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Humorvolles und Verborgenes Humorvolle oder rätselhafte Gedichte zum Schmunzeln oder Grübeln.

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Alt 07.04.2021, 08:28   #1
männlich Nöck
 
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Standard Les testicules

Der Märchenfrosch ist höchst verbittert,
denn die Prinzessin hat getwittert,
allein mit Kugel aufzutauchen,
reicht nicht, um in ihr Bett zu krauchen.

Statt goldner Kugel liebt sie Klöten,
damit ließ sich vorzüglich spielen.
Der arme Frosch ist schwer in Nöten,
man sieht ihn bang nach unten schielen.

Denn unser armer grüner Junker
hat leider winzig kleine Klunker.
Mit denen ist kein Staat zu machen,
er hört schon die Prinzessin lachen.

Er ist erledigt, wie von Sinnen,
und stürzt sich von des Turmes Zinnen.

Geändert von Nöck (07.04.2021 um 13:58 Uhr)
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Alt 07.04.2021, 08:55   #2
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Nöck Beitrag anzeigen
Denn unser armer grüner Junker
hat leider winzig kleine Klunker.
Damit, da ist kein Staat zu machen,
er hört schon die Prinzessin lachen.

Er ist erledigt, wie von Sinnen
und stürzt sich von des Turmes Zinnen.
Nett gedichtete, flüssig zu lesende Märchenvariante. Mit dem Wechsel vom Paar- zum Kreuzreim in der zweiten Strophe kann man leben.

In Strophe 3 hätte ich geschrieben: ... Mit denen ist kein Staat zu machen. Damit wäre das kurz aufeinanderfolgende da(mit) ... da vermieden worden.

In dem Schluss-Zweizeiler gehört hinter "Sinnen" ein Komma. Oder aber: Er ist erledigt, wie von Sinnen / stürzt er sich von des Turmes Zinnen.

Das sind nur Kleinigkeiten, die optional zu überlegen wären.

Liebe Grüße
Ilka
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Alt 07.04.2021, 10:24   #3
männlich Saturnia
 
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Märchen eignen sich vorzüglich, sie ins Lächerliche zu ziehen. Sie sind irrational, scheinbar altmodisch, und können sich nicht wehren. Das heißt nicht, das sei ungehörig - man kann das gut und gerne tun. Aber der Witz ist oft flach und hat mit dem Stoff, den man da verhackstückt meist nicht mehr zu tun als die Biowurst mit dem "glücklichen" Schwein vom Biobauern.
So gesehen passt der französische Titel zur Alternativversion des Grimmschen Märchens. Das Twittern, vor allem aber die auf den Kopf gestellte Rollenverteilung zwischen Prinzessin und Frosch (in Grimms Märchen ist der Frosch der Fordernde) holen die Geschichte nur oberflächlich in unser Zeit. Aber was ist damit gewonnen? Die raffinierte Umwandlung in einen abgegriffenen Witz? Ein irrlichtender Beitrag zur aktuellen Geschlechterdebatte, Indem man die komplexe Psychologie des Märchens auf moderne Geschlechterklischees reduziert? Entscheidend am Grimmschen Froschkönig ist doch, dass er mit dem Wiederbringen der Kugel einen Hebel findet, der sonst unerreichbaren Prinzessin etwas abzuverlangen. Und dass diese erst durch ihre tätliche Abwehr mit dem Prinzen "belohnt" wird. Man muss diese Belohnung, die in die Hochzeit mündet, auch als Erwachsenwerden verstehen. Mal abgesehen von der Gleichsetzung von Hochzeit und Erwachsensein ist es also eine alles andere, als überholte Geschichte. Gerade wenn man die aktuellen Diskussionen über Machtverhältnisse und Rollenverteilungen zwischen den Geschlechtern verfolgt.

FG
Saturnia
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Alt 07.04.2021, 11:57   #4
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Saturnia Beitrag anzeigen
Märchen eignen sich vorzüglich, sie ins Lächerliche zu ziehen.
Dafür eignet sich jedes Genre. Die Wertung richtet sich danach, ob die Satire gelungen ist oder nicht.
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Alt 07.04.2021, 12:12   #5
männlich Saturnia
 
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Dafür eignet sich jedes Genre. Die Wertung richtet sich danach, ob die Satire gelungen ist oder nicht.
Das mag sein, Märchen machen es dem Verfasser der Satire aber scheinbar besonders leicht und sind deshalb auch häufig "Opfer", oder besser gesagt Vehikel. Ob die Satire dann gelingt hängt u. a. davon ab, ob der Märchenstoff verstanden und dann gezielt aufgegriffen und ggf. auch umgedeutet oder umerzählt wird, oder ob er aus einer oberflächlichen scheinbar "modernen" Sicht heraus als billige Kulisse herhalten muss, die vor allem dazu dient, sich durch Abgrenzung besserwisserisch davor zu inszenieren.

FG
Saturnia
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Alt 07.04.2021, 12:21   #6
männlich Ex-L.A.F.
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Hi Noeck, wieso die eine Elision in S1? Z.B. so: mit nur der Kugel ... (es ist ja eine bestimmte, der Prinzessin schon bekannte Kugel, und NUR betont sitzt inhaltlich wunderbar, schlussendlich will sie mehr )
LG Lorenz
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Alt 07.04.2021, 12:37   #7
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Saturnia Beitrag anzeigen
Das mag sein, Märchen machen es dem Verfasser der Satire aber scheinbar besonders leicht und sind deshalb auch häufig "Opfer", oder besser gesagt Vehikel.
Das kann ich nicht bestätigen. An Märchentemen lehnen sich Satiriker und Kabarettisten eher selten an. Märchen behandeln viel zu sehr fundamentale Themen des menschlichen Daseins, um für die Abarbeitung aktueller politischer Themen geeignet zu sein. Sie sind basal und zeitlos und geifen dauerhafte psychische Belange auf, auch wenn sie ihre Wurzeln in der Romantik haben.
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Alt 07.04.2021, 13:00   #8
männlich Saturnia
 
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Das kann ich nicht bestätigen. An Märchentemen lehnen sich Satiriker und Kabarettisten eher selten an. Märchen behandeln viel zu sehr fundamentale Themen des menschlichen Daseins, um für die Abarbeitung aktueller politischer Themen geeignet zu sein. Sie sind basal und zeitlos und geifen dauerhafte psychische Belange auf, auch wenn sie ihre Wurzeln in der Romantik haben.
Grimms Märchen haben ihre Wurzeln nur teilweise in der Romantik, vor allem weil sie von Romantikern gesammelt und aufgeschrieben wurden. Die Motive und Geschichten selbst sind meist viel älter und oft gar nicht deutschen Ursprungs. Ich erinnere da nur z. B. An Charles Perrault, der diese Stoffe schon hundert Jahre früher erzählt hat, und sie auch nicht alle selbst erfunden hatte.
"Satiriker und Kabarettisten" sind zudem normalerweise nicht die problematischen Kandidaten, wenn sie sich mit Märchenstoffen befassen. Eher schon Popmusiker und Hobbydichter - eben die Klientel, die oft einen persönlichen Bezug zu dieser Literaturgattung oder halt literarisches Gespür vermissen lässt.

FG
Saturnia
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Alt 07.04.2021, 13:55   #9
Fried
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Ich erlaube mir mal, noch die zwei Zeilen, die sehr offensichtlich fehlen, zu ergänzen:

Jedoch im Hof, da stand ein Brunnen,
der Mord an sich - wie doof - mißlungen.
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Alt 07.04.2021, 13:56   #10
männlich Nöck
 
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria
Mit dem Wechsel vom Paar- zum Kreuzreim in der zweiten Strophe kann man leben.
Das ist eine Stolperstelle, ich weiß, ich habe vergeblich nach einer Lösung gesucht.

Hallo Saturnia,

du gibst offensichtlich nur durch die Blume ( in längeren Abhandlungen) zu erkennen, was du von Gedichten über Märchen hältst. Nun gut. Deine Bemerkungen wie z.B. "billige Kulisse" oder "die Klientel, die oft einen persönlichen Bezug zu dieser Literaturgattung oder halt literarisches Gespür vermissen lässt."

Trotzdem danke für die aufgezeigten Hintergründe.


Zitat:
Zitat von L.A.F
wieso die eine Elision in S1?
Hast recht, ich überlege.
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Alt 07.04.2021, 19:13   #11
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Grimms Märchen haben ihre Wurzeln nur teilweise in der Romantik, vor allem weil sie von Romantikern gesammelt und aufgeschrieben wurden.
Falsch. Märchen gehen auf Tradition zurück und wurden erst in der Romantik gesammelt. Ihre Wurzeln reichen bis weit in Zeiten zurück, in denen nur mündliche Überlieferung möglich war. Sie sind nicht im Zeitalter der Romantik gewachsen, sondern wie von einer blühenden Wiese gepflückt und dann mehrfach überarbeitet worden, um ihnen die Härten zu nehmen. Erst so konnte sie als Kinder- und Hausmärchen veröffentlicht werden.
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Alt 19.04.2021, 08:58   #12
männlich Nöck
 
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria
Märchen gehen auf Tradition zurück und wurden erst in der Romantik gesammelt. Ihre Wurzeln reichen bis weit in Zeiten zurück, in denen nur mündliche Überlieferung möglich war.
Wenn man die Märchenerzählungen von 1001 Nacht mit einschließt, liegt deren Ursprung noch viel weiter zurück.
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Alt 19.04.2021, 10:28   #13
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Nöck Beitrag anzeigen
Wenn man die Märchenerzählungen von 1001 Nacht mit einschließt, liegt deren Ursprung noch viel weiter zurück.
Damit kenne ich mich nicht aus, obwohl ich sie in meiner Jugendzeit rauf- und runtergelesen habe. Mir ist nicht klar, ob sie volkstümliche Märchen, also aus der Tradition übernommen, oder Kunstmärchen sind. Man verfügte im Mittleren Osten ja bekanntlich schon früh über eine Schrift.

Bei den Sammlungen der Grimms handelt es sich um Volksmärchen, obwohl auch sie Kunstmärchen aufgenommen haben wie z.B. von Wilhelm Hauff. Auch Andersen hat Märchen entstammen nicht der erzählerischen Tradition, sondern sind selbst gedichtet.

Sicher ist aber richtig, dass alle Märchenmotive auf weit zurückliegende Urbilder zurückgehen, die weltumspannend waren.
__________________

Workshop "Kreatives Schreiben":
http://www.poetry.de/group.php?groupid=24
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Alt 20.04.2021, 08:36   #14
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria
Sicher ist aber richtig, dass alle Märchenmotive auf weit zurückliegende Urbilder zurückgehen, die weltumspannend waren.
Als es noch keine schriftlichen Aufzeichnungen gab, war es die Aufgabe der Märchenerzähler, Geschichten nicht in Vergessenheit geraten zu lassen und die Menschen zu unterhalten, egal ob am Hof eines Königs oder in einem Nomadenzelt. Scheherazade war sicher eine der bekanntesten Erzählerinnen.

Zitat:
Zitat von Ilka-Maria
Damit kenne ich mich nicht aus, obwohl ich sie in meiner Jugendzeit rauf- und runtergelesen habe.
Das habe ich auch, genau so wie die Nordischen und Deutschen Sagen.
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