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Zeitgeschehen und Gesellschaft Gedichte über aktuelle Ereignisse und über die Menschen dieser Welt. |
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19.10.2024, 09:46 | #1 |
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Am Vorabend der Revolution (ein Märchen)
Spiegel, Spiegel an der Wand,
wer ist der fairste Mann im Land? Wer zeigt Moral und ist gerecht, anstatt wie alle andern schlecht? Der Spiegel spricht: Nur du allein erfüllst die Bürgerpflichten fein. Wie du ist niemand sonst empört, sobald jemand den Zeitgeist stört. Spiegel, Spiegel an der Wand, wer ist der dickste Fisch im Land? Zwar bin ich arm, doch regeltreu und anzuzeigen niemals scheu. Der Spiegel spricht: Ja, du bist brav, als Untertan nicht Fisch, doch Schaf, im Denunzieren meisterhaft und fleißig drin, was Ordnung schafft. Spiegel, Spiegel an der Wand, bring ich nicht Opfer für das Land? Das Dienen ist mein Lebenssinn, dafür gab ich mein Leben hin. Der Spiegel spricht: Das ist vorbei, zu Ende ist die Kriecherei. Siehst du den Barrikadenbau? Jetzt zu verschwinden wäre schlau. Doch liebes Spieglein an der Wand, ich bin verwurzelt in dem Land! Der Spiegel färbt sich blutigrot und spricht: Du bist so gut wie tot. 19.10.2024 |
19.10.2024, 11:46 | #2 |
Das gefällt mir ausnehmend gut.
Verheißungsvoll. Ein schönes Beispiel dafür, das man trotz unterschiedlicher Metren (trochäisch zu jambisch), eine tolle Stimmung aufbauen kann und diese sogar anhand der Metren, gezielt durch die Zeilen leiten kann. Eine der vermutlich bekanntesten Anaphern, (in abgewandelter Form) in einem effektiven Zwiegespräch. Das Ende ist direkt aber sehr effektiv, laut dem Motto "wer nicht hören will muss fühlen" Lg Mono |
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19.10.2024, 13:59 | #3 |
Forumsleitung
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Du hat völlig recht, Mono, das Gedicht wechselt im Rhythmus. Das ist der Formel aus Grimms Märchen "Schneewittchen" abgschaut, an dem ich mich orientiert habe. Kann also funktionieren. Das ist aber nur machbar gewesen, indem ich mein Gedicht ebenfalls in Formeln gesetzt habe. Die Wiederholung stützt den Rhythmus.
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