richard ein bruder den ich nicht hatte

[Perry]

sehnsüchtig wurdest du in der familienrunde erwartet
hattest sogar schon einen namen aber das schicksal
verwehrte dir ein leben in unserer trauten mitte

was hätte alles aus dir werden können ein löwenherz
ein klassischer komponist oder versonnener fantast
wie ich jedenfalls ein guter begleiter durch die zeiten

wie viel nähe und liebe hättest du verschenken können
wie viele kind- und kindeskinder wären dir nachgefolgt
so bleibt mir nur dich in meine träume einzuweben

[Ilka-Maria]

Das Gedicht hat mich tief berührt, Perry, denn es klopft an die Tür meiner Familiengeschichte. Meine Großmutter väterlichseits hatte zwei kleine Jungs verloren. Was genau geschehen ist, habe ich nie erfahren. Es wurde totgeschwiegen. Man vermutete einen "häuslichen Unfall". Mein Vater war das dritte Kind, ihm folgte noch ein Bruder.

Der zweite Fall betrifft meine jüngste Tante, eine Schwester meiner Mutter. Zwei ihrer Jungs starben, als einer der beiden ins Eis der gefrorenen Ems einbrach und der Bruder ihm heraushelfen wollte. Ihr Vater kam ihnen zu Hilfe, sprang in das eisige Wasser und zog sie heraus, konnte sie aber nur noch tot bergen. Vermutlich führte die extreme Kälte bei beiden Kindern zu einem akuten Herzstillstand. Meine Tante hat noch vier weitere Kinder.

Ich kann mich täuschen, aber ich habe den Eindruck, dass dein Gedicht autobiografisch ist. Wie sonst könnte man auf die Idee kommen, dieses Thema zu verarbeiten? Ich bin ein verwöhntes Einzelkind gewesen, eine "Püppi", die nie Geschwister vermisst hat. Aber heute ... ich weiß nicht, vielleicht wäre es schön, welche zu haben. Vielleicht wäre das auch ein Thema für ein Gedicht: Die Schwester oder der Bruder, die oder den man nie gehabt hat, weil er gar nicht erst geboren wurde.

[Ex-petrucci]

@Perry

Sehr schöne Zeilen, Perry. Deine "Schreibe" ist nicht immer meins. Das soll nicht heißen, dass es schlecht ist. Hier aber möchte ich Lob beisteuern. Gefällt mir ausnehmend gut.


@Ilka-Maria

Das Geschwister Thema ist in der Psychologie interessant.
Es gibt Geschwister, wo ein Teil beider sich eine Bindung wünscht und diese aber nie entstehen wird. Oft tritt das bei Geschwisterverpaarungen auf, die mehr als 5 Jahre Altersunterschied aufweisen.

Dann gibt es die engen Verschweißungen, die nicht ohne leben können und so weiter. Egal wie, Probleme gibt es überall und ich denke mir, der Vorteil als Einzelkind liegt darin, dass man diese Probleme nicht kennt.

Familie und Verwandtschaft ist ein schwieriges Thema.
Viele bekommen ja auch Kinder, weil sie im Alter nicht alleine sein wollen. Aber wie viele Kinder drehen den Eltern den Rücken zu und dann heißt es: "Ab in das Heim!".
Auch wenn du nicht danach gefragt hast, aber ich handhabe das wie folgt: Was jetzt nicht ist, war nie und was hätte sein können ist irrelevant, da es nicht ist und nie werden wird.

[Perry]

hallo Ilka-Maria,
deine Vermutung ist richtig, der Text ist autobiografisch gefärbt. Ich stamme aus einer kinderreichen Familie und habe selbst 4 Kinder und bald kommt das 5. Enkelkind auf die Welt. Mein Bruder Richard war eine Totgeburt und wurde bestattet. Rückblickend habe ich mich gefragt, was aus ihm hätte werden können.
Danke fürs Reflektieren und LG
Perry

Hallo petrucci,
ich habe kein Problem damit, wenn meine Art zu Schreiben nicht jedem gefällt.
Umsomehr freut es mich, dass Dich dieser Text positiv ansprechen konnte.
Danke fürs Hineinspüren und LG
Perry