine extrem effiziente Methode der Texterfassung entwickelt! Ich habe sie gleich mal ausprobiert und das erste und letzte Wort Deines Kommentars gelesen, in der Mitte werden sich ja keine relevanten Infos verstecken, oder? "Ich" und "Dampfablassen" las ich. Sprichst Du da von Dir? Viele Grüße Ottilie |
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26.07.2023, 17:26 | #6 |
Hallo Ottilie,
nein, ich meinte den Geist, der die Masse hasst hassfreie Grüße
-ganter- |
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Lesezeichen für Ich weiß, dass ich sie hasse |
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