Auch du bist in Arkadien geboren bei Poetry.de

Heinz · 04.04.2022, 11:40

(ein Versuch in Amphibrachys und die Mahnung Ilkas in den Ohren: Vermeide Adjektive)

Ich hab dich empfangen, genährt und geboren,
ich gab mir viel Mühe, aus dir einen Menschen
zu machen. ein Mädchen voll Anmut, mit Augen
zu sehen und Ohren zu hören, wie prächtig
die Schöpfung für dich ich gestaltet und gab dir
noch Hände, zu fühlen, die Nase zum Riechen
und letztlich ein Zünglein für andere Zwecke.
Mit Sprache beschenkte ein Gott dich und Reizen,
damit du alleine nicht bleibst auf der Erde,
sie weiter bevölkerst mit heiteren Menschen.

Was machst du mit all diesen Gaben, mein Mädchen?
Du jammerst und klagst wie ein todkrankes Wesen,
vergisst, welche Lust dir das Leben bereitet.
Gekrümmt ist dein Rücken, verbogen dein Nacken,
kein fröhliches Lachen mit perlenden Tönen
entfährt deinem zierlichen Mund und nur Tränen
entrinnen dem vormals so reizenden Äuglein,
statt lustiger Lieder erklingt ein Lamento,
verglichen mit dir war selbst Hiob ein Ausbund
der Freude und Diener der lächelnden Musen.

Den lebensbeglückenden Mai, ich beschwör dich,
mein Mädchen, erblüht nur ein einziges Mal und
nie wieder, so schrieb schon der Schiller, besann sich
darauf, dass auch er in Arkadien geboren.
Betrachte, mein Kindchen, ab heute die Welt mit
entbundenen Augen und lausche den Klängen
der englischen Chöre, genieße den Nektar
der Blüten wie‘s Göttern zu eigen und freu dich,
auch wenn mal paar Wolken den Himmel verdüstern,
denn morgen erscheint sie uns wieder, die Sonne in strahlendem Glanz.

Ilka-Maria · 04.04.2022, 12:14

Großartig, Heinz! Unverkünstelt, klar, wunderbar poetisch und mit Aussagekraft. Vor allem ohne Pathos!

Zitat:

Zitat von Heinz

(... und die Mahnung Ilkas in den Ohren: Vermeide Adjektive)

Danke! Mit einer kleinen Einschränkung: ... überflüssige Adjektive, nicht alle.

Heinz · 04.04.2022, 12:48

Liebe Ilka-Maria,
Dein Lob aus sonst gewohntem kritischen Mund erfreut das Herz und lässt mich das bisschen Regen des heutigen Tages vergessen.
Hinsichtlich der Adjektive, der überflüssigen, stimme ich Dir zu und habe versucht, sie weitgehend zu vermeiden (was beim gewählten Versfuß und der regelmäßigen Anzahl - bis auf den letzten Vers - der Versfüße schon zu einer Fleißaufgabe wird.
Vielen Dank für Deinen Kommentar!
Heinz

04.04.2022, 11:40	#1
Heinz Dabei seit: 10/2006 Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow Beiträge: 7.879 Meine Gedichte Meine Favoriten	Auch du bist in Arkadien geboren (ein Versuch in Amphibrachys und die Mahnung Ilkas in den Ohren: Vermeide Adjektive) Ich hab dich empfangen, genährt und geboren, ich gab mir viel Mühe, aus dir einen Menschen zu machen. ein Mädchen voll Anmut, mit Augen zu sehen und Ohren zu hören, wie prächtig die Schöpfung für dich ich gestaltet und gab dir noch Hände, zu fühlen, die Nase zum Riechen und letztlich ein Zünglein für andere Zwecke. Mit Sprache beschenkte ein Gott dich und Reizen, damit du alleine nicht bleibst auf der Erde, sie weiter bevölkerst mit heiteren Menschen. Was machst du mit all diesen Gaben, mein Mädchen? Du jammerst und klagst wie ein todkrankes Wesen, vergisst, welche Lust dir das Leben bereitet. Gekrümmt ist dein Rücken, verbogen dein Nacken, kein fröhliches Lachen mit perlenden Tönen entfährt deinem zierlichen Mund und nur Tränen entrinnen dem vormals so reizenden Äuglein, statt lustiger Lieder erklingt ein Lamento, verglichen mit dir war selbst Hiob ein Ausbund der Freude und Diener der lächelnden Musen. Den lebensbeglückenden Mai, ich beschwör dich, mein Mädchen, erblüht nur ein einziges Mal und nie wieder, so schrieb schon der Schiller, besann sich darauf, dass auch er in Arkadien geboren. Betrachte, mein Kindchen, ab heute die Welt mit entbundenen Augen und lausche den Klängen der englischen Chöre, genieße den Nektar der Blüten wie‘s Göttern zu eigen und freu dich, auch wenn mal paar Wolken den Himmel verdüstern, denn morgen erscheint sie uns wieder, die Sonne in strahlendem Glanz.

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