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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt. |
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13.05.2012, 18:52 | #1 |
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.877
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Drei Zigaretten
Drei Zigaretten in der linken Hand
den Sohn zur Rechten, Kilometer fressend, bemühte sich die junge Frau, recht bald das ihr beschriebne Ziel, den Bauernhof bei Dornburg an der Saale hellem Strande zu finden, nur um dort paar grüne Äpfel fürs zweite kranke Kindchen einzutauschen. Ein Auto hielt und voller Mitleid nahm der Fahrer Sohn und Mutter gegen Zahlung des Drittels ihrer Nachkriegswährung auf dem letzten Abschnitt jenes langen Weges von Jena zu den Schlössern an der Saale, vielleicht aus Mitleid oder Nächstenliebe, bestimmt nicht nur des Tabaks wegen, mit. Die Scham vergessend bat die junge Mutter den Bauern um zwei Pfund der ungereiften, ins Gras gefallnen Früchte, bot als Preis die beiden Zigaretten an und dankte erfreut, als der Besitzer ihr erlaubte, so viel zu sammeln, wie sie tragen könne. Wozu sie grüne Äpfel brauche, fragte der Bauer voller Neugier und erfuhr: Mein Kind zuhause leidet an der Ruhr, Ein Pulver soll ich mit noch ungereiften, geriebnen Obst gemischt dem Kinde geben, so würde es gesund und gerne lief ich den weiten Weg hierher zu euch nach Dornburg. Gerührt erbot der Bauer sich, die Frau mit seinem Trecker heim zu bringen, ihre geschundnen Füße seien erstens Grund genug, der Bub an ihrer Seite zweitens, dem Herzen einen kräftgen Stoß zu geben. So wurde einer Mutter sorgenvolle Liebe im Jahre sechsundvierzig rasch belohnt. Ich denke dein, geliebte Mutter, will auch den Bauern und die Äpfel nie vergessen, und Salbe deinen wunden Füßen gönnen. Du gabest mir nicht nur das Leben, du hast es mir erneut geschenkt, drei Zigaretten und Blasen an den Füßen hat es dich gekostet, mich zu retten. Dank sei dir, den Apfeln, dem Taback und deiner Liebe. |
13.05.2012, 18:59 | #2 |
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Hallo Heinz,
da hast du dir aber auch große Mühe für deine Mutti gegeben! Finde ich wirklich toll - diese Rückblende - sowas vergißt man wohl nie - falls es wirklich authentisch ist ... 5-heb. Jambus? Sonntagsgruß von Suzette |
13.05.2012, 22:44 | #3 |
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.877
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Liebe Suzette,
danke schön für Deine schnelle Reaktion! Meine Absicht war (und bei Dir scheint sie angekommen zu sein), ein Muttertagsgedicht zu schreiben, frei von übergroßer Sentimentalität und mit Verzicht auf auf die üblichen Rosen zum Kosen. Ja, Du hast Recht, es sollen fünfhebige Jamben sein, man mit männlichen, mal mit weiblichen Kadenzen. So etwas nennt man "Blankverse" (die lange Zeit eine sehr beherrschende Versform waren - z.B. Goethes Iphigenie). Dass ich Tabak einmal Tabak, am Ende Taback betone, habe ich durch das ck in der zweiten Betonungsversion versucht hervor zu heben. Das Wort wird tatsächlich, wahrscheinlich landschaftlich bedingt, einmal so und ein ander Mal so betont. Ob die Geschichte authentisch ist? Zeit und Ort(e) stimmen, die Fortbewegungsarten (zu Fuß von Jena nach Dornburg, ein kurzer Teil der Strecke als Mitfahrer, zurück per Trecker) stimmen, die Krankheit hatte meinen jüngeren Bruder erwischt und meine jüngere Schwester (die hier nicht erwähnt wird) war drei Monate alt. Den Namen des Medikaments, das tatsächlich unter geriebene grüne Äpfel gemischt wurde, weiß ich natürlich nicht mehr - essen musste ich das Mus auch - und: Wir haben alle überlebt. Die Story stimmt tatsächlich. Liebe Grüße, Heinz |
14.05.2012, 08:10 | #4 |
R.I.P.
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Mit einem kurzen Wort:
G u t! |
14.05.2012, 11:36 | #5 | |
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Hallo Heinz,
Zitat:
LG |
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14.05.2012, 12:24 | #6 |
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Aber, Heinz bumbeitischi, ich konnte nur drei Zeilen lesen, bacata mia, misericordia tuam, dann war mein taubes Herzchen gleich, war mir gleich dumm, bum, bum.
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14.05.2012, 14:42 | #7 |
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.877
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Hallo, gamma,
wenn Du mir jetzt noch verrätst, was Deine Zeilen bedeuten, ginge es mir gleich besser. Lieber Thing, genauso kurz und knapp: Danke! Liebe Grüße an Euch beide, Heinz Geändert von Heinz (14.05.2012 um 19:23 Uhr) |
14.05.2012, 15:17 | #8 |
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Lieber Heinz
Ich bin überrascht, ich denke dass Du es nicht nötig hast, wegen mir, dich gleich ins Unglück stürzen zu lassen. Lass mir bitte Zeit, ich werde auf Deinen Text zurückkommen. Nun wünsche ich Dir einen guten Tag. lgGamma |
14.05.2012, 16:35 | #9 | |
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hm ja - ein wirklich schöner text, nur das kleine kranke kindchen wäre ich net gern gewesen mit den unreifen äppeln im bäuchlein.
Zitat:
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14.05.2012, 17:20 | #10 |
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Drei Zigaretten in der linken Hand von dem würde ich nicht in einem Gesang berichten.
den Sohn zur Rechten, Kilometer fressend, war mir nicht möglich, Zwillinge Sohn und Tochter bemühte sich die junge Frau, recht bald ich bin Hausmann das ihr beschriebne Ziel, den Bauernhof da haben meine Kinder gesult bei Dornburg an der Saale hellem Strande Spiekeroog und Juist noch und noch zu finden, nur um dort paar grüne Äpfel in meinem Bungert gibt es genug fürs zweite kranke Kindchen einzutauschen. habe einen Sohn vor dem Kindstod zweimal gerettet Ein Auto hielt und voller Mitleid nahm ging ich einkaufen mit vier, die Frauen hatten kein Mitleid mit mir der Fahrer Sohn und Mutter gegen Zahlung schon niemand half mir die Zwillige, im ZOO, beim wickeln des Drittels ihrer Nachkriegswährung auf in meiner Familie gab es für 11 Mäuler eine Bratwurst pro Woche dem letzten Abschnitt jenes langen Weges mein Vater musste die ganze Sippschaft von Brusio Scanfs mit dem Handwagen zügeln von Jena zu den Schlössern an der Saale, vielleicht aus Mitleid oder Nächstenliebe, bestimmt nicht nur des Tabaks wegen, mit. niemand nahm uns auf dem Lastwagen mit Die Scham vergessend bat die junge Mutter den Bauern um zwei Pfund der ungereiften, ins Gras gefallnen Früchte, bot als Preis die beiden Zigaretten an und dankte erfreut, als der Besitzer ihr erlaubte, so viel zu sammeln, wie sie tragen könne. Wozu sie grüne Äpfel brauche, fragte der Bauer voller Neugier und erfuhr: Mein Kind zuhause leidet an der Ruhr, Ein Pulver soll ich mit noch ungereiften, geriebnen Obst gemischt dem Kinde geben, so würde es gesund und gerne lief ich den weiten Weg hierher zu euch nach Dornburg. Gerührt erbot der Bauer sich, die Frau mit seinem Trecker heim zu bringen, ihre geschundnen Füße seien erstens Grund genug, der Bub an ihrer Seite zweitens, dem Herzen einen kräftgen Stoß zu geben. So wurde einer Mutter sorgenvolle Liebe im Jahre sechsundvierzig rasch belohnt. Ich denke dein, geliebte Mutter, will auch den Bauern und die Äpfel nie vergessen, und Salbe deinen wunden Füßen gönnen. Du gabest mir nicht nur das Leben, du hast es mir erneut geschenkt, drei Zigaretten und Blasen an den Füßen hat es dich gekostet, mich zu retten. Dank sei dir, den Apfeln, dem Taback und deiner Liebe. niemand gab uns etwas geschenkt, wir waren in allen Dörfern, die gehassten Fremden. Für Dich ein Epos, für mich war das die Hölle. für mich zu einfach gedacht für mein ganzes Leben. Ich kann mir Deine Odyssee nachvollziehen, der "Falke" wäre bei Dir das Stichwort "drei Zigaretten", bei mir "friss den Hundekuchen" Du fremdes, saudummes Schwein. Die Liebe kann mir gestohlen bleiben. Mich beisst der Stoff im Text, wegen einer "Wenigkeit", meine Meinung zu gefühlsbeladen. |
14.05.2012, 17:32 | #11 |
R.I.P.
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Rohe, geriebene Äpfel sind heute immer noch ein Hausmittel gegen Durchfall.
Apfelmus gegen das Gegenteil. Wenn man "Uns gehts ja noch gold" gelesen hat, weiß man, daß jedes Wort stimmt. |
14.05.2012, 19:45 | #12 |
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Beiträge: 7.877
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Lieber Gamma,
im Text ist das Jahr, in dem sich die Geschichte abspielte, erwähnt. 1946, ein Jahr nach Kriegsende, waren drei Zigaretten (in ein bisschen Stanniolpapier eingewickelt) eine ganze Menge wert. In der linken Hand - ja, weil an der rechten der 4-jährige Knabe die ganze Strecke, es waren um die 15 km, mittrippeln musste. Heutzutage ist es vielleicht unvorstellbar, dass eine junge Mutter so eine Strecke (zurück waren es ja nochmal 15 km) in Kauf nahm, um für ihre Kinder paar unreife Äpfel zu besorgen. Hier ging es auch nicht um Kindstod (mit dieser Todesursache verbinde ich etwas ganz anderes), sondern um die genauer bezeichnete Krankheit "Ruhr". Ich scheine da bei Dir Erinnerungen wach gerufen zu haben, die für Dich möglicher Weise schmerzhafter sind, als meine. Als Kind habe ich das alles gar nicht so empfunden, weiß nur noch von dieser endlosen Latscherei in Igelit-Schuhen und von der Großzügigkeit des Bauern, dem die junge, erschöpfte Mutter einfach Leid tat. Erst als halbwegs Erwachsener konnte ich ihre Riesenleistung und das Verhalten der beiden Männer (des Fahrers und des Bauern) einigermaßen einschätzen. In Jena, so erfuhr ich später, gab es keine Äpfel mehr an den Bäumen und von wem meine Mutter den Tipp erhalten hat, es gäbe da in Dornburg einen Bauern, der noch paar Äpfel am Baum hatte, weiß ich nicht. Was soll ich groß erklären? Die Geschichte hat sich genauso abgespielt. Lieber Thing, danke für Deine Schützenhilfe! Liebe Grüße Euch beiden, Heinz |
14.05.2012, 22:08 | #13 |
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Lieber Heinz
Ich glaube das Du keine Schützenhilfe brauchst, Du wehrst Dich für eine Geschichte authentisch, da mag ich nichts entgegenhalten. Ich stehe mit der Liebe nicht auf gutem Fuss, dass ist keinen Beleidigung an Dich gerichtet. Sie liebt nicht, sie und ich, wir sind uns beide einig. lgGamma |
14.05.2012, 22:19 | #14 |
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Beiträge: 7.877
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Lieber Gamma,
in meiner allernächsten Nähe gibt es Mütter, die zwar nicht perfekt sind, die aber die das Beste sind, was ihre Kinder je erleben durften. Es gibt aber auch Mütter, die ihre Kinder beschädigen und, wie man der Literatur oder Presse entnehmen kann, sogar umbringen. Ich glaube, es gibt ein jüdisches Sprichwort: "Weil Gott nicht überall sein konnte, hat er die Mütter erfunden". Damit sind solche gemeint wie meine Mutter. Du scheinst andere Erfahrungen gemacht zu haben. Das ist schade, ändert aber nichts daran, dass die große Mehrzahl der Mütter eben jene göttliche Erfindung darstellen, die das jüdische Sprichwort meint. Liebe Grüße, Heinz |
14.05.2012, 22:39 | #15 |
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Lieber Heinz
Danke für die Antwort. Meine Mutter konnte es nicht es nicht besser, schlechte Eltern sind gute Eltern, mir so gar die Besten, weil sie mich nicht "lieben" konnten, das ist mein grösstes Glück. Die Göttinnen waren früher, auch in der jüdischen Religion eine Muttergottheit, also hat Mütterchen damals, ihr göttliches Söhnchen in der Transzendenz selbst gezeugt und geboren, soviel ich mir das jetzt grad weiss. So ist der Frauen "Gegenpart" eigentlich eine "Männin", was man heute noch an dem Papst leicht sehen kann, er trägt Frauenkleider. Mir ist "Gott" die Verbundenheit in allem. Die Männer haben die Spitze der Kulturgenese erobert. Ich wünsche Dir eine gute Nacht. Gamma |
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