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Lebensalltag, Natur und Universum Gedichte über den Lebensalltag, Universum, Pflanzen, Tiere und Jahreszeiten.

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Alt 04.07.2022, 01:23   #1
männlich Heinz
 
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Beiträge: 7.879

Standard Lass das Weinen

Zu einem Gedicht von Kartoffeline:

Lass das Weinen

Der Menschheit ganzer Jammer, so scheints,
er fasst dich an, du weinst und weinst und weinst.
Sehr tief bekümmert mich dein tiefes Leid -
ich frage mich: Woher rührt meine Heiterkeit,
obwohl es tausend Gründe gibt in dieser Welt,
die dir und mir die Lust am Lachen oft vergällt?

Sehr kurz bemessen ist des Menschen Lebensbahn,
drum nutz die Zeit, verfalle nicht dem üblen Wahn,
dass alles, was geschieht nur schwarz und übel ist.
Genieße es, wenn morgen wieder ein Sonnenstrahl
ganz früh die kaum erblühten Rosen zärtlich küsst,
vernimm und freu dich an dem Schlag der Nachtigall!

Horch auch, wie Spatzen zwitschern, Lerchen singen,
Kinder lachen und dich selbst zum Lachen bringen.
Schön und herrlich schmückt sich stets die Welt,
wenn Freude herrscht und die Liebe sie erhellt.
Wenn beide siegen und in Wollust sich vereinen,
wird auch für dich die Sonne wieder scheinen.
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Alt 04.07.2022, 08:28   #2
weiblich Ilka-Maria
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Beiträge: 31.076

Zitat:
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Zu einem Gedicht von Kartoffeline:

Lass das Weinen
Der Menschheit ganzer Jammer, so scheints,
er fasst dich an, du weinst und weinst und weinst.
Sehr tief bekümmert mich dein tiefes Leid -
ich frage mich: Woher rührt meine Heiterkeit,
obwohl es tausend Gründe gibt in dieser Welt,
die dir und mir die Lust am Lachen oft vergällt?

Guten Morgen, Heinz,

dein Gedicht bringt es auf den Punkt: Probleme gibt es für die Menschheit seit ihren Anfängen, und in der Vergangenheit waren die meisten davon wesentlich größer als heute. Man war seines (Über-)Lebens unsicherer, den Elementen und Raubtieren schutzloser ausgesetzt und hatte die meiste Zeit einen knurrenden Magen, weil man seinem Essen tagelang hinterherlaufen und es - oft unter Todesgefahr - erlegen musste. Trotzdem schienen die Menschen glücklicher gewesen zu sein als unsere Zeitgenossen in den Fettgürteln. Ein Phänomen, das sich auch heute noch in vielen Armutszonen der Erde beobachten lässt, was jedoch der Armut nicht das Wort reden soll, denn sie ist und bleibt ein Problem, das in unserer Zeit nicht mehr sein dürfte.

Das Gedicht von Kartoffeline, auf das du dich beziehst, ist das Jammergedicht eines Prosaischen Ichs, das offensichtlich so viele Wahlmöglichkeiten zu einem Superleben hat, dass es sich überfordert fühlt. Der Zustand der Welt interessiert dieses Ich so gut wie nicht, denn es kreist in jeder Zeile nur um sich selbst, außer in diesem einen kurzen und sehr allgemeinen Absatz:

Zitat:
Ich weinte über die Zukunft. Über den brennenden Planeten mit den brennenden Menschen. Menschen die nichts haben – und doch alles. Zuviel des Guten und zu viel des Bösen – immer eines zu viel.
Wenn ein Ich dermaßen nur mit sich selbst beschäftigt ist und seine Luxusprobleme wälzt - z.B. welches Kleid es tragen und welchen aus einer Vielzahl von Berufen es wählen soll -, frage ich mich, weshalb dieses Kreisen nicht auch mit positiven Gedanken besetzt sein kann, wie z.B.: "Ich werde dieses Problem lösen, und ich werde es solange versuchen, bis ich glücklich und zufrieden bin. Ich lasse mich nicht von der Panikmache der Medien, von falschen Informationen und von den düsteren Prognosen einer inzwischen käuflichen Wissenschaft runterziehen, wo es nur noch um Geld und Ruhm geht. Ich werde nicht alles glauben, sondern selber denken. Ich werde mich nicht zum Objekt machen lassen, sondern als Subjekt durch mein Leben gehen."

Der zuversichtliche, lebensbejahende Ton deines Gedichts, lieber Heinz, ist eine Wohltat. Ich hätte es aber an deiner Stelle in die Gedichterubrik eingestellt, auch wenn es als gereimter Kommentar zu verstehen ist.

Noch ein Wort zu dem inflationären und in der Regel falsch verstandenen Begriff der "Empathie" (hat zwar nicht direkt, sondern nur indirekt mit deinem Gedicht zu tun): Allgemein meinen die Leute, er bezeichne etwas ausnahmslos Positives. Das ist falsch. Selbst ein Psychopath kann empathisch sein, d.h., sich in andere Menschen einfühlen; ansonsten wäre es ihm nicht möglich, sie für seine Zwecke zu manipulieren. Es gibt Gehirnforscher und Vernehmungsspezialisten, die sogar behaupten, Psychopathen seien von Natur aus hervorragende Psychologen.

Ich wünsche dir eine schöne Woche.

LG
Ilka
__________________

Workshop "Kreatives Schreiben":
http://www.poetry.de/group.php?groupid=24
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.07.2022, 09:25   #3
männlich Heinz
 
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Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879

Hallo, Ilka-Maria,
den Morgengruß gebe ich ungeschmälert zurück.
Deine Feststellung, dass die Menschheit der Vergangenheit mit weit schwierigeren Problemen zu tun hatte und es in der Gegenwart auch nicht nur Friede, Freude und Eierkuchen gibt, deckt sich mit meinen Erfahrungen.
Beinnahe belustigend ist es, wenn ich mir vorstelle, wie ein Neandertaler verzweifelt vor der Wahl der Kleidung steht: Trage ich heute das Bärenfell oder belasse ich es bei dem schambeschützenden Feigenblatt.
Ich verschließe keineswegs meine Augen vor dem Elend, das es auch heute in für uns unvorstellbaren Ausmaß gibt. Ich lese z.Zt. das Buch Ralph Giordanos mit dem Titel "Die Spur" (Untertitel "Reportagen aus einer gefährdeten Welt")..
Ich hatte das große Glück, diesen Mann (vielen bekannt durch seine TV-Serie "Die Bertinis"), Die Lektüre empfehle ich allen, die auf hohem Niveau in Jammern und Wehklagen ausbrechen und mich an Grundseufzer Fausts erinnern: O wär ich nie geboren!
Für uns alle gibt es Situationen, die uns der Verzweiflung nahe bringen können.
Die Kleiderfrage - o mein Gott! -, vor paar Wochen stand ich auch vor der schrecklichen Wahl: Zieh ich meinen Smöking an oder tut es auch ein Anzug, um ein Augentrost für die anwesenden Damen bei einer Geburtstagsfeier zu sein. Aus unerklärlichen Gründen hatten böse Geister der Nacht meine Hosenbünde geschrumpft, zehn Zentimeter maß die Lücke zwischen dem obersten Knopf und der Knopföse. Auch ich war den Tränen ob des Geschickes Mächten nahe, musste dann aber feststellen: Kein Nachtmahr hat die Hosenbünde reduziert - ich hatte ein paar Monate einfach zuviel gefressen.
Mein Resümee habe ich in meinem Gedicht versucht zu ziehen. Dass der Grundton mit Deinem Kommentar überein stimmt, freut mich sehr.
Eine neue Woche ist angebrochen, auf denn, packen wir es an!
Liebe Grüße,
Heinz

Geändert von Heinz (04.07.2022 um 19:35 Uhr)
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