Sex zieht immer

[Ilka-Maria]

Puffmutter Paola nahm ihrem Neukunden den Mantel ab. „Deckname?“ Der junge Mann händigte ihr auch Schal und Handschuhe aus. „Nero.“ Paola schenkte ihm ein einladendes Lächeln. „Womit, Nero, kann mein Etablissement Ihnen dienen?“

„Was bietet es an?“

„Zunächst den Klassiker. Die Missionarsstellung. Kostet fast nix und machen alle meine Stuten gerne.“

„Ich will mich aber geschlechtlich nicht festlegen. Das ist nicht zeitgemäß.“

„Heißt was?“

„Ich brauche Diversität.“

„Ich kann Ihnen einen Dreier anbieten mit noch einem Mann oder einer Frau, ganz nach Bedarf.“

„Das habe ich nicht gemeint.“

„Dann erklären Sie sich.“

„Sex ist doch nicht nur, eine Frau zu penetrieren.“

Paola kratzte sich am Kopf. „Ach so. Sie wollen ihn gelutscht haben.“

Nero schüttelte den Kopf. „Das ist doch alles wie gehabt. Ich will Diversität!“

Jetzt glaubte Paola verstanden zu haben. „Sie brauchen einen Arsch!“

Nero rollte die Augen. „Sie kapieren aber auch gar nichts! Ich will weder eine Muschi, noch einen Schwanzlutscher, noch einen Arsch. Ich will einfach nur Sex, ohne auf ein Geschlecht festgelegt zu werden. Ich will den Sex eines Regenwurms haben, der danach nicht dem Vorwurf ausgesetzt ist, auf der falschen Seite Spaß gehabt zu haben. Können Sie das bieten?“

Paola gab ihm Mantel, Schal und Handschuhe zurück.

Am Abend schrieb sie in ihr Tagebuch:

„Ich muss meinen Anwalt aufsuchen. Mein Geschäftsmodell scheint sein Leben auszuhauchen. Diversität lautet das neue Modell. Etwas daran klingt vielversprechend. Sex zieht immer, und ich ahne hier ein großes, noch nicht beackertes Feld.“

[dunkler Traum]

... boah eeh, machst Du Dich jetzt darüber lustig? Vor zwanzig Jahren hätte Paola gesagt, dann fi.. dich selbst! Heute versucht sie, mit der Zeit zu gehen. Hast Du schön abgearbeitet, trotzdem meine ich, einen versteckten Zynismus zu erkennen.

wünsche schöne Träume

[Flocke]

Hallo Ilka-Maria!

Ein Regenwurm, der Angst davor hat, dem Vorwurf ausgesetzt zu sein, auf der falschen Seite Spaß gehabt zu haben.
Und ich dachte, wir Menschen hätten Probleme. Ich weiß wenigstens, dass mein Kopf oben ist, er also auf der richtige Seite steht ..., liegt? Hängt? Balnciert wird? Aufgesteckt wurde? Aber ist er wirklich auf der richtigen Seite? Wird nicht erst im Hirn das Sehbild um 180 Grad gedreht? Ist dann oben nicht eigentlich unten?
Und welche beiden Seiten, von welchen Ebenen sind eigentlich gemeint? Die von oben und unten oder die von rechts und links oder die von vorne und hinten.
Oder ist der Begriff „Seite“ doch eher metaphorisch zu verstehen? Meine helle und meine Schattenseite? Meine kindliche und meine erwachsene Seite? Meine versaute Seite oder meine engelsgleiche, meine Hosianna singende Ministarntenseite Seite? Die neurotische, die viszerale, die denkende oder die mitfühlende oder die verfressene Seite? Die geldgeile oder meditierende Seiten? Die Seite die an meine borderline rührt?

Mein Gott, jetzt habe ich zum ersten Mal eine rudimentäre Ahnung davon bekommen, was mit intrapersonale Diversität gemeint sein könnte!
Schrecklich kompliziert!
Ganz Schönau divers das Ganze!


Liebe Grüße Flocke

(https://immerdierichtige-seite@divers.com)