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Alt 26.03.2022, 18:37   #1
männlich vivaferry
 
Dabei seit: 03/2022
Ort: Trieste -Italien und Ebene Reichenau - Kärnten (AT)
Beiträge: 2

Standard Is scho still uman See

Hallo allen Forum Mitgliedern !

Ich habe mich registriert besonders um eine Frage zu stellen, woran ich noch keine Antwort in Internet gefunden habe und hoffe hier einen netten Kerl zu finden, der mir hilft…

Ich habe ein wunderschönes Kärntner Lied gefunden. Wenn ich es höre, kann ich nicht anders, als gerührt zu sein. Ich bin aber mir nicht sicher, ob meine Interpretation des Textes (ein kurzes Gedicht) die richtige ist. Darüber habe ich in Google gar nichts gefunden, nur Youtube Videos kommen heraus…
Gibt es hier jemand der mir seine Meinung darüber erweisen könnte ? Ich bin sehr dankbar im Voraus ! Ich entschuldige mich für die schriftliche Fehler. Bin ein Italiener...

Is scho still uman See
Hier zum Beispiel höhrbar: https://youtu.be/70BExLdUUbk

Is scho still uman See, hear de Ruadar schlågn
und an Vogl im Rohr drin bei da Finstar klågn.

Wås da Vogl für a Not håt, brauch ihn neama frågn,
muaß jå selba mei Traurigkeit übas Wåssar trågn.

Übars Wåssar muaß i ume hear de Fischlan springan,
liegg a Ringle ban Bodn, kånns nit aufabringan.

Hochdeutsche Übersetzung (im Internet gefunden) :
Es ist schon still rund um den See, ich höre die Ruder schlagen
und einen Vogel im Schilf in der Finsternis klagen.
Welche Schwierigkeiten der Vogel hat, brauche ich nicht mehr erfragen,
weil ich muss selber meine Traurigkeit übers Wasser tragen.
Ich muss über das Wasser rüber, höre die Fischlein springen.
Liegt ein Ringlein am Grund, kann es nicht herauf bringen.

Meine Interpretation :
Wer spricht hat eine grosse Trauer erlitten, jetzt wird aber sein Gemüt schon ein wenig ruhiger („Es ist schon still rund um den See“), er fängt an etwas vom äusseren Welt wieder zu vernehmen („ich höre die Ruder schlagen“) und schon darf er mal seine Verzweiflung ein Bisschen von aussen betrachten.
Seinen tiefen Schmerz vergleicht er mit einem Vogel, der sich beklagt. Es gelingt ihm aber schon ihn ein wenig zu beherrschen, indem er ihn mit einer ständigen stillen Traurigkeit zu ersetzen lernt.
Der Autor versteht, dass er noch leben und im Leben weiter fort gehen muss („über das Wasser rüber“) während er die normalen Lebensereignisse noch aushält („die Fischlein die springen“).
Die/r Geliebte/r ist jetzt unvermeidlich tot („Liegt ein Ringlein am Grund“) und er kann absolut nichts dagegen !
vivaferry ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.03.2022, 17:46   #2
männlich Blindschleicher
 
Benutzerbild von Blindschleicher
 
Dabei seit: 12/2021
Ort: Planet Erde
Beiträge: 68

Hallo VivaFerry,

eine eindeutige Interpretation habe ich auch nicht gefunden, aber vielleicht einen Hinweis darauf, durch die Entstehungsgeschichte des Textes.
Zitat: „Is schon still uman See“

Dieses Lied entstand am 30. Mai 1957 am Faakersee.

Zum Lied:

„Es muss im Spätsommer 1656 gewesen sein, nach meiner Übersiedlung als Superintendent nach Villach. Das Heimweh nach St. Veit und seiner Landschaft trieb mich einmal zum Faakersee, der mich an den St. Georgenersee erinnern sollte. Ich stand lange beim Faakersee Kreuz und blickte recht traurig gestimmt auf den See hinunter. In diesem Augenblick fiel mir der Text zum Liede „Is schon still uman Sea ein“. Meinen Augen entfielen ein paar Tränen, als ich den Text eilig auf einen Zettel schrieb“.

Quelle: Tagebuch VIII, Nachtrag vom 20.2. 1994; aus FDIBUS, Seite 94, Zeitschrift für Literatur und Literaturwissenschaft, 34. Jahrgang; Autorin: Erika Jung-Mittergradnegger.

„Is schon still uman Sea“ entstand also in der Zeit, als Gerhard Glawischnig zum evangelischen Superintendenten berufen wurde. Deshalb musste er sein geliebtes St. Veit, seinen Kraigerberg, sein Glantal verlassen.

„Das Lied gilt als Sehnsuchtslied schlechthin“ schreibt Frau Erika Jung Mittergradnegger und sie erklärt: „Wenn in der letzten Strophe …a Ringle ban Boden liegg, von dem er klagt …kanns nit aufabringan…, so ist mit dem verlorenen Ringlein St. Veit gemeint, das Gerhard Glawischnig für die Zeit seiner Arbeit in Villach genommen wurde.

Quelle: https://evang-stveit.at/cd-glawischn...till-uman-see/

Zitat Ende

Ich bin ja nicht gut im Interpretieren von Texten. Aber für mich liest es sich so, als ob es im Text einfach um Heimweh geht.

Ich hoffe der Hinweis hilft ein wenig.

Grüße
Blindschleicher

Geändert von Blindschleicher (27.03.2022 um 18:16 Uhr) Grund: zusätzliche infos
Blindschleicher ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.03.2022, 18:20   #3
männlich vivaferry
 
Dabei seit: 03/2022
Ort: Trieste -Italien und Ebene Reichenau - Kärnten (AT)
Beiträge: 2

Ich bin sehr dankbar Blindschleicher ! Diese Referenz hatte ich früher nicht finden können…

So wird alles sehr deutlich elklärt und es scheint, dass meine Interpretation, durch meine Phantasie, etwas zu weit abgezweigt hatte.

Noch Danke, danke, danke ! ich war mir sicher, dass ich in diesem Forum eine Erklärung erwarten könnte.

(„Es muss im Spätsommer 1656 gewesen sein“ ist natürlich ein Fehler. Gerhard Glawischnig wurde 1956 Pfarrer in Villach)
vivaferry ist offline   Mit Zitat antworten
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