Poetry.de - das Gedichte-Forum
 kostenlos registrieren Forum durchsuchen Letzte Beiträge

Zurück   Poetry.de > Gedichte-Forum > Düstere Welten und Abgründiges

Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken.

Antwort
 
Themen-Optionen Thema durchsuchen
Alt 27.04.2022, 13:57   #1
männlich G.Neville
 
Benutzerbild von G.Neville
 
Dabei seit: 01/2022
Ort: München
Beiträge: 101

Standard Gänze des Todes

Mit schwarzen Zehen hänget
Und voll mit wilden Fleisch
Das Bein aus dem Sarg,
Ihr holden Maden,
Und trunken von Eiter
Tunkt ihr das Maul
Ins scharlachrote Blut.

Oh weh, wo krieg ich, wenn
Es Sommer ist, das Laub, und wo
Den Eiszauberschein,
Und Lichter des Hades?
Die Schleier falln
Redselig und heiß, im Sarge
Kichern die Würmer.
G.Neville ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.04.2022, 15:52   #2
männlich Epilog
 
Dabei seit: 10/2019
Ort: in den Wolken
Alter: 56
Beiträge: 515

Standard Hallo G.Neville

Scardanelli meint: Das ist Wahnsinn!

Und Epilog grüßt Dich.
Epilog ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.04.2022, 19:14   #3
männlich G.Neville
 
Benutzerbild von G.Neville
 
Dabei seit: 01/2022
Ort: München
Beiträge: 101

Es geht halt nichts über eine gesunde Portion Wahnsinn.

Gruß,
G.Neville
G.Neville ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.04.2022, 20:17   #4
männlich Epilog
 
Dabei seit: 10/2019
Ort: in den Wolken
Alter: 56
Beiträge: 515

Standard Doch was ist Wahnsinn?

Lieber G.Neville,

ich muss mich fast entschuldigen, dass ich nur so extrem "aphoristisch" kommentiert habe (ich bin auch nicht der große Kommentator hier) - umso mehr danke ich für Deine gleichfalls kurze Rückmeldung.

Jeder, der sich zumindest ansatzweise für die Wortkunst des Herrn Hölderlin interessiert, erkennt in Deinem Schreiben natürlich die Persiflage (?) seines berühmten Gedichts "Hälfte des Lebens" von 1803 (?), das gemeinhin als Wendepunkt gedeutet wird, nach welchem sich der Dichter endgültig und haltlos in den "Wahnsinn" treiben ließ. Doch was ist eigentlich damit gemeint? Du verdrehst ja quasi spiegelbildlich die überladenen Lebensbilder der ersten Strophe in eine winterliche Vision von Tod und Verwesung, die sich folgerichtig in der zweiten Strophe vor den Annehmlichkeiten der wärmeren Jahreszeit "fürchtet".

Ich kann mich noch gut erinnern, dass sowohl in der gymnasialen Oberstufe als auch später, im Sommersemester 1992, im Seminar von Prof. Manfred Schneider (https://de.wikipedia.org/wiki/Manfre...der_(Germanist)) an der Uni "DUE" mit dem bezeichnenden Titel "Wahnsinn im 19. Jahrhundert", die große Mehrheit die ausufernden Weihen der ersten Strophe ("ihr holden Schwäne, und trunken ... tunkt ihr das Haupt ins heilignüchterne wasser") als Ausdruck von Wahnsinn empfunden haben, und die folgenden "grauen" Bilder als Abbildung der Lebensrealität. Heißt das in der Konsequenz nicht, Hölderlin war vorher wahnsinnig, und hat sich nach 1803 ernüchtert der Realität ergeben? Was meinst Du?

Fast 40 Jahre später hat er ja eine ganze Reihe sehr sehr sehr seltsamer Gedichte geschrieben und sie mit dem Namen Scardanelli sowie völlig utopischen Jahreszahlen unterschrieben. Ich habe dazu unter diesem Titel kürzlich auch Stellung genommen und am Anfang auch die holden Schwäne kommentiert. Ich finde es höchst interessant, dass in diesen spätesten Gedichten das "Weh mir" vollends getilgt ist und tatsächlich keinerlei "ich" mehr existiert - eine Tatsache, die ja angesichts des allergrößten Teils der hier geposteten Beiträge immer wieder nachhaltig bedauert wird ...

Einen schönen Abend wünscht Dir

Epilog
Epilog ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 29.04.2022, 21:30   #5
männlich G.Neville
 
Benutzerbild von G.Neville
 
Dabei seit: 01/2022
Ort: München
Beiträge: 101

Lieber Epilog,

keine Sorge, ich bin auch nicht gerade der große Kommentator. Und was die edle Dichtkunst nach den klassischen Regeln (Metrik, Versmaß etc.) anbelangt ein ausgesprochener Dilettant. Ein Blick auf „Meine Gedichte“ sollte genügen.

Was die Persiflage anbelangt, ich gestehe, ich hatte anfänglich sogar leichte Skrupel dieses wunderschöne Gedicht von Hölderlin nach dem chinesischen Prinzip Yin und Yang ins krasse Gegenteil zu verkehren. Letztendlich überwog dann aber doch die geradezu diabolische Freude es doch zu tun. Herausgekommen ist ein ziemlich ekliges, abstoßendes aber auch in gewisser Weise tragikomisches Wortgebilde.

Deine Frage nach dem Grad der geistigen Verfassung des großen Dichters Hölderlin ist nicht leicht zu beantworten. Wer bin ich, dass ich darüber urteilen könnte. Nur soviel, dem klassischen Wahnsinn verfallen war Hölderlin m. M. nach sicherlich nicht. Ich vermute er hatte gewisse psychische Probleme.

Aber wer hat die nicht. Gerade heutzutage laufen derart viele Irre frei durch die Gegend die nicht einmal davor zurückschrecken völlig unschuldigen und unbewaffneten Menschen unsägliches Leid antun: Amokläufer, religiöse Fanatiker und sonstiges Geschmeiß, sodass mir ein Mann wie Hölderlin der bekanntlich das letzte Drittel seines Lebens in einem kleinen Erkerzimmer im 1. Stock des Zimmerschen Hauses am Neckar verbrachte eher als völlig normal erscheint.

Vermutlich handelte es sich sogar um ein Gefälligkeitsgutachten um Hölderlin vor dem Schicksal seiner Freunde zu bewahren.

Zitat: „Der endgültige Zusammenbruch erfolgte erst, nachdem 1805 Sinclair, Seckendorf, Baz und andere auf Grund einer Denunziation in Württemberg der Prozeß gemacht worden war und H., der in der Denunziation und in den Erstverhören als Mitwisser einer Verschwörung gegen Kurfürst Friedrich II aufgetaucht war, ein ärztliches Gutachten aus Homburg, daß er völlig wahnsinnig sei, vor dem Schicksal seiner Freunde bewahrt hatte.“
https://www.deutsche-biographie.de/sfz32834.html

Geändert von G.Neville (29.04.2022 um 23:07 Uhr)
G.Neville ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen für Gänze des Todes

Stichworte
blut, hades, sarg

Themen-Optionen Thema durchsuchen
Thema durchsuchen:

Erweiterte Suche


Ähnliche Themen
Thema Autor Forum Antworten Letzter Beitrag
Des Todes dem Lord Sarah Hansen Düstere Welten und Abgründiges 1 05.12.2014 18:42
Glocken des Todes Schattenfeuer Düstere Welten und Abgründiges 0 02.11.2014 19:51
Herrin des Todes Oneda Geschichten, Märchen und Legenden 0 28.09.2013 10:30
Der Todes Engel Ex-Erman Düstere Welten und Abgründiges 10 18.08.2011 22:31
Hure des Todes Hassi Gefühlte Momente und Emotionen 1 05.09.2005 13:25


Sämtliche Gedichte, Geschichten und alle sonstigen Artikel unterliegen dem deutschen Urheberrecht.
Das von den Autoren konkludent eingeräumte Recht zur Veröffentlichung ist Poetry.de vorbehalten.
Veröffentlichungen jedweder Art bedürfen stets einer Genehmigung durch die jeweiligen Autoren.