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Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken.

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Alt 18.09.2012, 00:45   #1
gummibaum
 
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Standard Siebengestirn

Zaghaft leuchten sieben Scherben
und ich weine jede Nacht.
Meine Kinder sah ich sterben,
alle sieben umgebracht.

Ich versteh nichts von den Mächten,
die regieren diese Welt,
ihren Rechten, in den Nächten
anzugreifen Dorf und Zelt.

Bin nur ein beraubtes, armes
leeres Weib, das früh ergraut
in den Banden seines Harmes
trostlos zu den Sternen schaut.
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Alt 18.09.2012, 06:39   #2
weiblich Ilka-Maria
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Guten Morgen, lieber gummibaum,

das ist sprachlich trotz vermeintlicher Einfachheit virtuos geschrieben, und Du hast etwas mitzuteilen: Trauer und Resignation in der Gewißheit, daß für jeden Menschen einmal das Alter erreicht ist, in dem die Kraft zum Kämpfen aufgebraucht ist und Niederlagen nicht mehr kompensiert werden können. Schnörkellos auf den Punkt gebracht.

Lieben Gruß
Ilka
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Alt 18.09.2012, 07:29   #3
Thing
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Guten Morgen, gummibaum -

ich sehe die "sieben" eher allegorisch. Zuallererst fiel mir die Menora ein, danach die Landnahme Kanaans durch Josua.
Es könnten auch die Plejaden gemeint sein - ewig verfolgt von Orion - aber die hatten kein solch schreckliches Schicksal.
Sei dem, wie ihm wolle:
Ein sehr düsteres Gedicht, das wahrlich niederschlagend wirkt.
Gut gemacht, wie nicht anders zu erwarten.

Niedergeschlagenen Gruß
von
Thing
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Alt 18.09.2012, 08:42   #4
gummibaum
 
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Hallo Ilka und Thing,

ganz lieben Dank für eure Aufmerksamkeit und für das Lob.

Das Gedicht entstand, als ich gestern bei sternklarem Himmel mit Turnschuhen unterwegs war. Ich erinnerte mich an ein Gespräch mit einem jungen österreichischen UN-Soldaten in Alexandrien, der mir erzählte, dass Palestinänser israelische Grenzposten erschossen hatten. Und die israelische Luftwaffe daraufhin in einem Tal nachts alle palästinensischen Dörfer "platt gemacht" hatte.

LG gummibaum
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Alt 18.09.2012, 08:52   #5
Thing
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Schrecklich!
Gewalt gebiert Gewalt.
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Alt 18.09.2012, 13:14   #6
Narziss
 
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Hallo gummibaum,

ich denke, dir ist besonders die erste Strophe gelungen. Das Bild von den sieben Scherben gefällt mir.

Noch eine Kleinigkeit, die mich persönlich ein wenig irritiert:
Zitat:
Zaghaft leuchten sieben Scherben
und ich weine jede Nacht.
Meine Kinder sah ich sterben,
alle sieben umgebracht.
Im vierten Vers wiederholt sich der dritte eigentlich nur. Dass die Kinder umgebracht wurden, erschließt sich aus dem Kontext und den folgenden Versen. Daher erscheint mir dieser Vers merkwürdig banal. Warum diese Doppelung?

Es grüßt
Narziss
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Alt 18.09.2012, 13:18   #7
Thing
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In meinen Augen:

Zur Betonung. Für die Eindringlichkeit.
Diese Doppelung finde ich lapidar. Deswegen gut.

LG
Thing
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Alt 18.09.2012, 13:20   #8
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Narziss Beitrag anzeigen
Im vierten Vers wiederholt sich der dritte eigentlich nur.
Im dritten Vers steht nicht, wodurch die Kinder gestorben sind, insofern sehe ich im vierten Vers keine Doppelung, sondern eine Präzisierung.
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Alt 18.09.2012, 13:23   #9
Narziss
 
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Nun gut, dann gebe ich mich geschlagen.

Narziss
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Alt 18.09.2012, 13:28   #10
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Narziss Beitrag anzeigen
Nun gut, dann gebe ich mich geschlagen.

Narziss
Gottseidank - das wäre nämlich mein letztes Argument gewesen .
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Alt 18.09.2012, 13:34   #11
Narziss
 
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Naja, solche Empfindungen sind oft subjektiv.
Wie gesagt, aus den folgenden Worten ginge das "umgebracht" für mich auch ohne Vers 4 hervor.
Aber wenn ihr das beide anders seht, will ich mir nicht anmaßen, eure Meinung in Frage zu stellen. Bin ja schließlich nur ein brotloser Dichter.

Narziss
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Alt 18.09.2012, 13:43   #12
weiblich Ilka-Maria
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Ich habe nur Spaß gemacht.

Tatsächlich könnten die Kinder ja auch durch Umweltkatastrophen oder Epidemien gestorben sein, darüber sagt der dritte Vers noch nichts. Eher könnte man Mord und Totschalg aus den darauffolgenden Strophen herleiten.
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Alt 18.09.2012, 13:47   #13
Narziss
 
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Tatsächlich könnten die Kinder ja auch durch Umweltkatastrophen oder Epidemien gestorben sein, darüber sagt der dritte Vers noch nichts. Eher könnte man Mord und Totschalg aus den darauffolgenden Strophen herleiten.
Genau das meinte ich ja. Die folgenden Strophen zeichnen dieses Bild bereits vor.
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Alt 18.09.2012, 13:52   #14
Thing
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So habe ich das auch gelesen.
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