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Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken.

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Alt 04.04.2022, 09:36   #1
männlich Grumpy Papah Y
 
Benutzerbild von Grumpy Papah Y
 
Dabei seit: 09/2014
Ort: R`Lyeh
Beiträge: 101

Standard Die Unteren

In Böhmens Wäldern für sein Handwerk bekannt
buk einst noch ein Bäcker all sein Schwarzbrot von Hand,
und Rosinenteig, den zumeist die Kinder verputzten
in einem Ofen, den schon seine Ahnherren nutzten.

Früchte-, und Aschbrot ist's, was die Kundschaft begehrt,
und mit Krapfen und Kuchen wird der Adel beehrt.
Nur mit steigendem Absatz kommt Arbeit ins Haus
und wächst ihm Tag für Tag zu den Ohren heraus.

Und so ward eines Tages der Andrang zu groß,
so dass sein Backwerk, welches doch stets tadellos,
bei der Schaffung in Güte und Gaumen nun litt.
Darum tat nun der Meister einen tollkühnen Schritt.

Mit einem Spruch, den er dem siebten Buch Moses entnahm,
und der gar wunderlich leicht über die Lippen ihm kam
ludt er die unter ihm in sein Anwesen ein,
so mögen sie ihm nun zu Dienste doch sein.

Ein Klopfen in der Nacht, der Bäcker verharrt,
und da, die lose Diele im Erdgeschoss knarrt.
Er steht an der Treppe, starrt hinab in das Dunkel,
und sieht hinter dem Vorhang ein Augenpaar funkeln.

"Wer poltert denn da durch meine Kammer so spät?
Dein Kichern und Kecken ist's, was dich verrät,"
Wer ist es, der durch meinen Korridor schleicht,
und zu nächtlicher Stund meine Stube erreicht?"

Gleichwohl mit dem Gast zu sprechen, schlägt fehl,
drum folgt er im Nachthemd der kleinen Fußspur im Mehl,
und lugt ängstlich zögernd in sein Backhaus hinein.
"Er möge sich zeigen, sollt' darin einer sein!"

Frech linst ein Gesicht hinter der Hirse hervor,
bleiche Finger klettern das Rohr des Ofens empor
und es murmelt und flüstert im Schacht des Kamins,
als da wirft einer mit Eicheln und Mandeln nach ihm.

Es schwärmt und lärmt, wie das Zischen von Schlangen,
die fauchende Laute machen ihn etwas Bange
doch er weißt die Kleinen mit forschem Ton an:
"Unter meiner Hand nun ward Arbeit getan!"

Und, oh Wunder geschehen, alle halten sie inne
harrend erfahrend, wo des Herrn Sinnen beginne
und mag seine Stimme auch noch so sehr beben,
jetzt füllt sich der Raum mit emsigem Leben.

Und ehe der Meister merkt, wie ihm geschieht,
der feinste Duft durch die Backstube zieht,
denn die Kekse auf den Blechen sind schon soweit
und die gezuckerten Zöpfe längst ofenbereit.

Sauerteig, Hefeteig und gesalzene Wecken,
tagein und tagaus hängt Gebäck von der Decke,
und selbst die schwierigsten Torten wollen gelingen:
Die Unteren sind geschickt in genau diesen Dingen.

Schon bald reden die Leut', es sei der Hinzmann am Werk,
bloß das Brot schmeckt vorzüglich und so gar nicht nach Zwerg,
und von Hexerei wird gemunkelt und von schwarzer Magie,
weil backen sieht man den Bäcker tatsächlich nie.

Kurzum, man ist sich einig, dort wird Unwerk getrieben,
entscheidet entschieden, der Betrieb wird jetzt gemieden
und wenn der Mann durch sein Fenster auf die Hauptstraße guckt,
wird verhalten, doch mit Bedacht über Schultern gespuckt.

Indes der alte Mann dem steten Umsatz nachtrauert,
derweil die wahre Gefahr dort im Haus auf ihn lauert,
denn mit dem Tiefenvolk ist`s, wie heute kaum noch wer ahnt;
- Ihr Pakt stets zur beiseitigen Einhaltung mahnt.

Schaffen tun die Helfer schon länger nichts mehr,
sie schauen auch eher boshaft und zornig daher,
wie sie rascheln und wispern und tuscheln von Trug.
"Nun" schreit der Alte "ist's aber auch einmal genug!"

Und als er sie laut die schlimmsten Schimpfwörter heisst
kommt's, dass die erste der kleinen Gestalten ihn beisst.
Wieder einer kratzt ihn und ein anderer zwickt,
worauf er sie fluchend ins Pfefferland schickt.

Umgehend wird er sich seines Irrtums gewahr
als sie sich um ihn versammeln in unzählbarer Schar
um den Lohn einzutreiben, den eben schuldig er ist
und sich kurz darauf im Keller der Brunnenschacht schließt.


(von Thomas Rothbucher, 01.12.2021)
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