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Theorie und Dichterlatein Ratschläge und theoretisches Wissen rund um das Schreiben. |
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23.01.2022, 12:29 | #1 |
Silben zählen
Hallo liebe Forumsmitglieder,
mit Silben zählen im Gedicht habe ich mich noch nicht allzuviel beschäftigt, das Einzige, was ich weiß, ist, dass die sich reimenden Zeilen die gleiche Silbenanzahl haben sollten. Aber das gilt doch nicht in dem Sinn, dass z. B. bei 4 Strophen mit je 4 Versen alle 16 Verse die gleiche Silbenanzahl haben müssen? LG DieSilbermöwe |
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23.01.2022, 12:59 | #2 |
Gast
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Liebe Silbermöwe,
Ohne viel Ahnung zu haben: Es gibt ja sehr viele Gedichte in der abwechselnd betonte und unbetonte Reime stehen. Daher muss sich die Silbenzahl wenigstens um eins unterscheiden, wenn man Jambus oder Trochäus durchhalten will. Manchmal stört mich das mit der gleichen Silbenzahl auch, denn die Silbenlänge ist ja sehr unterschiedlich: Öde und Schmerzhaft haben z.B beide 2 Silben.Manchmal passt es dann nicht gut vor allem bei langen Wörtern wie Kapitalisten mit allein 5 Silben. Viele Grüße Andri |
23.01.2022, 13:43 | #3 | |
Forumsleitung
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Zitat:
es kommt darauf an, für welche Form du dich entscheidest. bei den "klassischen" Formen hält man das Metrum ein. Ob die Verse dabei in der Silbenzahl abweichen, hängt von den Kadenzen ab, da die männlichen Kadenzen hart enden. Der Unterschied der Kadenzen beeinflusst deshalb die Verslänge. Beispiel (Storm): Das macht, es hat die Nachtigall (männl., 8 S.) Die ganze Nacht gesungen; (weibl., 7 S.) Da sind von ihrem süßen Schall, (männl. 8 S.) Da sind in Hall und Widerhall (männl., 8 S.) Die Rosen aufgesprungen. (weibl., 7 S.) Es kann natürlich auch so komponiert sein, dass der auf weibliche Kadenz endende Vers der längere ist. Die Klassiker dichteten auch oft im Wechsel von Hexameter und Pentameter, also mit sechshebigen Versen, denen ein fünfhebiger Vers folgte. Moderne Lyriker richten sich aber nicht mehr grundsätzlich nach den klassischen Formen. Ihnen kommt es auf die Wortwahl, also auf den Ausdruck und die Bilder an. Nach der Verslehre unterscheidet man "freie Verse" und "freie Rhythmen". Bei den freien Versen wird gereimt, aber die Verslänge variiert, wie es der Lyriker für richtig hält. Bei den freien Rhythmen wird nicht mehr gereimt. |
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23.01.2022, 15:22 | #4 |
Vielen Dank, Andri und Ilka!
Dass es etwas mit den Kadenzen zu tun hat, darauf bin ich natürlich nicht gekommen. LG DieSilbermöwe |
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24.01.2022, 13:44 | #5 |
abgemeldet
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Schlussletztlich bist du der Autor, Silbermöwe und entscheidest selbst über die Form deiner Gedichte.
Für Ordnungsliebhaber und Handwerker ist's natürlich schön, wenn vier Strophen einheitlich sind. Durch das Zählen der Silben und dem daraus resultierendem Metrum, lässt sich das leicht beeinflussen. Das wären die Grundlagen und es ist immer gut, die Grundlagen zu beherrschen. Ob du diese anwenden musst, steht nirgends geschrieben. Die wohl strengste Form in der Lyrik ist das klassische Sonett: Vier Strophen, 2x Quartette und 2 Terzette, weibliche Kadenzen (unbetonte Endsilben), fünf hebige Jamben und eine strukturelle logische Aufgliederung (These/Antithese usw) müssen zu Grunde liegen. Willst du demnach ein klassisches Sonett schreiben, sollte diese Form zwingend eingehalten werden. Ich persönlich mag Gedichte, die sich nicht streng an eine Form halten, sich aber wie ein Gedicht lesen lassen, als hätte es eine sehr strenge Form. In meinen Augen ist das die "Masterclass". |
24.01.2022, 14:30 | #6 | |
Hallo petrucci,
vielen Dank für die Hinweise! Zitat:
Also ich finde es tatsächlich interessant, nach Regeln zu schreiben. Ich muss das mal ausprobieren. LG DieSilbermöwe |
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24.01.2022, 14:39 | #7 |
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Sehr gern!
Das erste Quartett bildet die These, das zweite Quartett die Antithese und die beiden Terzette bilden, einfach gesagt, das Fazit. Die Reime sind umarmend, soll heißen: 1. Quartett: ABBA 2. Quartett: ABBA 1. Terzett: AB 2. Terzett: BA (Oft liest man "ABAB"), wobei die Reime in den Terzetten oft variieren. Alles weibliche Kadenzen. Um das nicht kompliziert zu machen: Weibliche Kadenz = Unbetonte Endung -> Beispiel: Häuser -> Xx, zwei Silben Männliche Kadenz = Betonte Endung -> Beispiel: erzählt -> xX, zwei Silben |
24.01.2022, 15:10 | #8 | |
Forumsleitung
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Zitat:
Ich empfehle dir allerdings, nicht unbedingt mit einem Sonett anzufangen, sondern erst einmal Kreuzreim und umschweifenden Reim einzuüben. Auch Mischformen sind möglich. Bei einem Sonett bist du durch die Vielfalt der Vorgaben - festes Reimschima und These/Antithese/Synthese - als Anfänger stark eingeschränkt. Trotzdem noch eine Anmerkung zum Sonett: Es sollte klassicherweise aus Jamben mit weiblichen Kadenzen bestehen, aber nicht alle Dichter halten sich daran. Es gibt auch viele Sonette mit männlichen Kadenzen. |
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24.01.2022, 15:21 | #9 |
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25.01.2022, 02:12 | #10 |
Falls dich Sonette interessieren kann ich dir ans Herz legen, dich mit Walther kurz zu schließen, soweit ich beurteilen kann ist er hier sowas wie der Sonette Dichterling.
Auch wenn die oben genannten Tipps schon sehr Grundlegend sind in nahezu jeder "durchgängigen" metrisch klassischen Form. Vielleicht hilft es dir wenn man dir ein Paar der herkömmlichsten und natürlichsten Metrischen Formen einmal benennt, aber ich bin mir fast sicher du kennst sie bereits. Da wären Jambus xX - Senkung/hebung Trochäus Xx - Hebung/senkung Daktylus Xxx - Hebung/senkung/senkung Anapäst xxX - Senkung/senkung/hebung das sind die metrischen Formen, welche im deutschen Sprachgebrauch die natürlichste Anwendung finden. Wobei Daktylus und Anapäst eher etwas gestelzter klingen. Wenn es dir wirklich daran liegt Gedichte in einem klassischen Metrum zu erstellen, schlage ich vor dass du einfach drauf los schreibst, denn von dem was ich bisher von dir gelesen habe, hast du eine sehr natürliche Fähigkeit einen Sprachfluss zu erzeugen. Mein Name steht für etwas, dass ich persönlich sehr lange als die klassische Form und dessen Unterton ausmachte, die Monotonie. Ich mag sie nicht sonderlich, aber für einen Anfang ist sie immer Gut. Monotonie bringt Routine. Das Problem in klassischen Formen liegt in ihrer blanken Art und Weise, womit sie oft als genau solches wahrgenommen wird. Monoton und langweilig. Irgendwann wurde diese Monotonie des Beginnens klanglich durchbrochen. Daher auch andernorts mein Rat an dich, dich erst mit den Grundsätzen der Metrik zu beschäftigen, um Mittel zu finden aus dieser Monotonie auszubrechen. Ein durchgängiges Metrum, (die Kadenz sollte demnächst irrelevant sein), wird durch reine Wiederholung erstellt, entschließe dich hierbei für Arsis oder Thesis, welche für dich den Grundton/Grundstimmung erzeugen sollte. Beides hat seinen Charakter, wie fast jeder metrische Grundtenor. Daraufhin die Reimgebung, welche auch einen eigenen Charakter besitzt. Paarreime, Stabreime (Alliterationen) und Haufenreime finden gerne Verwendung im spaßigen Bereich, (passend zur Arsis) während Kreuzreime, umarmende Reime, Binnenreime und Assonanzen eher den ernsteren Ton treffen. (passend zur Thesis) Eigentlich sind aber der eigenen Freiheit keine Grenzen gesetzt. Man setzt sich diese Grenzen nur oft selbst, da man ein Ziel hat auf das man hinaus will. Ein Konstrukt entsteht bei vielen erst im Kopf und verändert sich ohnehin oft mit dem Schreiben. Man muss nur den Punkt finden, an dem es den eigenen Ansprüchen nach genug ist. LG Mono |
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25.01.2022, 03:22 | #11 | |
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Zitat:
Ich kann mir kaum vorstellen, dass ein Schwimmer oder Turner ohne die Harmonie eines eingeübten Ablaufs seiner Körperbewegungen jemals eine Medille gewonnen hätte. Mit Willkür ist da nichts zu machen. Ebenso muss ein Eislaufpaar erst das Pflichtprogramm bestehen, bevor es seine Kür vorführen kann. Tänzer üben "Figuren" entsprechend eines Rhythmus ein und beschäftigen damit Choreografen, damit die Vorführung sitzt. Auch das, was wie zufällig aussieht - da komme ich wieder auf Westside Story zurück, nämlich das lässige und gleichzeitig hochmütige Schlendern der Straßengang durch New York - ist Schritt für Schritt eingeübt, sonst käme nämlich die Aussage beim Zuschuauer ("uns gehört diese Stadt") nicht an. Wer beim 400-Meter-Lauf kein Programm hat, keinen Rhythmus findet und seine Kräfte nicht einteilt, sondern ohne diese Vorarbeit über die Laufstrecke eiert, wird nie unter den ersten drei ins Ziel kommen. Es wird auch niemand auf die Idee kommen, ein Sudoko-Quadrat auszufüllen, indem er wahllos Zahlen hineinschreibt, nur damit etwas in den Kästchen steht. Die Lösung ist, wenn in jeder Reihe die Zahlen 1 bis 9 stehen, auch wenn es ganz "monoton" in jeder Reihe dasselbe ist; aber nur das ist die gültige Lösung. Erst wenn man ein Handwerk beherrscht, kann man dazu übergehen, daraus eine neue, eigene Disziplin zu entwickeln. Die Fähigkeit zur Sprache ist in jedem Baby angelegt; es muss aber erst lernen, dieses Werkzeug zu gebrauchen. Lehrt ihm niemand die Sprache, wird das Baby niemals einen Satz kreieren, nicht einmal den einfachsten, geschweige denn einen Satz im eigenen Stil. Es gibt nichts Monotones in der Welt. Wer mit Monotonie trotzdem ein Problem bekommt, muss zum Arzt gehen, denn es könnte mit einer Krankheit zu tun haben. Man nennt sie "Depression". |
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25.01.2022, 04:03 | #12 | |||||
Zitat:
Mir geht es ums Schriftbild, denn ohne Worte sehen aneinander gereihte sich wiederholende XxXxXxXxXxXxXxXxXxXx in mehreren Versen und Strophen, alles andere als abwechslungsreich aus. Zudem haben deine Beispiele rein gar nichts mit Metrik am Hut, außer der Tatsache dass sie Routine in Form von übung/training benötigen, wie alles im Leben. Zitat:
Zitat:
Zitat:
Zitat:
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25.01.2022, 04:57 | #13 |
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Ist mir alles wurst. Das ist nämlich reine Theorie.
Ich gehe nach der Praxis vor: Erst einmal von den Alten lernen. Dann hat man den Grundstock und muss das Rad nicht neu erfinden. Der Raum, sein eigenes Ding zu machen, öffnet sich erst danach. Es muss einen Grund haben, dass die meisten großen Künstler erst im reifen Alter zur Größe wurden. Was du hier postulierst, ist das Gegenteil: Du erklärst Handwerk zur Monotonie. Das mag unbedarfte Geister dazu anregen, der Willkür Tür und Tor zu öffnen. Das kann es aber nicht sein. Das hört sich an wie: "Jedes Kind ist hochbegabt, lass es nur machen." So funktioniert es aber nicht. Auch das hochbegabteste Kind kann kein Formel-1-Rennen gewinnen, wenn es nie Autofahren gelernt hat. Dein Alltags-Vergleich: geschenkt. Es liegt an dir, ob du ihn dir monton machst oder nicht. Monotonie drängt sich nicht auf, man macht sie sich selbst. Niemand hängt dir heute noch ein Joch um und lässt dich zwanzig Stunden am Tag einen Mühlstein drehen. Wir reden heute von Diversität und so viel Beschäftigungsmöglichkeiten, dass die Jugend ein Problem hat, sich nocfh auf ein Thema konzentrieren zu können. In der Arbeitswelt ist Multitasking angesagt, obwohl das menschliche Gehirn das nicht leisten kann. Und da kommst du mit Monotonie daher. Wir werden sie irgendwann wieder lernen müssen, um unsere Harmonie wiederzufinden. |
25.01.2022, 05:15 | #14 | ||
Zitat:
Ich sage ganz deutlich, das man erst etwas wie die Metrik von Grundauf bis zur automatisierung/monotonie verinnerlichen sollte um DANN aus dieser Monotonie ausbrechen zu können. Das kann man nämlich nicht, wenn man nicht weiß woraus man überhaupt ausbrechen will. Oder wie man das zustande bringen kann wenn man keinen Plan hat. Du legst mir hier Worte in den Mund die ich so nicht geschrieben habe. Ich überlasse nichts der Willkür. Alles im Leben ist Lernprozess und ich habe es mit dem erlernen vermutlich schwerer gehabt als manch einer, da ich keinen Mentor oder Dozenten an meiner Seite hatte, der mir alles Haarklein erklärt hat, ich bin reiner Autodidakt was das schreiben anbelangt. Ich bin allerdings kein Anfänger mehr. Und ich lasse mir auch keine Depressionen andichten. Zitat:
Zur Metrik trägt es immer noch nichts bei, da man einem visuellen Sprachmuster monotone Eigenschaften zuordnen kann. Schlussendlich lese ich es nur und höre es nicht. Du und ich wissen was eine Versfußfolge lauter Xx klanglich tun kann, andere schauen darauf und denken, warum schreibt der ein kleines x und ein großes X und macht ne Kette daraus, was hat das mit Abwechslung zu tun wenn ich Gedichte schreiben will? |
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25.01.2022, 05:43 | #15 | |
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Zitat:
Weil ich in so einer Arbeit nie lange hätte sein wollen und mir deshalb immer wieder eine andere gesucht habe. Natürlich war das manchmal mit Risiken verbunden, und einmal musste ich im Gehalt zurückgehen. Wer nicht bereit ist, Risiken einzugehen, sondern lieber an seinem sicheren Stuhl kleben bleibt, soll sich hinterher nicht über Fremdbestimmung und Monotonie beklagen. Jeder hat die Freiheit, auszubrechen und "sein Ding zu machen". Ein Jahr lang war ich sogar selbständig, agierte also auf eigene Rechnung, mit allen Risiken. Eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Wer etwas kann, und wer weiß, dass er es kann, fällt immer auf die Füße. |
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25.01.2022, 05:54 | #16 |
Dann mag es dir seltsam erscheinen, aber aus genau dem Grund bin ich seit ein Paar Tagen arbeitsuchend, denn mir wurde es zu langweilig und das obwohl Kolleginnen und Kollegen mir sogar ihre Arbeit aufgedrängt haben. Zudem hat mich mein Chef nicht zu würdigen gewusst. Erst jetzt wo ich gehe fällt ihm und auch den Kolleginnen und Kollegen auf wie Schade sie es ja finden dass ich gehe. Zuvor war ich auch 2 Jahre selbständig und übe seit gut 15 Jahren einen der vermutlich abwechslungsreicheren Berufe aus. Ich bin Florist und kann mich kreativ außerordentlich frei entfalten. Und jetzt arbeitsuchend in der Coronazeit gehe ich vermutlich ein Risiko ein und ich freu mich drauf.
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25.01.2022, 07:54 | #17 | |
Ich hatte gehofft, dass der Thread genauso interessant wird, wie er es geworden ist - vielen Dank für die vielen und informativen Beiträge!
Ich gehe mal auf einiges davon näher ein: Zitat:
So wie du es vorschlägst, Monoton, habe ich es ja bis jetzt gemacht, einfach drauf los geschrieben. Es schmeichelt mir natürlich, dass ich eine solche Fähigkeit habe, einen Sprachfluss zu erzeugen, aber genau so wollte ich es eigentlich nicht mehr machen , weil bis jetzt da nur sehr wenig wirklich brauchbares Gedichte herausgekommen sind. Zumindest wollte ich mal „klassisch" ausprobieren. Immer wenn ich denke, ich habe ein einigermaßen gutes Gedicht geschrieben, kommt meist eine Kritik, dass irgend etwas doch nicht stimmt (zwar nicht hier in diesem Forum), wie z. B. dass Silben fehlen würden, und ich komme mir dann sofort wieder so vor, als wüsste ich (immer noch) gar nichts. Und als müsste man Gedichte schreiben endlos lernen. Nicht dass es nicht interessant wäre... LG DieSilbermöwe |
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25.01.2022, 08:01 | #18 | |
Zitat:
vielen Dank für deine Ratschläge. Du meinst jetzt Kreuzreim und Schweifreim einüben mit exakt der gleichen Silbenanzahl in jedem Vers? Denn Kreuzreime und Schweifreime habe ich durchaus schon ausprobiert (aber wahrscheinlich nicht richtig)? Ich dachte, dieses Gedicht sei mir ganz gut im Schweifreim gelungen: https://www.poetry.de/showthread.php?t=96651 LG DieSilbermöwe |
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25.01.2022, 10:53 | #19 |
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Habe ich nicht gemeint, denn von zwanghaft gleicher Silbenzahl ist nicht die Rede. Der Rhythmus bzw. das Metrum ergibt sich nicht aus der Anzahl der Silben, sondern aus den Hebungen und Senkungen.
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25.01.2022, 10:54 | #20 |
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Hört sich gut an. Ich drücke dir die Daumen .
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25.01.2022, 11:15 | #21 |
abgemeldet
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Die aber aus den Silben, dem Phonus und den vorangegangen Vokalen bestimmt werden. Jede Silbe ist entweder eine Hebung(X) oder eine Senkung(x) und im Amphibrachys gibt es Sonderfälle ("keinen", "meinen", "seinen" und so weiter, die wären Betonungsstumm, obwohl diese eigentlich trochäisch sind).
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25.01.2022, 11:51 | #22 | |
Forumsleitung
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Zitat:
Z.B. schrieb Heinrich Heine die letzte Strophe seines Gedichts "Sehnsucht" so: Da schwindet bald mein Liebesharm, Da harret Freude mein; Da kann ich wandeln, feins Liebchen am Arm, Durch die duftigen Lindenreihn. |
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25.01.2022, 14:29 | #23 |
*seufz* und jetzt steh ich wieder am Anfang. Also braucht man die Silben gar nicht zu zählen?
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25.01.2022, 14:44 | #24 |
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Wenn du ein Gedicht mit einem melodischen Metrum willst, das konsistent ist, sollte die Verslänge einheitlich sein.
Die Silben solltest du immer zählen. Sonst verlierst du schnell den Überblick über Hebung und Senkung. Mit etwas Übung geht das in das Blut über und Dein Sprachgefühl verändert sich. Irgendwann musst du weder zählen, noch Hebung und Senkung überprüfen. Du musst wissen, welches Gedicht schreiben willst. Soll es ein geordnetes Metrum haben ist Zählen angesagt. Ungleiche Verslängen resultieren bei ungeübten Schreiben in ein stockendes Metrum, auch dann, wenn bspw alles jambisch ist. Diese Ungleichmäßigkeiten liest man bei dem jungen Heine und seiner Ich-Lyrik. Ein Gedicht wird wie du es willst. Du bist der Schreiber, du legst fest. |
25.01.2022, 15:21 | #25 |
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Doch - aber nicht nur. Das ist aber kein Grund zum Seufzen. Wenn du als Anfänger auf petruccis Ratschläge hörst, bist du erst einmal auf der sicheren Seite. Das Freischwimmen kommt mit der Übung von selbst.
Du hast i.d.R. vier bis fünf Hebungen (manchmal sechs) und je nach Kadenzen eine Silbe weniger bzw. mehr. Beispiel Goethe, "Der Schatzgräber": In allen Versen (in diesem Fall Trochäen) gibt es vier Hebungen und vier Senkungen, aber in den ersten drei mit den weiblichen Kadenzen acht Silben, im vierten Vers mit der männlichen (stumpfen) Kadenz dagegen nur sieben Silben. Und so geht es in den folgenden vier Versen weiter. Arm am Beutel, krank am Herzen, Schleppt ich meine langen Tage. Armuth ist die größte Plage, Reichthum ist das höchste Gut! Und zu enden meine Schmerzen, Ging ich einen Schatz zu graben. Meine Seele sollst du haben! Schrieb ich hin mit eignem Blut. So etwas zu dichten, sieht einfach ist, was allerdings täuscht. Im Deutschen ist es nämlich gar nicht leicht, völlig ohne Daktylus auszukommen, also ab und zu zwei Senkungen einzubauen. Aber Goethe war eben ein Meister seines Fachs. Das sieht man auch daran, wie er in dieser Strophe mit den Vokalen "gespielt" hat. |
25.01.2022, 17:51 | #26 |
Vielen Dank, petrucci und Ilka!
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09.02.2023, 18:53 | #27 |
Dabei seit: 10/2022
Beiträge: 385
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12.02.2023, 03:06 | #28 |
,,, mit der Theorie hab ich's nicht so. Ich versuche mich an meiner eigenen Satz- oder Wortmelodie entlang zu hangeln. Ja, ich zähle auch Silben, welche Kadenzen, Hebeungen etc, kapiere ich nicht. Es ist einfach mein Sprachgefühl und ich hoffe immer, dass es es nah am Verständnis der Lesenden ist.
wsT dT |
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08.03.2023, 23:48 | #29 |
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.877
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Liebe Ilka-Maria,
sehr spät kommt meine Reaktion auf eine Deiner Bemerkungen: "Hexameter und Pentameter, also mit sechshebigen Versen, denen ein fünfhebiger Vers folgte." Ein sehr bekanntes Distichon (Abfolge 1. Vers Hexameter, 2. Vers Pentameter) lautet: Im Hexameter steigt des Springquells flüssige Säule. Im Pentameter drauf fällt sie melodisch herab. Die Bezeichnung Pentameter führt in die Irre, denn Im Hexameter steigt des Springquells flüssige Säule. Hier also der Hexameter - deutlich sind die sechs Hebungen Im Pentameter drauf fällt sie melodisch herab. Au verflixt nochmal! Will der Schiller uns veräppeln? Ich zähle auch im Pentameter sechs Hebungen. Und das hat seine Richtigkeit (genau wie die Dihärese zwischen zwei aufeinander folgenden Hebungen. Wat nu? Der Pentameter hat zwar fünf "Maße" - daher seine Name - aber sechs Versfüße (überwiegend Daktylen). Man müsste näher auf die antiken Grundlagen eingehen, aber dazu fehlen mir zu viele Kenntnisse. Liebe Grüße, Heinz |
09.03.2023, 02:44 | #30 |
Forumsleitung
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Lieber Heinz,
man sollte sich nicht freiwillig ein Korsett anziehen, denn ohne atmet es sich leichter. Schiller war ein Genie. Was aber M. Claudius nicht davon abhielt, ihn zu verspotten: "Im Hexameter zieht der ästhetische Dudelsack Wind ein, im Pentameter drauf lässt er ihn wieder heraus." Bei mir ist der "Hexameter" anders betont als bei dir, nämlich: Hexameter. Ich habe noch nie jemanden "Meter" auf der zweiten Silbe betont sprechen gehört. Es gibt ohnehin nur wenige Wörter im Deutschen, bei denen man die Wahl hat, sie vorne oder hinten zu betonen (wie z.B. "Motor"). Oft wünsche ich mir, wir hätten französische Verhältnisse; dann wäre die Sache klar, denn die Franzosen betonen ihre Wörter grundsätzlich auf der letzten Silbe. Aber wir Deutschen haben die Manier, uns das Leben schwer zu machen, da ist nix drin mit der französischen Leichtfüßigkeit. Silbenzählen, durchgängig Trochäus oder Jambus - so muss es sein. Beim Amphi-Dingsbums wird es richtig schwierig. Derweil hauen manche Hobbydichter reihenweise das raus, was als die Königsklasse gilt, nämlich Sonette in allen erlaubten Variationen, vorzugsweise in klassischer Form. Dabei kommen wir, wenn wir Wörter mit Vorsilben einflechten müssen, ohne den Daktylus nicht aus. Deutsche Sprak ist und bleibt schwere Sprak. Trotzdem hat sie es auf den Olymp geschafft, sonst betitelte man unseren Nährboden nicht als das "Land der Dichter und Denker". Kein Philosoph kommt an Kant und Schopenhauer vorbei, die für Deutschland ungefähr so stehen wie für die Griechen Sokrates und Platon. Für Anfänger mag es gut sein, sich mit den Grundformen der Lyrik und mit Literaturgeschichte zu befassen. Das schult. Aber nach dem Auslernen gehört das Korsett in die Mülltonne. Wir haben genug Goethe, Schiller, Fontane, Heine und Genossen. Wir haben genug Kriegs- und Nachkriegsliteratur. Jetzt ist die Gegenwart angesagt. Und da darf es durchaus so disharmonisch in der Dichtung zugehen, wie unser Leben mit seinen Herausforderungen heute ist. Ein oder zwei Silben Abweichung? Na und! Lieben Gruß Ilka |
09.03.2023, 03:49 | #31 |
He-xa-me-ter
Ich kenne me-ter als 2 silber, aber im Bezug auf He-xa-me-ter als Anlaute (suffix). (Hebung-männliche Kadenz-weibliche Kadenz X-xm-xw) Wobei eine Kadenz gerne weggelassen wird. Alleine im letzten Teil des Hexameter und Pentameter steht auf der fünften Hebung immer ein Daktylus und Trochäus (adonischer Vers)... Man will im Hexameter und auch Pentameter ein holodaktyles Versmaß vermeiden, daher gilt bis zum 4. Versfuß Füllungsfreiheit. Im He-xa-me-ter steigt des Spring-quells | flüs-si-ge Säu-le. XxXxxX|xXx||XxxXx Im Pen-ta-me-ter drauf || fällt sie | me-lodisch her-ab. XxXxxX||Xx|xXxxX Die Beispiele sind aber auch sehr schwerfällig. Vor allem der Pentameter ist stark eingekürzt und der Spondäus lässt den Anschein erwecken, dass es sich um 6 Versfüße handelt. Hingegen hier Im He-xa-me-ter zieht der äs-the-ti-sche Du-del-sack Wind ein, XxXxx||XxxXxx|XxxXx im Pentameter drauf lässt er ihn wieder heraus. XxXxxX||Xx|xXxxX Wirkt der Hexameter fast Holodaktyl aber auch hier herrscht Einkürzung durch den Spondäus im Pentameter. Ihr sagt also beide im Prinzip das Selbe und nutzt dabei aufeinander folgende Zweisilber. Aber was rede ich, ich habe von Betonung ja ohnehin keine Ahnung. Geändert von MonoTon (09.03.2023 um 09:47 Uhr) |
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09.03.2023, 04:13 | #32 |
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Hör auf, MonoTon, mit deinen nervigen Betonungsanalysen. Ein Gedicht besteht aus mehr als nur Betonungen, und noch nie hat ein Dichter darauf bestanden, "Hexa-" ausschließlich auf der zweiten Silbe zu betonen. Steht "Hexa-" oder "Penta-" allein, liegt die Betonung sowieso automatisch auf der ersten Silbe. Oder hast du schon mal einen Gymnasiasten sagen hören, er sei in der "Sexta"? Den hätte man für überspannt erklärt, wenn er seine Sexta auf der zweiten Silbe betont hätte.
Sogar die Franzosen, die normalerweise auf der letzten Silbe betonen, machen bei "l'Hexagone" eine Ausnahme und betonen auf der ersten Silbe. Das (oder der ... egal) Meter ist und bleibt für mich auf der ersten Silbe betont, und was davor steht, hat sich dem anzupassen. Das gilt z.B. für ein Wort wie "Parameter". Das müsste man auch auf der zweiten Silbe betonen; macht aber kein Mensch. |
09.03.2023, 09:47 | #33 |
Nervig vielleicht, aber dennoch nicht verkehrt.
Vielleicht spricht man es nicht derart betont, aber ich höre hier niemanden sprechen, ich sehe nur Schriftbild und nach diesem betone ich. Interessant was von mir gehalten wird. Um nicht zu sagen verletzend. |
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