Poetry.de - das Gedichte-Forum
 kostenlos registrieren Forum durchsuchen Letzte Beiträge

Zurück   Poetry.de > Geschichten und sonstiges Textwerk > Geschichten, Märchen und Legenden

Geschichten, Märchen und Legenden Geschichten aller Art, Märchen, Legenden, Dramen, Krimis, usw.

Antwort
 
Themen-Optionen Thema durchsuchen
Alt 01.08.2015, 00:20   #1
männlich schusterjunge
 
Dabei seit: 08/2015
Beiträge: 4


Standard Die Therapiemaschiene

Eine spurenhafte Ahnung von der Natur des Träumens

Deutungsversuch zwischen Sadismus und emotionaler Wiederaufbereitung

An diesem Tag kamen mehrere Dinge zusammen. Zuerst, morgens beim Aufwachen aus meinen Träumen, eine nicht gekannte, beeindruckend schöne, tiefe Ruhe. Weiches, zögerndes Herübergleiten vom Schlafen zum Wachsein. Dann, nachmittags, dieser absolut dazu passende online-Artikel über Albträume sowie ein geposteter Kommentar eines Lesers. Zusammen ergab sich für mich daraus ein Hauch von fröhlicher Erkenntnis, eine spurenhafte Ahnung – obwohl mein Traum kein Albtraum gewesen ist.

Albträume, so las ich auf dem Monitor, haben einen schlechten Ruf. Dabei sind sie ein Grund zur Freude. In gewisser Weise machen Sie uns zu besseren Menschen. Warum das so ist, erklärt das New York Magazine in einem zum Artikel gehörenden Video, das ich anklickte. Albträume sind keine Sadisten, sondern Therapeuten, sagten darin die Strichmännchen in ruckligen, skizzenhaften Bildern. Und weiter: Reale Ängste, aber noch mehr irrationale Phobien können uns den Tag vermiesen. In extremen Fällen gerät so das ganze Leben aus den Fugen. Gut, dass wir schlecht träumen, wurde geschlussfolgert.

Bei einem Albtraum verwandelt das Unterbewusstsein gegenwärtige Ängste in vergangene Geschichten mit einem Anfang und - noch wichtiger - mit einem Ende, so der Artikel. Es macht aus Gefühlen eine Erinnerung. Dadurch wird unsere Furcht eingeordnet, wir verleihen ihr einen Kontext im Zusammenhang mit unserem Selbst, las ich. Schlussendlich war ja alles nur ein Traum. Ende.

Ich freute mich sehr, dies gelesen und gesehen zu haben. Denn nicht erst seit heute Nacht, schon seit einiger Zeit entwickle ich ein neues Traumgespür. Glaube ich.

Nicht vor jeder Nacht, aber immer häufiger, freue ich mich auf meine Träume. So eine, früher nicht gekannte, freudige Erwartung. Ein Kribbeln, jedes Mal intensiver durch die Erfahrung, wie schön das sein kann und wie spannend das wohl in der bevorstehenden Nacht wieder wird.

Es fühlt sich an, wie eine unendliche Dimensionalität, Sinnesvielfalt und Erlebnisbreite. Immer gänzlich neu. Besonders heute Morgen, wie gesagt, beim Aufwachen, irgendwo noch freudig schwebend zwischen den Dimensionen. Sozusagen nach dem Durchlauf durch eine Art Waschanlage, die der Seele ihr Strahlen wieder ein wenig zurückgegeben hat. Emotionale Wiederaufbereitung. Alles wieder gut?

Manchmal scheint es, als wenn die letzten Gedanken vor dem Einschlafen eine Möglichkeit bieten, die Richtung des Traums mitzubestimmen. Nicht zu bestimmen. Nur die vage Möglichkeit, ein wenig zu Thematik und Inhalt beizutragen.

Ich probiere es aus. Ich übe, um es zu verbessern. Das geht, meine ich. Ich muss nur dran bleiben. Da scheint so viel mehr möglich mit unserem Gehirn. Noch ist es nur so eine Ahnung, eine schwache Spur.

Ich lese am Nachmittag desselben Tages auch in dem geposteten Kommentar von Jemandem, der sagt, dass es für ihn keine Albträume gibt. Egal wie gruselig oder seltsam ein Traum ist. Er freut sich über jeden, an den er sich am anderen Morgen erinnern kann. Für ihn sind sie eine Bereicherung, keine Belastung. So wie ich, freut auch er sich schon auf die nächste Nacht, und was sie ihm an seltsamen, witzigen oder auch gruseligen Träumen bringen wird.

Heute Morgen habe ich mir zum ersten Mal beim Aufstehen ein Stichwort notiert. Als Merker. Nur das Wort „Therapiemaschine“. Das war noch vor der Lektüre des online-Artikels und des dazu geposteten Kommentars. Im Artikel war das Wort Therapie ausdrücklich genannt. Ich war verblüfft über diese parallele, treffende Wortwahl. Für ein so tief empfundenes Traumerlebnis. Es bewahrt mir die sichere Erinnerung an das, was (mit mir) in meinem Kopf geschah. So deutliche Erinnerungen an meine Träume hatte bisher nie mitgenommen.

Ich kann mir also Zeit lassen. Mit dem Darübernachdenken. Mit dem Aufschreiben. Mit dem Werten und Deuten.

Das beruhigt und beunruhigt mich gleichzeitig. Soll ich meine Traumgeschichte erzählen, die mich so berührt hat, tief drinnen?

Versuchen kann ich es. Ich bin erst am Anfang.
schusterjunge ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.08.2015, 01:21   #2
FeelGoodInc
 
Dabei seit: 04/2015
Beiträge: 48


Schön beschrieben
FeelGoodInc ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.08.2015, 02:56   #3
männlich dr.Frankenstein
 
Benutzerbild von dr.Frankenstein
 
Dabei seit: 07/2015
Ort: Zwischen den Ostseewellen ertrunken
Alter: 41
Beiträge: 5.468


ich mag Alpträume auch, ein Horrofilm in dem man live dabei ist. Die Sichtweise das der Traum Emotionen in greifbare Erinnerungen verwandelt ist äußerst intressant, vielleicht ist es ja auch in der Tageszeit so, das ein schwebendes unklares Gefühl erst ein Ereignis hervorruft, es herraufbeschwört. Im Traum kann ja auch gelerntes verbessert werden.

Danke schöner Text der einen aus gewöhnlichen Gedanken herauszieht.

Erinnerungen, Therapiemaschine Traum, Verwandlung der Gefühle, Sensoren.

Traumintuition, vielleicht ist es ja auch der Wunsch nach etwas Schrecklichem der den Traum heraufbeschwört, oder auch der nach etwas Gutem.
dr.Frankenstein ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.08.2015, 10:47   #4
männlich schusterjunge
 
Dabei seit: 08/2015
Beiträge: 4


Standard Therapiemaschiene

Das träumen = leben ist, wird vielfach beiseite geräumt. Du Träumer, kennt man ja als kleine Vorhaltung. Mir scheint, uns ist da ein Zugang versperrt. Zwischenräume kennt aber jeder: Trance, Meditation, Hypnose, Ohnmachtzstände, Yoga, u.a.m.
Wie sehr wünschen wir uns z.B. Im Traum zu lernen (Sprachen etc.). Träumend fällt alles leichter und man hat ungeahnte Fähigkeiten.
Die Suche geht weiter. Das sollten wir mindestens so intensiv betreiben wie Forschung und Entwicklung im Wach-Leben.
Im Traum-Leben sind Faketen, Naturgesetze, usw. aber nicht wichtig. Emotionen sind ein Transportmittel. Andere kennen wir noch gar nicht, um uns ungeahnte Fähigkeiten zu Nutze zu machen.

Danke für deine Einordnung.
schusterjunge ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.08.2015, 13:29   #5
weiblich Ex-MeineEigeneWelt
abgemeldet
 
Dabei seit: 12/2014
Beiträge: 1.503


Das ist ein sehr interessanter Text, lieber Schusterjunge. Auch ein herzliches Willkommen an Dich hier bei Poetry!

Ich persönlich mag Albträume nicht. Ich hatte als Kind dauernd Albträume und viele wiederholen sich auch heute noch. Immer wieder die selben Orte, die selben Gestalten, die selben Empfindungen. Meine Albträume handeln immer von den Dingen, vor denen ich in Echt auch Angst habe. Und an diese kann ich mich auch immer recht gut erinnern.
Bei "schönen" Träumen geht es auch immer ziemlich um die selben Dinge, eben die, die mich glücklich machen.
Am lustigsten finde ich es, wenn man versucht, sich an Träume zu erinnern, die ein totaes Durcheinander waren und keinen Sinn ergaben. Da schüttelt man nur den Kopf.

Gerne nachgedacht,

Lara
Ex-MeineEigeneWelt ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.08.2015, 15:39   #6
männlich schusterjunge
 
Dabei seit: 08/2015
Beiträge: 4


Güße dich Laura,
danke für die nette Begrüßung und die geschilderten, eigenen Traumerfahrungen und Gedanken dazu. Wie ich sehe, bist Du eine wahnsinnig fleißige Schreiberin, alle Achtung.
Ja, mit den Albträumen habe ich auch keine guten Erfahrungen. Viele hatte/habe ich nicht, nur immer dann, wenn "Probleme" da waren, Schule, Prüfungen, Druck im Beruf, Herz-OP bei meinen Kindern, usw. Alles nicht schön, und sie können krank machen, wie ich selbst erleben mußte. Wie alle Träume sind sie aber wohl (lebens-) notwendig. Sie sind hilfreich, ohne das wir wissen wie und warum. Ich habe seit langem eher schöne Träume, bis hin zu dem, den ich in "Therapiemaschine" geschildert habe. Und seit dem die Vermutung, dass etwas in uns allen schlummert. Es ist vorhanden, nur die Fähigkeit, es zu nutzen (allein, gemeinsam, oder wie auch immer, das ist eine Kernfrage?) ist verloren gegangen. So z. B. die Kraft des geschriebenen oder gesprochenen Wortes, die mich immer wieder verblüfft. Schreibst Du Gedanken auf, verwandeln sie sich von einer Fiktion zu Fakten. Geschichten aus Deinem Kopf können Wirklichkeit werden, oder zumindest die Wirklichkeit beeinflussen. Das macht sich z.B. die PR oder die politische Kommunikation zu nutze. Du kennst den Fake. Schreib was auf, egal ob wahr oder unwahr, verbreite es, es wird geglaubt und es bestimmt Reaktionen und tatsächliches Handeln von Menschen. Also ist es real geworden.
Umgekehrt, wenn man das so sagen kann, geht das auch. Placeboeffekt: Der Arzt gibt Dir ein Medikament und sagt dazu, das hilft Dir. Und es hilft tatsächlich, ohne jeglichen Wirkstoff drin. Neuerdings weiß man, dass es auch hilft, wenn man weiß, dass es ein leeres Scheinmedikament ist. Du glaubst dem Arzt, du willst ihm glauben. Glauben versetzt eben Berge.
Träume sind Gedanken im Traum-Leben....
Denke mal von dieser Stelle aus weiter, wenn es für Dich interessant ist bzw. Du Spaß daran hast. Schreib mal gelegentlich, wohin Dich das führt, zu welcher Geschichte. Take care, bleib gesund und munter.
schusterjunge ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen für Die Therapiemaschiene

Stichworte
ahnung, natur des träumens, sinnesvielfalt

Themen-Optionen Thema durchsuchen
Thema durchsuchen:

Erweiterte Suche



Sämtliche Gedichte, Geschichten und alle sonstigen Artikel unterliegen dem deutschen Urheberrecht.
Das von den Autoren konkludent eingeräumte Recht zur Veröffentlichung ist Poetry.de vorbehalten.
Veröffentlichungen jedweder Art bedürfen stets einer Genehmigung durch die jeweiligen Autoren.