Chamäleon Sievering

[Roman Speta]

Chamäleon Sievering

Du fasst mich, tauchst mich
In deine Wirbel, lautloses
Brausen der Zeit.
Und ich sehe Jahrhunderte
wild verschlungen
im Schicksalsstrom
durcheinandertaumeln.
Ein wüster Knäuel
der Wahrnehmung
wälzt sich schillernd
am Himmel, ergießt sich
in mich und ich ahne,
ich schaue:
Römerschwert, Krummsäbel,
Baiern, Franken, Ungarn.
Da taucht der Franzosensturm
tosend hervor.
Vieles Andere, Schwarzes
und Buntes, Seliges, Grausames,
Tod und Liebe,
Verzweiflung und Hoffnung.
Gewaltiges sahst du,
lieblicher Ort,
welktest und blühtest!
Und dann kam Wien.
Und es kamen die
Reichen und Schönen:
Üppigneuwienprunkstrahlendes
Weinhauersievering,
traubenbedeutungsvoll,
schlicht und luxusgeschwängert.
Wintergärtengründunkelumflochtene
Rebenwälder, villendurchperlte
Gärtenhänge.
Und über Allem
ein zeitloser Himmel,
stetes Wehen, bange Lust.