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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt. |
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17.01.2006, 02:01 | #1 |
Dämmern
Vom Meer her fliegen Vögel,
ein letzter Traum, ein Mondgedicht, entartete Kunst im Sand, verflochten unser Haar, dein blassgoldenes und meines, dessen Farbe ich vergaß. Ringsum prasselt die Kälte, ein Tuch über Narben gespannt. Und hinter dem Morgen dämmert ein hellerer Tag |
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17.01.2006, 16:41 | #2 |
In dem Gedicht finde ich mich absolut wieder...hast die Dämmerung sehr schön zur Geltung gebracht, so wie sie es verdient. Unglaubliche Tragkraft. Besonders der Anfang mit den Vögel vom Meer hat mich sehr angesprochen.
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17.01.2006, 16:48 | #3 |
Dein Gedicht läßt mich größtenteils in einer sehr angenehmen Stimmung Ruhe ind Geborgenheit empfinden.
Doch an zwei Stellen, bei der -entarteten Kunst- und den -Narben- werde ich sehr schmerzhaft zurückgerissen? Was möchtest Di damit zum Ausdruck bringen? |
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17.01.2006, 17:05 | #4 |
gesperrt
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Wahrscheinlich, dass er es ungebührlich fände, einen Text nicht ein wenig schmutzig daherkommen zu lassen?
Missfällt mir. Manchmal muss es auch unbefleckte Empfängnis geben können. Oder zumindest eine retouchierte. Wer sagt eigentlich, dass ein Schummeln, das Perfektion vortäuscht, nicht edel sein darf? Sich blenden zu lassen ist doch manchmal ganz schön. Immer nur die nüchterne Realität zu sehen langweilt auf Dauer. Phantasie ist die Droge, Nahrung des Sehnens nach Sonnen-Morgen. Aber ja, ich bin ja urkitschig in diesem Denken. Sodenn, reißt Narben auf, lasst Blut quellen, ertrinkt in eurer eigenen Sintflut; auf dass die Erde getränkt werde und die wachen Geister in ihren blühenden Träumen ewig wandeln dürfen. |
17.01.2006, 17:07 | #5 |
Diese Bilder, die ihr beiden nennt, sind mir gar nicht so intensiv rübergekommen...heißt: mich haben sie nicht am Gedicht aufgehalten.
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17.01.2006, 17:07 | #6 |
Oh süßes Blut
dass hier durch meine Kehle rinnt und mich trunken macht in seinem Überfluß |
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17.01.2006, 17:09 | #7 |
Hallo Sternenregen,
ist eben wie immer Gefühlssache, was uns stolpern und innehalten läßt. Vielleicht haben Ra-Jah und ich da irgendwas gemeinsam? |
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17.01.2006, 17:44 | #8 | ||
Zitat:
Mag sein, dass hier Lebenseinstellungen aufeinanderprallen (und diese Diskussion damit überflüssig wird), doch möchte ich einfach darauf antworten, sei es in seiner Konsequenz auch noch so unproduktiv.: Was du hier kritisierst geht über das Gedicht hinaus, auf eine Ebene, die sehr, nunja persönlich ist und dies steht dir - meines Erachtens - nicht zu. Natürlich drückt Lyrik stets einen Teil der Empfindungen des Autors aus, doch du hast sicher wie ich auch in der Schule gelernt, dass zwischen dem lyrischen Ich und dem Autor ein himmelweiter Unterschied besteht. Ich würde nicht im Traum daran denken, einen Text zu publizieren, der ungefiltert Facetten meiner Persönlichkeit aufzeigt. Dies als ersten Punkt. Zum Thema "Sich blenden lassen": Ich kann dir nicht - oh Wunder - nicht zustimmen, es ist meines Erachtens fatal, sich blenden zu lassen, sich selbst zu blenden, nur um Schönheit zu erleben. Schönheit findet sich ausschließlich in dieser unserer Wirklichkeit und ich empfand bisher nichts als schön, erstrebens- oder bewahrenswert, das, wie nanntest du es, "unbefleckt" war, es gibt keine unbeflegte Erkenntnis. "Was nicht leicht entstellt ist, entgeht der Wahrnehmung; woraus folgt, dass die Unregelmäßigkeit, das heißt das Unerwartete, die Überraschung, das Erstaunen ein wesentlicher und charakteristischer Teil der Schönheit ist." (Charles Baudelaire) Zitat:
Nur noch einmal auf den obigen Block bezogen: Du sprichst davon, dass es schön sein kann, sich blenden zu lassen, hälst du es nicht für möglich, dass gerade die mit Schmerz (um bei einem Begriff zu bleiben, ich empfinde ihn eigentlich als unpassend) versetzte, klare Sicht eine ähnliche, ehrlichere Schönheit besitzen könnte? @Chromoxid Was die entartete Kunst angeht: Seltsam, dass du darüber stolperst, ich empfinde den Begriff der entarteten Kunst, historische Konnotation hin oder her, durchaus als positiv. Entarten hat etwas zu tun mit sich befreien, über Grenzen hinwegsetzen, neue Wege suchen, so zumindest meine Sicht dieser Sache. Betreffs der Narben: Einen Großteil dessen, was ich dazu sagen könnte habe ich oben bereits erläutert, es sei nur noch eines hinzugefügt: Narben sind verheilte Wunden. |
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17.01.2006, 18:04 | #9 | |
Hallo Guardian,
nachdem ich Deinen sehr ausführlichen Beitrag gelesen habe, bin ich mir sicher, dass zwischen uns Dreien sehr sehr unterschiedliche Lebenssichten kollidieren. Gut so. Wenn wir uns einig wären, wäre ein Austausch auch überflüssig. Du schreibst: Zitat:
Der Begriff der "entarteten Kunst" setzt in mein Kopf augenblicklich Bilder von Bücher und Kunstverbrennungen frei und läßt mich an Texte aus meine Schulzeit denken, die von Menschen dieser Zeit stammen. Die Assoziationsflut verschüttet augenblicklich Dein Gedicht. Ich habe früher nur geschrieben, wenn es mir dreckig ging und erst in den vergangenen Tagen habe ich sachte begonnen auch positive Empfindungen in meine Texte einzubauen. In diesem Punkt bin ich Ra-Jah sehr dankbar, der mich darauf aufmerksam gemacht hat, dass die Welt nicht nur uns formt, sondern auch wir die Welt. Ich kann mich in meinem Schmerz verbeißen und mich selbst auffressen oder ich kann versuchen mich zu heilen indem ich nach Schönen Ausschau halte. In diesem Zusammenhang bin ich davon überzeugt, das der Umstand, ob wir etwas als schön und rein oder verachtenswert und befleckt empfinden, allein unsere Entscheidung ist. Wir alle sehen die Welt durch den Filter unserer eigenen Werte. Mit "sich blenden lassen" hat das meines Erachtens nach nichts zu tun. Ja und dann die Narben. Ich empfand das Gedicht einfach als wunderbar tröstlich und einhüllend. Dann lenkst Du mein Augenmerk aber auf die Narben und ich frage mich: "Oh, Du bist verletzt? Wie ist das geschehen. Schmerzt es noch?" Mich fröstelt und die Wärme des Augenblicks ist verschwunden. Das Du damit auf Heilung anspielst, der Gedanke wäre mir nicht gekommen. Ist Interpretationssache, weiß ich. Deswegen meine obige Frage, was wolltest Du für eine Stimmung beschreiben? |
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17.01.2006, 18:35 | #10 | |
Zitat:
Gleichzeitig verlangst du aber sehr viel von mir, es ist nicht leicht, einen Gedanken aufzuschlüsseln, der in ein Gedicht gefasst wurde, ich will es einmal möglichst kurz und knapp anreißen: Es dreht sich um meine Vorstellung von, nunja, Glück (ich mag das Wort nicht sonderlich), Zufriedenheit, durchdringend empfundener Schönheit, irgendwie etwas in diese Richtung, das im Reinen sein mit der Welt, sich selbst und dem was war, ist und sein wird, ungeachtet der bereits erlittenen Wunden und der Wunden, die noch kommen werden, fest steht, dass es stets eine Morgendämmerung geben wird und einen darauf folgenden, helleren Tag. "Unser Morgen wird heller sein als unser Gestern und unser Heute" (W. Jerofejew) Ich hoffe, das ist halbwegs nachvollziehbar geworden? Guardian |
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17.01.2006, 18:35 | #11 |
gesperrt
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Ja, du hast sicher Recht in vielem, das du schreibst. Das lyrische Ich, keine Ahnung, es wird hier immer so viel drüber geschrieben, als ob es das goldene Kalb der Lyrik sei. ich hab keine Ahnung mehr, ob ich darüber in der Schule was gelernt habe, ist schon schätzungsweise 6 Jahre her und unsere Deutschlehrerin war ne verkappte Lesbe mit Männerhass, der Kurs bestand aus
13 Schülern, ich einer von zwei(!) Jungs. Ich hab aus dieser Zeit nur noch behalten wie schleimende Streber-Mädchen jeden Tag ihre vielseitigen Hausaufgaben abgaben. Meist, als ich schon auf dem Flur war, oder draußen, auf dem Nachhauseweg, mit Kumpels Spliffs drehte. Um aufs lyrische Ich zurückzukommen: Ich schreibe immer aus meiner Perspektive, die sich aus dem zusammensetzt wie ich die Welt sehe und wie ich die Welt sehen möchte. Das Ergebnis ist immer voller persönlicher Facetten. Ich hab da nichts zu verbergen. Was die Selbstverstümmelung betrifft, so hast du ja Recht, ich war anfangs ziemlich überrascht, wie viel sich davon hier ergießt. Angenervt. Verschwendete Energie. Statt das Morgen im Heute zu segnen, beweinen sie das Gestern im Jetzt. Doch, wie mit allem, dem man lange ausgesetzt ist bildet sich auch da eine Toleranzschwelle. Und es hat mich auch ein wenig angesteckt ("Und..."). Es ist nicht ganz schlecht, gut, aber definitiv noch immer zu viel Oo Schönheit findet sich ausschließlich in dieser unserer Wirklichkeit und ich empfand bisher nichts als schön, erstrebens- oder bewahrenswert, das, wie nanntest du es, "unbefleckt" war, es gibt keine unbeflegte Erkenntnis. Meine Wirklichkeit ist immer davon abhängig, wie ich sie sehen will. Jede Bewegung irgendwelcher noch so unscheinbarer Ströme in meinem Hirn hat eine (wenn auch naturwissenschaftlich als winzig definierte) Auswirkung auf alle Bestandteile des Universums. Ich empfinde zum Beispiel das Bild einer heilen Familie, einer Frau, mit der ich auf einer tiefen spirituellen Ebene verbunden bin, Kinder, zwei, ein Junge ein Mädchen, als schön, erstrebens- oder bewahrenswert. Dieses Bild, unbefleckt in meinen Augen, hält mich am Leben, gibt mir immer Kraft, wenn ich sie brauche. Das ist wohl auch das einzige was ich mit der katholischen Kirche gemeinsam habe Was die Narben betrifft: Sicher, sie sind verheilt, aber ihre Erwähnung reißt ihr Entstehen doch stets wieder in den Focus. Eher als die Heilung. So kam es mir in deinem Gedicht zumindest vor. Was so toll am Entarten sein soll, kann ich übrigens auch nicht nachvollziehen. Es mag stockkonservativ klingen, so bin ich eigentlich auch nicht, aber wenn man sich zu sehr von sich selbst entfernt, so verläuft man sich irgendwann, stürzt vielleicht eine Klippe herunter oder vergisst sich ganz selbst. Nein, ich will nicht entarten, ich will lieber artig sein Artig zu sein heißt noch lange nicht, Sklave der Art zu sein, in dem Sinne sie zu belassen wie sie ist, nein, es bedeutet für mich ihr zu helfen sich weiterzuentwickeln (Kinder!), ohne sich selbst zu verleugnen. Und das spielt auch in mein Kitschbild der Familie hinein. Ich sehe eine schöne Zeit, die ich weitergeben kann. Und ich sehe eine schöne Zeit, eine neue, die sie mir schenken wird. |
17.01.2006, 18:44 | #12 |
Hallo Guardian,
das ist dann genau die Stimmung, die mir Dein Gedicht ohne die "entartete Kunst" und die Narben vermittelt hätte. |
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17.01.2006, 19:02 | #13 | |||
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Edit @ Chromoxid: Das finde ich jetzt wiederum interessant, ohne angesprochene Bilder (es ist nicht so, dass es nie eine Fassung ohne diese gegeben hätte) empfand ich den Text als unaufrichtig, beinahe heuchlerisch und zu einseitig, dies hängt auch mit dem zusammen, was ich oben bereits geschrieben habe. Nichtsdestotrotz ist es interessant zu erfahren, wie derartiges auf andere wirkt. Danke hierfür. |
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