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Zeitgeschehen und Gesellschaft Gedichte über aktuelle Ereignisse und über die Menschen dieser Welt. |
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04.05.2008, 17:27 | #1 |
das Joch
Das Joch
Es lässt der Menschengeist sich so leicht zwingen, das Joch zu tragen ist ihm ein Genuss, er baut den Dom, lässt sich in Reihe bringen und stimmt noch an die heil’ge Ordnung zu besingen und für den kalten Ring den heißen Kuss solange er nur selbst nicht denken muss. Es fanden sich der Sklavenhalter viele gar mancher streichelte der Diener Wangen Tyrannen führt oft Schmeichelei zum Ziele so folgt man gern der Formel „Brot und Spiele“, denn süß schmeckt Gift von falschen Schlangen Zufriedenheit verbirgt die festen Zangen. Das Kapital erlaubt die Freiheit nicht, es drängt sich in die stillsten aller Räume, man treibt den Drang, verbietet den Verzicht, man braucht das Wachstum, wie der Halm das Licht, so sät man in den Köpfen Luxusträume, dem freien Geist ein Mediengezäume. Und auch die Presse wird vom Markt gelenkt, es dienen als Ventil die kritischen Passagen man wird in fremde Meinungen gezwängt, Informationen sind stark eingeschränkt, Verlage achten nur auf Gewinnmargen, So werden Zeitungen Werbekollagen. Es lebt die Freiheit nur in traumhafter Vision, in Klang, in Bild, in Schauspiel und Gedicht und streitet man für Emanzipation setzt man nur einen neuen König auf den Thron und was man dürfen will, das wird zur Pflicht denn Freiheit kennt der Freiheitskämpfer nicht. |
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18.05.2008, 23:32 | #2 |
Hab mich bei unserer Goethe-Diskussion mal gefragt, welche Lyrik du eigentlich pflegst, und sehe nun in angenehmem Erstaunen dieses Gedicht.
Ganz klar: Freiheit ist und war stests ein großes Thema in der Literatur, deshalb kann man viel damit machen, muss sich allerdings auch gegen vieles behaupten. Zur Form: Ich war beim ersten Durchlesen überrascht, als plötzlich die Gegenwart (mit dem Kapital) ins Spiel kam, weil du viel von der Vergangenheit gesprochen hast und dich auch sprachlich, wie's oft beim Reimen passiert, an älteren Zeiten orientiert hast. Das ist prinzipiell nicht schlecht, nur wird der Übergang zu krass - ich rate dir, auch die Verben im Präteritum zu halten, vielleicht auch ein einst einzufügen - heute baut man nunmal keinen Dom mehr, wenn man nicht recht dafür bezahlt wird (zwing mal nen Landarbeiter, an der Sagrada Familia mit anzupacken). Dann weckt das auch Spannung, was du dann zum Heute zu sagen hast. Der Rest war dann in Ordnung. Metrisch hapert's immer wieder, vor allem zum Ende hin, ich hab in der unteren Liste nicht alles aufgezählt, überprüfe selbst noch mal alles genau. Jetzt ein paar Details: - Entscheide dich am Zeilenanfang für groß oder klein (bzw. dem Syntax entsprechend) - Deine jeweils vierte Zeile variiert zu sehr von 1 und 3, das ungewöhnliche Reimschema verwirrt schon so genug, da sollte das Metrum nicht bocken - mancher S2Z2 klein - "wie der Halm das Licht" S3Z4 weckt in mir eine zu positive Assoziation: Halm schwach, Licht gut; aber: Manager stark, korrupt, böse, Wachstum verleitet zur Gier. Außerdem wächst (und lebt) der Halm durch das Licht, das Wachstum jetzt noch doppeldeutig in den Vergleich einzubeziehen, ist unklug - "Informationen sind stark eingeschränkt" S4Z4 ist metrisch völlig daneben, das mutet mehr nach Daktylus als nach Trochäus an - Gewinnmargen S4Z5 ist zwart ein ungewöhnlicher, deshalb origineller Reim, passt aber leider nicht: Gewínnmárgen, anders lässt sich's nicht betonen. - Der letzte Satz ist ein nettes Paradoxon, will mir aber nicht ganz einleuchten. Heißt das, Freiheitskämpfer wissen nicht, was Freiheit ist und kämpfen für was ganz Anderes, heißt das, Freiheitskämpfer sind nicht frei oder heißt das, diejenigen, die sich als Freiheitskämpfer ausgeben, kämpfen in Wahrheit nicht für die Freiheit? Oder ist das ein Gesetz, dass das System seinen Freiheitskämpfern auferlegt? |
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19.05.2008, 09:00 | #3 |
Hallo Puka -
Dich ehrt der hohe anspruch an das, was Du machst! Stark an der klassik orientierte gedichte, in denen auch der klang der gegenwart zum tragen kommt. Mir gefällt es persönlich gut, wenn jemand diesen anspruch hat. Zu formal-metrischen aspekten hat Grob ja schon einiges gesagt, dem ich zustimmen muss. Ich finde es insgesamt weniger problematisch, dass das gedicht die wendung von vergangenheit zu gegenwart vollführt, auch wenn Du tatsächlich mit zeitworten (auch: 'heute', 'jetzt' etc.) arbeiten könntest. Mir erschließt sich die letzte zeile als: 'Freiheitskämpfer sind die hehren gestalten, aber die freiheit, nach der sie gieren, gibt es nicht mehr; sie ist austauschbar & käuflich geworden.' Wie gesagt: insgesamt ein sehr anspruchsvolles werk, an dem Du noch etwas herumfeilen könntest (besonders 4.strophe!) - ich ziehe den hut! Bestes, Michl |
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19.05.2008, 20:09 | #4 | ||
Hallo Grob, Hallo Michl
Erst einmal natürlich die obligatorischen Danksagungen für eure Kommentare, für Lob, und Kritik. Das ist allerdings nicht einfach so daher gesagt, ich freu mich wirklich sehr, dass ihr euch soviel Mühe mit diesem etwas verwachsenen Gedicht macht. Nun möchte ich erst einmal kurz die Idee hinter dem Gedicht erklären. Mir schwebte eine Art Chronologie, mehr eine nicht zeigebundene Stoffsammlung, der Unfreiheit vor, deshalb finden sich plötzlich so moderne Begrifflichkeiten, dass mir dies aber nicht gut gelungen ist, ist mir selbst auch schon des öfteren aufgefallen, und seither habe ich mich auch nicht mehr an so konkrete Aussagen herangewagt. Außerdem wollte ich als letzten Punkt das in der letzten Strophe zu findende Freiheitsparadoxon ansprechen, das ich übrigens auch als letzte Etappe dieser "Chronologie" verstehe. Ich möchte nun ungern diesen Vers entschlüsseln, auch weil ich glaube mit diesem Gedicht alles an die Hand gegeben zu haben um es zu verstehen, aber ganz im Regen will ich niemanden stehen lassen und so verweise ich nochmal auf den vorletzten Vers, der direkt darauf Bezug nimmt, ich bin allerdings auch von euren Interpretationen sehr begeistert. ("Die Wahrnehmung verrät weniger über unsere Umwelt als über uns selbst" [von mir ]) Seit ihr trotzdem noch neugierig könnt ihr mich per PN danach fragen, ungern will ich anderen Usern meine Intention aufdrängen Was die Metrik betrifft, so habe ich bei diesem Gedicht wenig bis garnicht darauf geachtet, ein durchgängiges System zu haben, schon wegen der langen Schaffensperiode nicht, lediglich flüssig lesen hätte es sich sollen. Inzwischen (es ist mein zweites Gedicht... das zweite das ich Zählen lasse )bin ich allerdings schon ein Stück wählerischer geworden, und schelte mich selbst auch für dieses Fiasko. Gehen wir nun noch ins Detail: Zitat:
Zitat:
mfg Puka |
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19.05.2008, 20:19 | #5 |
Ich habe mir in der elften Klasse die Freiheit genommen, Biologie aus meinem Stundenplan zu streichen, deshalb müsste ich hier streng genommen passen - aber welche Pflanzen hat der Halm im Laufe der Evolution verdrängt? Erst einmal ist ein Halm keine fixe Pflanze: Es gibt den Grashalm, den Schilfhalm, den Getreidehalm und zig andere Halme, das ist nur ein Wort, das die Form und den Teil einer Pflanze beschreibt. Wäre ich böse, wollte ich dir unterstellen, du redest dich raus, aber da ich nur grob bin, halte ich mich hier zurück. Und das System ist alles andere als "leicht gestrickt", denn sonst könnte man's stürzen.
Mir leuchtet die Intention des letzten Satzes nunmehr ein, und da's ein nettes Paradoxon ist und sich da ganz gut macht, bemängel ich mal nicht weiter. Als Tipp: Wenn du reimst, dann denk auch hier und da an den Vers, das ist in der Regel immer besser, als es nicht zu tun. |
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19.05.2008, 20:36 | #6 |
ich spreche von Grad zugegeben habe ich das nicht ganz klar gestellt. Gras hat wie ich gehört habe (in diesen Dinosaurierdocus, damit habe ich eine vernünftige Quelle :-P) eine Menge von Urfarnen verdrängt, wie die jetzt explizit heißen, ist dir glaube ich egal :-)
Zum System: Ich betrachte den Kapitalismus als die einfachste Marktform die sich ausschließlich auf "niedrige" Instinkte (Egoismus) gründet, und dem einfachen Evolutionsprinzip entspricht. Weiter glaube ich, dass man für jedes menschlichere System einen höheren Grad an Kultur, Einsicht und Selbstbeherrschung braucht, als im Kapitalismus. Wie ich deinen Tipp nun genau auffassen soll, weiß ic nicht so ganz, seh ichs also mit einem Augenzwinkern. |
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19.05.2008, 21:33 | #7 | |
Es ging mir nicht um Augenzwinkern, sondern um deine Aussage
Zitat:
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19.05.2008, 21:37 | #8 |
Kapitalismus
Ich finde Dein Gedicht hier mal abgesehen von Reim und Metrik sprachlich wirklich gelungen natürlich gibt es da einige Punkte die grob schon ansprach aber das ist wirklich nur zu sehen wenn man es in die einzelnen Verse aufdröselt...als Gesamtwerk ist es sehr stimmig Du hast jegliche Aspekte einer Subsistenzwirtschaft eingebracht das heisst die Folgerungen nach dem Schema...das eine schließt das andere nicht aus und bezieht immer anderes mit ein...eine Ausrede sehe ich verbunden dem WORT Halm ganz und gar nicht liest man sollte man die Assoziation im Zusammenhang verstehen (wieder ein Punkt der beim Einzelaspekt) vielleicht an Kraft verliert...aber ich habe eher das Gefühl das dieses Gedicht der Formation dient eine Steigerung ersinnt...mit einem Gesamtende von dem jeder betroffen ist und es keine Auswahlmöglichkeiten mehr gibt...da ich nicht der Typ bin der an Jambus, Metrik und anderen lyrischen Dingen herummäkelt sonder meist den Inhalt assoziiere...und erkennen will...wollte ich meinen Senf NUR um des Inhalts willen hier (wie ich ihn verstand) ...dazu geben...
glg inua Al inua |
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